Welt-Lepratag am 26.01

Lepra gerade in Armutsgebieten noch immer existent

Stand
Interview mit
Dr. Christa Kasang, Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V.
Das Interview führte
Stefan Troendle
Onlinefassung
Leila Boucheligua

2023 wurden weltweit noch 182.000 Menschen mit Lepra diagnostiziert. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein, sagt Dr. Christa Kasang der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. Im Gespräch mit dem SWR erklärt sie, wie weit die Impfstoff-Entwicklung ist und welche Auswirkungen die aktuelle politische Lage auf ihre Hilfsarbeit hat.

Lepra ist eine der ältesten bekannten Krankheiten. Sie wird durch Bakterien verursacht, hat eine sehr lange Inkubationszeit – und ist heilbar. Trotzdem ist Lepra gerade in Armutsgebieten noch immer verbreitet. Darauf aufmerksam machen soll der Welt-Lepratag am 26. Januar.

Wie die aktuelle Lage im Kampf gegen Lepra ist, erklärt Dr. Christa Kasang von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. im Gespräch mit Stefan Troendle vom SWR.

Gerade in Afrika hohe Dunkelziffer von Lepra-Fällen geschätzt

SWR: Zu Anfang ein kurzer Überblick: Wie viele Lepra-Erkrankte gibt es weltweit?

Dr. Kasang: Im Jahr 2023 sind noch 182.000 Menschen mit Lepra diagnostiziert worden. Wir denken aber, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist, weit über 200.000 pro Jahr. Davon sind über 10.000 Kinder.

SWR: Weil die Inkubationszeit so lange ist?

Dr: Kasang: Die Dunkelziffer ist deshalb höher, weil die Betroffenen oft keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, also weit ablegen leben in Bergen oder Regionen, wo wenig gesundheitliche Versorgung vorhanden ist.

SWR: Welche Gebiete, welche Länder, sind denn besonders betroffen?

Dr. Kasang: Lepra ist hauptsächlich verbreitet in Indien, Brasilien und Indonesien. Aber gerade auf dem afrikanischen Kontinent entdecken wir immer wieder neue Lepra-Fälle, wenn wir aktiv nach Lepra suchen. Wir vermuten, dass es gerade auf dem afrikanischen Kontinent sehr viele Dunkelziffer-Fälle gibt. Dem versuchen wir entgegenzuwirken, indem wir besonders dort hinfahren und nach Lepra-Fällen suchen, wo die Straßen enden, also in Bereichen, wo sonst kaum Gesundheitspersonal hinkommt.

SWR: Man könnte denken, die Heilung muss ja ganz einfach sein, oder? Es ist ja eine bakterielle Erkrankung.

Dr. Kasang: Die Therapie ist eine halbjährige, manchmal einjährige Antibiotika-Therapie. Ganz einfach ist es nicht. Die Patienten müssen dranbleiben. Aber Lepra ist komplett heilbar mit drei Antibiotika. Und wir wissen das auch schon seit 1982, das heißt unsere Therapie ist standardisiert und effektiv. Wenn wir die Fälle finden, können wir sie gut behandeln.

Lepra oft noch mit Stigmatisierung verbunden

SWR: Lepra ist ja auch dafür bekannt, dass Erkrankte Hautverformungen haben. Im Gesicht, an den Händen oder an den Gliedmaßen. Bilden die sich bei einer Heilung wieder zurück?

Dr. Kasang: Man muss sich klarmachen, dass Lepra die Nerven betrifft und diese schwer beschädigt. Und es entstehen große Flecken und Läsionen auf der Haut. Die Hautflecken gehen tatsächlich wieder zurück, die Haut heilt also. Die Nervenschäden gehen in der Regel nicht zurück. Wir versuchen durch Rehabilitation den Patienten wieder eine neue Funktionsfähigkeit zu ermöglichen, aber oft bleiben die Schäden.

Grafik von Bakterien mycobacterium leprae, tags: lepra Kasang Armutsgebieten
Lepra ist eine bakterielle Erkrankung, die vom Erreger mycobacterium leprae verursacht wird. Betroffen sind die besonders die Nerven und die Haut.

SWR: Wie leben die Erkrankten denn heute? Früher galten sie als Aussätzige und wurden aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Ist das immer noch so?

Dr. Kasang: Nein, natürlich nicht. Dadurch, dass wir die Antibiotika haben, müssen wir die Patienten nicht mehr isolieren. Wir können sogar sagen, dass sie nach der allerersten Gabe des stärksten Antibiotikums nicht mehr ansteckend sind. Das heißt, die Patienten leben ganz normal in ihren Communities.

