Tierknochen, tags: Kelten, Grabbeilage (Foto: IMAGO, Pond5)

Archäologie

Tierknochen als Grabbeilage bei Kelten entdeckt

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AUTOR/IN
Justin Schmidt, Leila Boucheligua

Forschende haben in Norditalien ein Gräberfeld der Kelten von vor ca. 2.000 Jahren entdeckt, in dem sich neben menschlichen Skeletten auch die von Tieren befinden. Welche Gründe hatte die Beigabe von Tierknochen in Gräbern?

Da liegt buchstäblich der Hund begraben: Forscher und Forscherinnen haben im norditalienischen Seminario Vescovile, ganz in der Nähe von Verona, Gräber entdeckt, in denen sich sowohl menschliche Skelette als auch unter anderem die Überreste von Hunden oder Pferden befinden. Der Fund stammt aus der späten Eisenzeit vor circa 2.000 Jahren und enthüllt die Überreste von 161 Angehörigen eines Kelten-Stammes und 16 Tieren.  

So konnten die Forschenden um Zita Laffranchi von der Universität Bern in dem entdeckten Gräberfeld neben menschlichen Überresten auch Skelette von Rindern, Hühnern und Schweinen, aber auch vereinzelt von Pferden und Hunden finden. 

Der den Gräbern zugehörige Stamm, vermutlich der Cenomanen, lebte zwischen dem dritten und ersten Jahrhundert v. Chr. in der Alpengegend. Er war Teil der späten Latène-Kultur, also ein Ausläufer der keltischen Kultur.  

Von Schmuck und Waffen zu tierischen Begleitern als Grabbeilage der Kelten

In den verschiedenen keltischen Kulturen war es üblich, den Toten bei der Bestattung verschiedene Grabbeigaben mitzugeben. Diese könnten unterschiedlicher nicht sein. In den Gräbern von Frauen oder besonders reichen Menschen findet sich oftmals Schmuck, während Männer häufig mit Waffen, wie Schwertern und Helmen bestattet wurden. 

Neben Werkzeugen und Schmuck werden in keltischen Grabstätten auch immer wieder Teile von Tieren ausgegraben. In der Studie entdeckte das Schweizer Forschungsteam sowohl Gräber mit Tierteilen als auch solche mit ganzen Tieren. Besonders interessant dabei ist, dass es sich bei den Tieren teils um Pferde und Hunde handelt. Also solche Tiere, die typischerweise nicht gegessen wurden, so die Schweizer Forschenden.  

Thomas Hoppe, Referatsleiter für vorrömische Metallzeiten am Landesmuseum Württemberg, stellt allerdings infrage, ob Hunde wirklich nicht gegessen wurden. Er meint, sie standen gelegentlich auf dem Speiseplan mancher keltischer Stämme – allerdings nicht so regelmäßig wie Rinder, Hühner, Schweine, Ziegen und Schafe, oder auch einige Wildtiere. 

Pferde hatten in der keltischen Kultur Symbolgehalt 

Das Pferd hatte in den meisten keltischen Kulturen einen hohen Stellenwert und großen Symbolgehalt. Gemeinsam mit dem Wildschwein ist das Pferd das am häufigsten abgebildete Tier auf spät-keltischen Münzen. Auch berittene Krieger stellen den Bezug des Pferdes zur Oberschicht der Kelten dar.

Keltische Münze, auf der ein Reiter abgebildet ist, tags: Kelten, Tierknochen, Grabbeilage (Foto: IMAGO, UIG)
Pferde hatten für die Kelten einen wichtigen Symbolwert.

Thomas Hoppe weiß von spektakulären Funden, bei denen ganze Reitertrupps mit ihren Tieren bestattet wurden. Das hatte dann wohl eine symbolische oder religiöse Bedeutung und ist weniger als Speisebeigabe für die Toten zu verstehen.  Bei Hunden hingegen ist das weniger eindeutig.  

Wieso landeten auch Tierknochen in den Gräbern der Kelten? 

Welchen Zweck die Bestattungen mit den Tieren hatten, können die Forschenden nicht ganz eindeutig sagen. Thomas Hoppe kommentiert die Studie: 

Die Kolleginnen und Kollegen sind da vernünftigerweise sehr zurückhaltend. Sie führen alles das als Interpretationsmöglichkeiten ins Feld, was an Bandbreite möglich ist.

