Im SWR1 Interview spricht er über den schweren Weg aus der Sucht, gesellschaftlichen Druck und die neue Lust aufs Leben ohne Rausch.
Der Alltag ohne Alkohol: vom Kampf zur Freiheit
SWR1: Sie waren suchtkrank, das musste erstmal behandelt werden. Wie herausfordernd war für Sie der Alltag ohne Alkohol – und wie erleben Sie das Heute?
Daniel Wagner: Heute habe ich überhaupt kein Problem mehr damit. Der Wunsch nach Alkohol ist nach ein bis zwei Jahren langsam verebbt und getauscht worden gegen den Wunsch zum Leben und zum Überleben. Es ist irgendwann nicht mehr zum Verzicht geworden, keinen Alkohol zu trinken. Das ist eine ganz frei getroffene Entscheidung, nüchtern zu leben und fühlt sich nicht länger nach Verzicht an. Am Anfang, in den ersten zwei Jahren, war das noch schwer, teilweise brutal. Man begegnet Alkohol überall, es ist schwierig, dieser Droge zu entkommen. Da muss man viel kämpfen.
Man begegnet Alkohol überall, es ist schwierig, dieser Droge zu entkommen.
Alkohol und gesellschaftlicher Druck
SWR1: Gerade an Feiertagen wie Ostern oder bei Geburtstagen gehört das Gläschen Sekt für viele einfach dazu. Wie gelingt es Ihnen in solchen Momenten, auf Alkohol zu verzichten – und wie kommunizieren Sie das?
Wagner: In meinem sozialen Umfeld ist das nicht gegeben. Das sind Menschen, die das unterstützen. Die wissen, wenn ich Alkohol trinken würde, würde ich mehr oder weniger sterben. Wenn ich in einem Gasthaus bin, muss ich immer wieder mit Kommentaren umgehen. Aber ich kommuniziere dann meistens ganz offen, auch in aller Härte, dass ich trockener Alkoholiker bin – und dann liegt es am Gegenüber, damit umzugehen. Wünschen würde ich mir eine andere Haltung der Gesellschaft, eine rücksichtsvolle und generell auch ein Verständnis dafür, dass es sich bei einem Glas Sekt trotzdem um eine Droge handelt.
Wenn ich Alkohol trinken würde, würde ich mehr oder weniger sterben.
Alkohol ist ein Zellgift – und doch überall akzeptiert
SWR1: Hat es für Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema eine Rolle gespielt, dass die Wissenschaft heute deutlich strikter auf Alkohol blickt – ihn zum Beispiel schon ab dem ersten Schluck als Zellgift einstuft?
Wagner: Ja, das begrüße ich schon. Ich glaube, es geht darum, eine generelle Aufklärung und ein Verständnis dafür zu schaffen, was man hier eigentlich konsumiert, weil es nicht einfach nur ein Getränk ist. Ich bin jetzt grundsätzlich niemand, der etwas gegen Berauschung oder Feiern hat, das ist völlig legitim. Aber es geht darum, zu wissen, was man konsumiert. Und da gibt es Nachholbedarf.
Alkoholverzicht senkt das Krebsrisiko Bas Kast: Das gesunde Gläschen Wein am Abend erweist sich als Mythos
Bestsellerautor Bas Kast hat in seinem neuen Buch das Thema Alkoholverzicht aufgegriffen. Im SWR1 Interview erzählt er, warum er dadurch mehr Lebensqualität hat.
Was hilft beim Verzicht auf Alkohol?
SWR1: Gibt es für Sie jetzt was anderes, was Sie mehr tun statt zu trinken, beispielsweise mehr Süßigkeiten verspeisen?
Wagner: Das war in den ersten Jahren noch so, dass ich eine Ersatzdroge gesucht habe. Bei mir waren das dann eher Aktivitäten. Ich habe wie ein Wahnsinniger Puzzles gebaut und es kann gut sein, dass ich in der ersten Zeit noch etwas mehr gegessen habe. Aber mittlerweile ist mein Ersatz tatsächlich die nüchterne Realität, die ich wirklich sehr genieße und erst durch meine Abstinenz kennenlernen durfte.