Bürgermeister von Wittlich betroffen

Bedrohungen gegen Kommunalpolitiker

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Claudia Deeg
Claudia Deeg (Foto: SWR)
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SWR1

Nach einem tödlichen Angriff auf einen 28-Jährigen läuft die Kirmes in Wittlich weiter – der Bürgermeister der Stadt, Joachim Rodenkirch, und seine Familie, werden für diese Entscheidung bedroht.

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Bedrohungen, Beleidigungen, Einschüchterungen – das alles gehört mittlerweile zum Alltag vieler Politiker. Ralph Spiegler ist stellvertretender Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz.

Drohungen gegen Wittlicher Bürgermeister

SWR1: Was haben Sie gedacht, als Sie von den Drohungen gegen Ihren Kollegen in Wittlich gehört haben? 

Ralph Spiegler: Das macht sprachlos. Ich kenne den Kollegen gut und kenne ihn als sehr besonnenen Menschen, der wirklich wohl abgewogen solche Entscheidungen trifft. In dem Falle, war es dann auch so, dass die Entscheidung in Abstimmung mit der Familie des Opfers getroffen worden ist, die Kirmes weiterzuführen, weil es eben wohl auch im Sinne des Opfers gewesen ist. 

SWR1: Der Bürgermeister betonte von Anfang an: Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Also hat er mit der Familie Kontakt aufgenommen, die Schwere der Entscheidung transparent gemacht. Eigentlich hat er doch alles richtig gemacht. Wie kann das dann sein? 

Spiegler: Wir haben in den letzten fünf, sechs Jahren immer wieder auch sehr schwierige Entscheidungen zu treffen im Zusammenhang mit Unterbringung geflüchteter Menschen, im Zusammenhang mit Corona und vieles andere. Es sind nie Entscheidungen, die allen gefallen. Aber es ist wohl abgewogen, es ist gut kommuniziert. Dann darf es durchaus sein, dass Menschen nicht einverstanden sind mit solchen Entscheidungen. Aber den Weg zu suchen, der jetzt gesucht worden ist, ist definitiv falsch und das gehört auch strafrechtlich verfolgt. 

[Drohungen] gehören auch strafrechtlich verfolgt.

Rücktritte als Folge

SWR1: Die Anfeindungen sind eine echte Gefahr für die Demokratie. Politiker von Bundes- bis Lokalebene, die bedroht werden. Die Folge ist doch, dass es keiner mehr machen will.

Spiegler: Im Grunde ist es schon so, dass ich das sage, was ich seit fast 30 Jahren sage. Das ist eigentlich das schönste Amt, das die Demokratie zu vergeben hat, aber dadurch, dass es so nah an den Menschen ist, ist auch diese Bedrohungslage sehr nah. Da gibt es, und das hatten wir ja auch schon, Menschen, die sagen: bis hierher und nicht weiter. Das tue ich mir, das tue ich meiner Familie nicht an, ich trete zurück und übe dieses Amt nicht mehr aus. Und das ist eine Entwicklung, die kann eigentlich am Ende niemandem gefallen.

Kommunalwahl (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Martin Schutt)
Im nächsten Jahr stehen Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz an.

SWR1: Gerade auch mit Blick auf die Kommunalwahlen im nächsten Jahr in Rheinland-Pfalz?

Spiegler: Die Kommunalwahl steht schon unter einer ganzen Reihe von schwierigen Vorzeichen. Eine Problematik ist die, dass die Akzeptanz des Amtes auf der einen Seite, aber auch der Respekt vor dem, der dieses Amt innehat, zu schwinden droht. Als ich jung war, waren solche Übergriffe vollkommen undenkbar. Da ist sehr viel Distanz und Respekt verloren gegangen. Man kann sagen, das ist ein schlechter Bürgermeister, oder ich will die Bürgermeisterin nicht. Dazu gibt es Wahlen, da kann man wählen oder abwählen. Aber der Gegenüber ist immer auch ein Mensch und den Menschen gilt es zu respektieren.

Da ist sehr viel Distanz und Respekt verloren gegangen.

SWR1: Haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen denn Ideen, wie man das in den Griff kriegen kann?

Spiegler: Wichtig ist, dass es nicht versteckt wird, wenn so etwas wie jetzt bei Herrn Rodenkirch passiert. Es muss öffentlich gemacht werden, es muss angezeigt werden und die Strafverfolgungsbehörden müssen sich dem in verstärktem Maße annehmen. 

Das Interview führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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