Sowohl ein persönlicher Bezug zwischen den bestatteten Personen und den Tieren, als auch religiöse Vorstellungen im weiteren Sinne könnten mit den geteilten Gräbern zu tun haben, meint Hoppe und teilt damit die Einschätzung der Studienautoren.

Keine Muster in der Bestattung mit Tieren erkennbar

Auf eine Verbindung zum Geschlecht oder sozialen Stand kann in diesem speziellen Fund an der Alpengrenze anders als bei Schmuck oder Waffen nicht geschlossen werden. So fand man zum Beispiel das einzige komplette Hundeskelett im Grab eines Neugeborenen oder mehrere Pferdeknochen und einen Hundeschädel im Grab einer Frau mittleren Alters. Nur in jedem zehnten Grab fanden sich Teile von Tieren, bei knapp zwei Prozent vollständige Tierskelette. 

Der geringe Anteil der Tierskelette im Vergleich zu den menschlichen Überresten lässt keine allgemeingültige Aussage über Bestattungsbräuche der Kelten zu, wobei Thomas Hoppe auch warnt, nicht alle Kelten über einen Kamm zu scheren. Zu groß sei die Varianz zwischen den verschiedenen Kulturen der Kelten-Stämme und auch zwischen verschiedenen Epochen.

Der Glaube an ein bestimmtes Jenseits, die Abläufe besonderer Bestattungsfeierlichkeiten oder schlicht individuelle Gründe können den gefundenen Tierknochen zugrunde liegen. 

Seminario Vescovile in Norditalien, Tags: Kelten, Grabbeilage, Tierknochen (Foto: IMAGO, UIG)
Entdeckt wurden die keltischen Gräber mit Tierknochen in Seminario Vescovile in Norditalien.

Neue Einsichten durch interdisziplinäre Methoden 

Das Schweizer Archäologenteam arbeitete in der Studie mit einem interdisziplinären Ansatz. So wurde der Fund aus anthropologischer und archäozoologischer Perspektive betrachtet, aber auch mögliche verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den bestatteten Personen wurden mittels archäogenetischen Methoden untersucht. Ein solcher Ansatz, der historische Funde aus mehreren Perspektiven begutachtet, sei der ‘Goldstandard’ und nur zu unterstützen, meint Hoppe. 

Zur Datierung der Funde findet oft die Radiokarbonmethode Verwendung. Dabei wird anhand des Zerfalls der Kohlenstoffatome das Alter eines ausgegrabenen Objekts ermittelt. Auch durch die Jahrringe von gefundenen Hölzern können Experten den Entstehungszeitraum erkennen, weiß Thomas Hoppe. Dieses Verfahren nennt man Dendrochronologie. 

Forschungsimpulse zu vorrömischen Kulturen 

In künftigen Forschungsprojekten müssten weitere Tierbestattungen erforscht werden. Denn aus speziellen Einzelfunden allgemeingültige Aussagen über bestimmte eisenzeitliche Stämme treffen zu können, ist derzeit nicht möglich. 

Eine Allgemeingültigkeit – aber das sagen die Kollegen ja selbst – ist von dieser Studie jetzt an diesem Fundort natürlich nicht unbedingt zu erwarten. Aber ein wichtiger Impuls, um da dran weiterzuarbeiten, ist ja der Sinn von solchen Studien, dass sie Impulse geben für die Community, sich mit diesen Fragestellungen doch mal intensiver zu befassen. 

Dennoch ermöglichen solche Einzelfunde interessante Einblicke in das Leben von vor über 2.000 Jahren. Wie sah das Leben dieser Keltenstämme aus, an was glaubten sie und wie entwickelten sich diese Lebensweisen und Gebräuche im Lauf der Zeit? Die Ausgrabungen in Norditalien sind ein weiteres wichtiges Puzzleteil in der Erforschung vorrömischer Kulturen.

Mehr über die Kelten

Wie kämpften die Kelten?

