Cyberexperte Thomas-Gabriel Rüdiger

Gefahren im Netz für Kinder und Jugendliche

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Michael Lueg
SWR1-Moderator Michael Lueg (Foto: SWR, SWR1 -)
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Schnell ein Selfie mit der Freundin per Snapchat verschickt, ein Video mit neuesten TikTok-Tanztrend gemacht und hochgeladen oder den Link angeklickt, der rumgeschickt wurde — und auf einmal landet man auf Pornoseiten oder sieht Gewaltbilder.

Viele Eltern machen sich Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder im Internet. Thomas-Gabriel Rüdiger ist Cyberkriminologe an der Hochschule der Polizei in Brandenburg und gibt Tipps für den sicheren Umgang mit dem Internet. 

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SWR1: Wo lauern denn für Kinder und Jugendliche im Netz die größten Gefahren?

Thomas-Gabriel Rüdiger: Ich glaube kaum, dass heutzutage ein Kind im digitalen Raum aufwachsen kann ohne in irgendeiner Form mit strafbaren Inhalten oder Kontaktversuchen durch "unschöne Menschen" konfrontiert zu werden. Das größte Problem kann man gar nicht so beziffern, sei es Sexual- oder Hass-Delikte mit denen Kindern konfrontiert werden oder gegenwärtig auch KI-generierte Inhalte.

SWR1: Um was geht es bei KI-generierten Inhalten?

Rüdiger: Da gibt es zwei Felder. In Österreich gab es vor zwei Jahren einen Fall, da hat sich ein über 50-jähriger Mann mit Deepfake-Technologie als ein 16-jähriges Mädchen ausgegeben und damit über 600 Jungen dazu gebracht, sexualisierte Bilder von sich zu senden. Und dann gibt es noch ein anderes Beispiel aus Spanien. Da haben sich Mitschüler Bilder von ihren Mitschülerinnen aus sozialen Medien und WhatsApp genommen und daraus täuschend echt aussehende KI-generierte Nacktbilder produziert, die sie dann in den Klassen-Chats geteilt haben. Was übrigens in Deutschland — je nach Alter der betroffenen Kinder — sogenannte "kinder oder jugendpornografische Inhalte" sind.

SWR1: Und das wäre wiederum strafbar?

Rüdiger: Absolut. Klassen-Chats sind ein ganz heißes Thema, weil kinderpornografische Inhalte dort ein sogenannter "Verbrechenstatbestand" sind. Da ist wirklich alles strafbar und die Sicherheitsbehörden haben überhaupt keinen Spielraum. Wenn also jemand in so einem Klassen-Chat ist, irgendeiner postet das dort und man hat die WhatsApp-Einstellung Bilder automatisch in seine Handy-Galerie herunterzuladen, dann besitzen diejenigen selbst kinderpornografische Inhalte, was gegen alle entsprechende Ermittlungsmaßnahmen auslösen kann. Da gibt es ganz viele obskure Fälle, wo auch Leute, die gar nichts gemacht haben — auch Kinder und Jugendliche — auf einmal von strafrechtlichen Ermittlungen wegen Kinderpornografie betroffen sind.

Schülerin mit dem Smartphone im Schulunterricht. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
An vielen Schulen gibt es Aufklärungsveranstaltungen zu den Gefahren im Internet. Doch laut Rüdiger reicht das alleine noch nicht aus.

SWR1: Wer ist bei so etwas mehr in der Verantwortung? Die Eltern oder die Schule?

Rüdiger: Alle, auch die Sicherheitsbehörden, die sie jetzt nicht erwähnt haben. Ein Beispiel: im Straßenverkehr verlassen wir uns auch nicht drauf, ob nur die Schule oder nur die Eltern Verkehrsregeln vermitteln. Wir erwarten, dass die Eltern das zuerst machen und die Schulen greifen das auf. Es bringt aber nichts zum Kind zu sagen "Lauf nur bei Grün über die Ampel", wenn es nicht im Gegenzug eine rote Ampel für Autofahrer gibt. Die Durchsetzung dieser roten Ampel ist Aufgabe der Sicherheitsbehörden. Im Netz funktioniert das alles nicht.

Der beste Schutz sind gegenwärtig immer noch die Eltern, dass sie sich damit auseinandersetzen. Aber als Gesellschaft müssen wir eine Antwort liefern für die Kinder, deren Eltern das nicht vermitteln wollen oder nicht vermitteln können. Und diese Antworten haben wir gegenwärtig noch nicht.

SWR1: An vielen Schulen gibt es Aufklärungsveranstaltungen zu den Gefahren im Internet. Ist das ein Weg und reicht das aus?

Rüdiger: Jede Maßnahme hat erstmal einen Mehrwert. Aber was es wirklich dringend braucht, ist das Strukturierte mit Leuten, die wirklich eine Ahnung haben. Wir brauchen so was wie Medienpädagogen und Medienpädagoginnen, die im Strafrecht geschult sind und jede Woche vier bis fünf Stunden Inhalte zur digitalen Kompetenz vermittelt. Andere Länder können es auch. In Österreich gibt es ein digitales Bildungsfach als verpflichtendes Fach in den Schulen. Wieso gibt es das in Deutschland nicht?

SWR1: Was sind die wichtigsten Tipps für Eltern?

Rüdiger: Ich habe immer vier Tipps, die ich an die Eltern weitergebe.
1. Werde selbst Experte. Wenn dein Kind kommt und möchte ein Online-Spiel spielen, dann installiert dir dieses Online-Spiel und spiele es zwei Wochen lang, jeden Tag eine halbe Stunde. Dann kannst du mit dem Kind über die Risiken reden.
2. Werde Ansprechpartner. Wenn du in diesem Raum unterwegs bist, kannst du auch authentisch über die Risiken reden und deinem Kind vermitteln.
3. Werde Vertrauensperson. Wenn man seinem Kind ein Smartphone in die Hand drückt, sollte man das nicht zu früh machen. Aber wenn man es macht, muss man seinem Kinder vermitteln: egal was passiert, ich nehme das Smartphone nicht wieder weg. Ansonsten haben die Kinder vielleicht Angst zu den Eltern zu kommen, wenn irgendetwas passiert ist.
4. Werde Vorbild. Wenn du bei WhatsApp im Profilbild deine Kinder postest oder im Status oder bei Instagram, dann kannst du deinen Kindern nicht sehr authentisch vermitteln, dass sie keine Bilder von sich an irgendwelchen Fremden senden sollten, die sie im Netz kennengelernt haben.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

Mehr Informationen über "Cybergrooming" finden Sie bei einem Podcast von Thomas-Gabriel Rüdiger.

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