Dr. Hanns-Christian Gunga ist emeritierter Professor für Weltraummedizin und extreme Umwelten an der Klinik Charité in Berlin. Er weiß, wie der menschliche Körper auf extreme Bedingungen reagiert.
Das passiert mit dem Körper beim Eisbaden
SWR1: Was passiert mit dem Körper, wenn wir plötzlich in kaltes Wasser steigen?
Dr. Hanns-Christian Gunga: Für den Körper ist das erstmal eine Stresssituation. Die Evolution hat ein paar Millionen Jahre daran gearbeitet, uns unter solchen Bedingungen noch entsprechend handlungsfähig zu halten.
Aber eiskaltes Wasser ist für den Körper einer Notsituation. Die Haut wird weniger durchblutet. Es zieht sich sozusagen der Körper auf seinen Körper-Kern zurück, um die Temperatur zu halten. Aber das kann er im eiskalten Wasser vielleicht drei bis vier Minuten, maximal eine Viertelstunde. Dann beginnt die Unterkühlung des gesamten Körpers mit schwerwiegenden Folgen.

SWR1: Notsituation, drohende Unterkühlung, mögliche schwerwiegende Folgen. Wie kommen jetzt viele Menschen auf die Idee, dass das gesund sein soll?
Gunga: Das kann gesund sein in der Hinsicht, dass man zum Beispiel rheumatische Erkrankungen mit einer Unterkühlung der Gelenke entsprechend stabilisiert und damit Erfolge verzeichnet hat. Es gibt auch einige Untersuchungen, die nahelegen, dass es vielleicht immunologische Erfolge hat, also die Abwehrkräfte stärkt.
Aber es muss sich auch regelmäßig dann so einem Stress ausgesetzt werden. Es ist keine ungefährliche Angelegenheit, ins kalte Wasser zu springen. Besonders dann nicht, wenn man ungeübt ist.
Insbesondere dann, wenn zum Beispiel der Gesichtsbereich in irgendeiner Weise mit dem kalten Wasser in Verbindung kommt. Dann greift ein sehr alter Reflex, der die Herzfrequenz senkt und unter Umständen bei dem einen oder anderen auch eine Herzrhythmusstörung und in extremsten Fall einen Herzstillstand auslösen kann. Wenn man so etwas macht oder meint machen zu müssen, dann sollte man da langsam herangehen.
Es ist keine ungefährliche Angelegenheit, ins kalte Wasser zu springen.
Gesundheit Kälte – Wo sie guttut, wann sie gefährlich wird
Eisschwimmen ist im Trend. Viele empfinden das kalte Wasser als gesundheitsfördernd. Tatsächlich wird Kälte auch als Therapie eingesetzt, unterschätzen sollte man sie aber nicht.
Langsam an die Kälte herantasten oder doch lieber nur kalt duschen?
SWR1: Was heißt das genau? Sollte man langsam reingehen oder erstmal nur mit den Knien?
Gunga: Einen Tag vielleicht erstmal nur bis zur Wade oder zu den Knien reingehen. Am nächsten Tag vielleicht bis zur Hüfte. Weil das so gefährlich ist, sollte man solche Experimente nicht alleine durchführen.
Diese exponentielle Zunahme von Leuten, die meinen, sie müssten in so ein kaltes Wasser springen, ist etwas, was ich nicht befürworte. Schon gar nicht, wenn man das alleine macht.
SWR1: Betrifft das, was Sie sagen, auch die kalte zehn Minuten Dusche?
Gunga: Das ist ein sehr guter Punkt. Die befürworte ich eigentlich sehr viel mehr, weil man das sehr viel besser dosieren kann. Wenn Ihnen zwischendurch kalt wird, kann man die Dusche wieder verlassen.
Wenn Sie das regelmäßig machen, können Sie positive Effekte auf die Immunologie feststellen. Oder die Hautdurchblutung wird dadurch trainiert. Wenn Sie aus einem warmen Bereich akut in einen kalten Bereich kommen, wird die Gefäßmuskulatur, die in jedem Blutgefäß vorhanden ist und sich bei Kälte zusammenzieht, aktiviert.
Wenn Sie das regelmäßig machen – sagen wir mal, zweimal, dreimal, vier- oder fünfmal die Woche - dann wird die Muskulatur gesteigert. Und wenn Sie jetzt nicht nur anfangen, wenn es kalt ist, sondern dies das ganze Jahr über tun, haben Sie einen entsprechenden Trainingszweck.