Eine Schwierigkeit ist natürlich die Stigmatisierung. Die Krankheit ist ja eine sehr alte und bekannte Krankheit, sie hat ein sehr hohes Stigmatisierungspotenzial. Die Ausgrenzung aus der Gemeinschaft passiert also eher aus kulturellen Gründen als aus medizinischen Gründen.

SWR: Letzteres meinte ich auch. Also, was macht eine Gesellschaft, wenn jemand an Lepra erkrankt ist? Die Person wird dann tatsächlich immer noch ausgeschlossen?

Dr. Kasang: Es gibt leider in einigen Regionen noch immer eine so starke Stigmatisierung, dass erkrankte jungen Frauen nicht mehr heiraten können oder verheiratete Frauen wieder geschieden werden. Und es gibt Ausgrenzung von gesellschaftlichen Aktivitäten. Interessanterweise beobachten wir das in Afrika aber nicht so stark. Da versucht die Gemeinschaft doch, die Lepra-Patienten mitzunehmen und sie zu unterstützen.

Aufklärung zur Heilung von Lepra und Integration der Erkrankten

SWR: Aufklärung ist ja sicherlich sehr wichtig? Gibt es denn ein Verständnis davon, dass Lepra heilbar ist?

Dr. Kasang: Große Aufklärungskampagnen gehören tatsächlich zu unseren Kernaufgaben in den betroffenen Gebieten. Besonders bevor wie die aktive Fallsuche machen, um die ganzen Gemeinden mitzunehmen und positiv zu stimmen, wenn wir dann Fälle finden. Heilung und Integration der Betroffenen ist das Ziel der Aufklärung.

SWR: Sie arbeiten seit Jahren mit an der Entwicklung eines Impfstoffs. Warum gibt es den noch nicht, welche Probleme gibt es dabei?

Dr. Kasang: Jeder Erkrankte hat natürlich eine Krankengeschichte, gerade die starken Behinderung infolge einer Lepra-Erkrankung. Das ist ein guter Grund für die Impfstoff-Entwicklung. Es gibt tatsächlich schon einen, der verwendet wird. Der Tuberkulose-Impfstoff BCG, der aber nur eine sehr geringe Schutzwirkung hat.

Wir entwickeln momentan einen neuen Impfstoff, der "LepVax" heißen wird und gerade in Brasilien getestet wird. Das Ziel ist, um neu gefundene Fälle eine Immunität aufzubauen. Also eine Kreis-Immunität zu bilden, um gerade in den endemischen Gebieten die Zahl der Neuerkrankungen unten zu halten.

Eine Schwierigkeit ist, dass Lepra eine mit Armut zusammenhängende Erkrankung ist, die Kosten müssen also entweder von Ministerien oder gemeinnützigen Organisationen übernommen werden. Die betroffenen Menschen selbst können sich das nicht leisten.

Imfpfstoff BCG gegen Tuberkulose, tags: lepra Kasang Armutsgebieten
Da der Erreger für Lepra aus derselben Familie wie der Erreger für Tuberkulose stammt, wirkt der Tuberkulose-Impfstiff BCG in geringem Maße auch gegen Lepra.

Austritt der USA aus der WHO hätte direkte Auswirkungen auf Hilfsarbeit

SWR: Sie haben den Tuberkulose-Impfstoff angesprochen und sind ja auch von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen diesen Erkrankungen?

Dr. Kasang: Ihre Erreger kommen aus derselben Bakterienfamilie, den Mycobakterien. So sind die Kreuzwirkungen von Impfstoffen wie des BCG-Impfstoffs möglich. Lepra ist aber klinisch völlig anders, sie betrifft nicht wie die Tuberkulose die Lunge, sondern die Haut und die Nerven. Beides kann durch Tröpfcheninfektion übertragen werden, aber Tuberkulose ist viel ansteckender als Lepra.

SWR: Der neue US-Präsident Trump will ja aus der WHO austreten. Hätte das denn auch Auswirkungen auf Ihre Arbeit?

Dr. Kasang: Das hätte gravierende Auswirkungen. Die USA sind einer der großen Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation. Viele unserer Aktivitäten finden Hand in Hand mit ihr statt. Gerade die aktive Fallsuche in den betroffenen Ländern und auch die Aufklärungsarbeit. Wir haben ein Department für Skin NTDs in Genf und eines speziell für Lepra bei der WHO. Beide würden wahrscheinlich geschlossen werden oder hätten sehr viel weniger Mittel. Das hätte also unmittelbare Auswirkungen auf unsere Arbeit.

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Interview mit
Dr. Christa Kasang, Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V.
Das Interview führte
Stefan Troendle
Onlinefassung
Leila Boucheligua