Der keltische Krieger ist ein Individualist, in seiner Kampfkleidung wie in seiner Kampfweise. Stehende Heere wie bei den Römern kennen die Kelten nicht. Anführer scharen ihren Clan um sich, bei größeren Kriegszügen organisieren sich mehrere Clans zu einer Streitmacht. Durch ihre Kühnheit beeindrucken sie die Großmächte der damaligen Zeit.
Aber nicht nur dadurch: Gleichermaßen geschätzt wie gefürchtet waren ihre Schwerter. Eisen war das Hightech-Material der keltische Epoche, die von Wissenschaftlern deshalb auch als „Eisenzeit“ bezeichnet wird. Die Kelten beherrschten die ganze Produktionskette vom Erzabbau bis hin zum kunstvoll verzierten Schwert oder dem damals sehr begehrten Kettenhemd, übrigens eine keltische Erfindung. Die Kelten waren Meister der Eisenbearbeitung. Wie gut sie waren, versuchen Archäotechniker in einem Schmiedeexperiment herauszufinden: Sie wollen wissen, warum die keltischen Schwerter denen ihrer Feinde überlegen waren, auch denen der Römer.

Um sich in kriegerischen Zeiten vor Angriffen zu schützen, befestigten die Kelten ihre Siedlungen häufig. Dabei nutzten die Kelten günstige geographische Bedingungen, wie gut zu verteidigende Berglagen. So aufwändig die Befestigungsanlagen der Kelten, so einfach waren dagegen ihre Häuser. Komfort oder Luxus sind den allermeisten Kelten fremd. Die Grabungsbefunde der keltischen Höhenfestung in Bundenbach (Hunsrück) versucht ein Computerspezialist möglichst realitätsnah in eine 3D-Animation umzusetzen. Der Film verfolgt seine Arbeitsschritte von der Recherche bis zur fertigen 3D-Rekonstruktion, die aus geografischen und archäologischen Daten eine Keltensiedlung wiederauferstehen lässt – zumindest virtuell...

Das Kelten-Experiment SWR Fernsehen

Wie lebten die Kelten?

In der Spätzeit der Kelten entstanden die ersten „Großstädte“ nördlich der Alpen, die sogenannten „oppida“. Das waren wie – zum Beispiel bei Manching oder Heidengraben – gewaltige Siedlungen mit kilometerlangen Wallanlagen für mehrere Tausend Menschen. In diese späte Zeit der Kelten fällt ein weiteres neues Phänomen: die sogenannte. „Viereckschanze“. Wurde sie früher als Kultstätte interpretiert, so ergaben neueste Forschungen, dass es sich um den Mittelpunkt einer kleineren Siedlungsgemeinschaft handelte. Neben den großen oppida gab es also weiterhin die normalen Dorfgemeinschaften.
Die archäologischen Befunde einer Viereckschanze am Ipf bei Bopfingen liefern die Pläne, nach denen eine solche Keltenschanze wieder aufgebaut wird – von einer Kelten-Truppe unter wissenschaftlicher Anleitung. Dabei erfährt man im Film einiges über die Bauweise und das Leben dort: So wurden zum Beispiel angekohlte Stämme verbaut, damit das Holz im feuchten Boden nicht faulte. Die Dächer wurden mit Holzschindeln gedeckt, da diese viel widerstandsfähiger waren, als die bisher vermutete Reetdeckung. Die Frauen bauten innerhalb des vier Meter hohen Walls, der die kleine Siedlung umgab, Kräuter und Getreide zur Selbstversorgung an. Und es gab einen „Kultbaum“ – ist der süddeutsche Maibaum also eine keltische Erfindung? Eine besondere Stellung in der keltischen Gesellschaft kam den Druiden zu: Sie hatten kultische Aufgaben und verfügten auch über medizinisches Wissen. Bis heute ranken sich viele Mythen um die Druiden. Der Film beleuchtet, was man eigentlich über sie weiß und welche Rolle sie im Sozialgefüge der Clans spielten.

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Fakt ab! Eine Woche Wissenschaft Warum Tutenchamun einen Dolch aus dem Weltall hatte

Ihr Lieben,
wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, ob es in solchen Zeiten angebracht ist, eine heitere und lustige Show zu machen, wenn wir gleichzeitig mit unseren Herzen bei den Opfern des Krieges sind. Wir sind der Meinung, Lachen ist entwaffnend und dass es wichtig ist, in einem Strudel aus schlimmen Nachrichten auch für Ablenkung zu sorgen. Wir hoffen, euch und uns hiermit eine schöne halbe Stunde machen zu können.

Dieses Mal sind Sina Kürtz und Aeneas Rooch für euch am Start.

In dieser Folge von Fakt ab!:
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Weiter Infos und Studien gibt’s hier:
https://www.spektrum.de/news/tutanchamun-fuer-den-pharao-ein-dolch-aus-meteoreisen/1991689
https://t3n.de/news/nasa-astronautinnen-individuelle-1456234/
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abj9156

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