Hirnforscher und Psychiater Prof. Manfred Spitzer

Wie KI uns rettet und bedroht

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Claudia Deeg
Claudia Deeg (Foto: SWR)
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SWR1

Der Hirnforscher und Psychiater Professor Manfred Spitzer warnt schon seit Jahren vor Gefahren von digitalen Medien – nach dem Prinzip, wer weniger denken muss, wird auch irgendwann dümmer.

Er hat sich für sein neues Buch "Künstliche Intelligenz (Dem Menschen überlegen – wie KI uns rettet und bedroht)" sehr ausgiebig mit dem Thema befasst. Wir haben mit ihm darüber gesprochen in welchen Bereichen KI eine echte Hilfe sein kann und wo sie uns wiederum gefährlich werden kann.

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SWR1: Haben Sie sich bei Ihrem Buch von einer KI helfen lassen?

Prof. Manfred Spitzer: Nein, ich habe mal tatsächlich den Titel meines Buches in Chat GPT eingegeben, und dann kam das, was bei Wikipedia auch steht — es war sehr langweilig.

SWR1: Was hat Sie bei der Recherche am meisten beeindruckt rundum KI? Wo sehen Sie Chancen?

Spitzer: Beeindruckt hat mich tatsächlich, und darüber habe ich auch vor allem geschrieben, welche Möglichkeiten mit KI heute schon verwirklicht worden sind. KI kann heute schon sehr vieles besser als der Mensch. Das war eigentlich das, was mich fasziniert hat, und zwar auf allen Gebieten.

KI kann heute sehr vieles besser als der Mensch.

SWR1: Welche Chancen bietet KI? Beispielsweise auch Erdbebenvorhersagen oder Ähnliches, was wir mit rein menschlichen Fähigkeiten nicht könnten.

Spitzer: Ja, überall da, wo wir riesige Datenmengen haben. Die Seismographen zeichnen riesige Datenmengen auf — früher analog, mittlerweile auch digital. KI kann lernen aus diesen Datenmengen Informationen herauszuholen und das kann sie tatsächlich auch besser als wir. Vor allem, weil KI länger und mehr lernen kann als wir Menschen. Wenn man riesige Datenmengen mit KI analysieren kann, ist es durchaus im Bereich des Möglichen, dass es irgendwann auch Erdbebenvorhersagen gibt.
Ein anderes Beispiel: Bei der Wettervorhersage ist es jetzt schon so weit, dass die KI besser ist als die Supercomputer der Wetterforscher. Diese Computer lernen nicht, sondern sagen anhand von mathematischen Modellen des Wetters mit unendlich vielen Messstationen, verteilt über die ganze Welt, das Wetter vorher. Aber die KI, die einfach nur die Vergangenheit anguckt und aus der die Zukunft vorhersagt, kann es mittlerweile genauso gut oder sogar schon besser.

Warum KI gefährlich werden kann

SWR1: Wo wird KI gefährlich?

Spitzer: KI wird ganz simpel in den Händen von Menschen gefährlich, die Böses wollen. Es ist nicht die KI selbst, die plötzlich nach der Macht greift und sich gegen den Menschen wendet, wie es in den ganzen futuristischen Filmen dargestellt wird. Solche Filme gibt es bereits wie Sand am Meer. Das wird nicht passieren. Aber es könnte natürlich passieren, dass jemand eine KI, die chemische Reaktionen planen kann, beispielsweise dafür nutzt, sich ein Rezept für ein Nervengift mit Chemikalien, die in jeder Drogerie zu kaufen sind, erstellen zu lassen.

Das beschreiben Leute schon im Jahr 2014, die sich als erste eine chemische KI erdacht haben und diese soweit trainierten, dass sie funktioniert. Um diese Thematik machen sich die schlauen Leute schon länger Gedanken. Eine Lösung gibt es jedoch noch nicht.

Hände auf einer Computertastatur, im Hintergrund sieht man diverse Programmcodes.  (Foto: IMAGO, IMAGO / Zoonar)
KI wird in den Händen von Menschen, die Böses wollen, gefährlich.

Wahrheit von Falschheit unterscheiden

SWR1: In einem Interview haben Sie mal gesagt, künstliche Intelligenz sei gut für gebildete Menschen, die Wissenschaftler, die zum Beispiel ihre Forschungen vorantreiben können. Ungebildete Menschen seien der KI dagegen hilflos ausgeliefert. Warum?

Spitzer: Weil man von der KI auch durchaus Falschinformationen bekommen kann. Zumal viele Firmen KI für sich nutzen, um zum Teil Falschinformationen zu verbreiten oder zumindest Menschen zu beeinflussen, damit sie bestimmte Produkte kaufen.

Es gibt keine allgemeine Fähigkeit Wahrheit von Falschheit zu unterscheiden.

SWR1: Da unterstelle ich mal, dass auch schlaue Menschen auf Werbung reinfallen.

Spitzer: Das ist so. Aber sie haben wenigstens eine Chance auch darüber nachzudenken und aufgrund ihres Vorwissens darauf zu kommen, dass man noch woanders nachgucken könnte. Und es gibt keine allgemeine Fähigkeit Wahrheit von Falschheit zu unterscheiden. KI, die jedermann zur Verfügung steht und die alle Fragen besser beantwortet als Menschen, wird es in wenigen Jahren geben und wir werden aufpassen müssen, dass wir mit dieser vernünftig umgehen.

Wir werden KI regulieren müssen.

Wer KI anwendet, den muss man auch zur Verantwortung ziehen können für die Folgen dieser Anwendung. Dafür wird es entsprechende Gesetze geben müssen. Wenn wir es nämlich nicht tun, dann hat sie uns längst überholt und je länger wir warten, desto weiter ist sie uns voraus. Das ist heute schon auch von Amerikanern als Problem gesehen und publiziert.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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