Mannheimer Schillertage 2023

Schillertage starten mit „Wilhelm Tell“ – Ein Volksheld im Karpfenteich

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INTERVIEW
Philine Sauvageot

Regisseur Christian Weise inszeniert Schillers „Wilhelm Tell“ zum Start der Schillertage 2023 im Karpfenteich des Mannheimer Luisenparks. Die Verfremdung soll zeigen, wie epochenübergreifend um Gemeinschaft gerungen werden muss: „So wie Schiller Tell und die Eidgenossen im Kampf gegen die Habsburger debattieren ließ, so müssen auch wir heute Demokratie und Wohlstand verteidigen.“

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Westeuropäer dürfen Freiheit nicht einfach voraussetzen

Wir Deutsche und die Westeuropäer dürfen Freiheit nicht einfach voraussetzen, meint Christian Weise im Gespräch mit SWR2. „Ringsherum schaut es doch ganz anders“, sagt der Regisseur der Tell-Inszenierung. Dieses Thema alleine schon mache den Stoff für ihn interessant. Außerdem handele es sich bei dem Stück um ein Heldenepos. „Die Fragen nach Helden, einem Anführer, ob es einen braucht, der eine Vision hat – die finde ich interessant“, so Weise.

Wilhelm Tell - Schillertage Mannheim (Foto: Pressestelle, Christian Kleiner)
Mannheimer Schillertage: Schillers „Wilhelm Tell“ im Karpfenteich des Luisenparks

Tell handelt, weil er merkt, dass er gebraucht wird

„Witzig“ sei es, dass die Schweizer den Stoff zu einer Schweizer Geschichte gemacht haben, findet Weise. Schiller sei aber nie dort gewesen, habe die Handlungsorte nur auf der Landkarte angeschaut und den Text in Weimar geschrieben. In Wirklichkeit gehe es um die generelle Frage, wie jemand zum Helden wird. Wilhelm Tell werde dazu gezwungen – weil Druck auf seine Familie gemacht wird. „Das finde ich interessant, dass das jemand aus einem bestimmten Zwang tut, weil er merkt, er wird gebraucht“, interpretiert Weise Schillers Text.

Inszenierung als Tierfabel: Mit Gummistiefeln durch den Karpfenteich

In Christian Weises Inszenierung tragen die Figuren Fischköpfe und waten in Gummistiefeln durch den Karpfenteich des Mannheimer Luisenparks. Die Verfremdung zu einer Tierfabel gebe dem Stoff eine neue Wendung, sagt Weise. „Sie wird mit einer märchenhaften Struktur besetzt“, sagt Weise – und bekomme so Allgemeingültigkeit.

Um Demokratie muss gerungen werden

Über seine liebsten Theaterstücke verrät Weise im Gespräch: „Ich schaue mir oft alte Geschichten an, weil sie klar sind, wie bei Schiller, und universell, wie bei Shakespeare.“ Die Stoffe in neue Gewänder zu stecken, gebe ihnen eine Brechung – „und das ist, was mir an Theater gefällt.“

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Für Weise ist Wilhelm Tell eine „faszinierende Figur“, doch interessieren ihn mehr die Szenen, in denen die Eidgenossen im 12. Jahrhundert am Rüttliberg über ihren Wunsch nach einer Gemeinschaft debattieren. Beispielhaft stelle Schiller dies dar: „Das betrifft uns total, und das ist, was mich sehr interessiert, in unserer wohlständigen deutschen Welt, die extrem jeden Tag um Demokratie ringt.“

Christian Weise arbeitet seit 2001 als Regisseur; er hat unter anderem in Halle, am Schauspiel Köln, am Deutschen Theater Berlin und bei den Salzburger Festspielen inszeniert. Mit „Wilhelm Tell“ stellt er sich als Hausregisseur des Nationaltheaters Mannheim vor.

Oper Erleichterung in Mannheim: Ersatzspielstätte der Oper wird weitergebaut

Große Erleichterung am Nationaltheater Mannheim: Die Ersatzspielstätte der Oper Mannheim, die Oper am Luisenpark, kurz OPAL, ist gerettet. Am 20. Juni hat der Mannheimer Gemeinderat beschlossen, dass in Eigenregie weitergebaut wird und dafür zusätzliche 6,3 Millionen Euro bewilligt.

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