Da liegt buchstäblich der Hund begraben: Forscher und Forscherinnen haben im norditalienischen Seminario Vescovile, ganz in der Nähe von Verona, Gräber entdeckt, in denen sich sowohl menschliche Skelette als auch unter anderem die Überreste von Hunden oder Pferden befinden. Der Fund stammt aus der späten Eisenzeit vor circa 2.000 Jahren und enthüllt die Überreste von 161 Angehörigen eines Kelten-Stammes und 16 Tieren.
So konnten die Forschenden um Zita Laffranchi von der Universität Bern in dem entdeckten Gräberfeld neben menschlichen Überresten auch Skelette von Rindern, Hühnern und Schweinen, aber auch vereinzelt von Pferden und Hunden finden.
Der den Gräbern zugehörige Stamm, vermutlich der Cenomanen, lebte zwischen dem dritten und ersten Jahrhundert v. Chr. in der Alpengegend. Er war Teil der späten Latène-Kultur, also ein Ausläufer der keltischen Kultur.
Von Schmuck und Waffen zu tierischen Begleitern als Grabbeilage der Kelten
In den verschiedenen keltischen Kulturen war es üblich, den Toten bei der Bestattung verschiedene Grabbeigaben mitzugeben. Diese könnten unterschiedlicher nicht sein. In den Gräbern von Frauen oder besonders reichen Menschen findet sich oftmals Schmuck, während Männer häufig mit Waffen, wie Schwertern und Helmen bestattet wurden.
Neben Werkzeugen und Schmuck werden in keltischen Grabstätten auch immer wieder Teile von Tieren ausgegraben. In der Studie entdeckte das Schweizer Forschungsteam sowohl Gräber mit Tierteilen als auch solche mit ganzen Tieren. Besonders interessant dabei ist, dass es sich bei den Tieren teils um Pferde und Hunde handelt. Also solche Tiere, die typischerweise nicht gegessen wurden, so die Schweizer Forschenden.
Thomas Hoppe, Referatsleiter für vorrömische Metallzeiten am Landesmuseum Württemberg, stellt allerdings infrage, ob Hunde wirklich nicht gegessen wurden. Er meint, sie standen gelegentlich auf dem Speiseplan mancher keltischer Stämme – allerdings nicht so regelmäßig wie Rinder, Hühner, Schweine, Ziegen und Schafe, oder auch einige Wildtiere.
Pferde hatten in der keltischen Kultur Symbolgehalt
Das Pferd hatte in den meisten keltischen Kulturen einen hohen Stellenwert und großen Symbolgehalt. Gemeinsam mit dem Wildschwein ist das Pferd das am häufigsten abgebildete Tier auf spät-keltischen Münzen. Auch berittene Krieger stellen den Bezug des Pferdes zur Oberschicht der Kelten dar.
Thomas Hoppe weiß von spektakulären Funden, bei denen ganze Reitertrupps mit ihren Tieren bestattet wurden. Das hatte dann wohl eine symbolische oder religiöse Bedeutung und ist weniger als Speisebeigabe für die Toten zu verstehen. Bei Hunden hingegen ist das weniger eindeutig.
Wieso landeten auch Tierknochen in den Gräbern der Kelten?
Welchen Zweck die Bestattungen mit den Tieren hatten, können die Forschenden nicht ganz eindeutig sagen. Thomas Hoppe kommentiert die Studie:
Sowohl ein persönlicher Bezug zwischen den bestatteten Personen und den Tieren, als auch religiöse Vorstellungen im weiteren Sinne könnten mit den geteilten Gräbern zu tun haben, meint Hoppe und teilt damit die Einschätzung der Studienautoren.
Keine Muster in der Bestattung mit Tieren erkennbar
Auf eine Verbindung zum Geschlecht oder sozialen Stand kann in diesem speziellen Fund an der Alpengrenze anders als bei Schmuck oder Waffen nicht geschlossen werden. So fand man zum Beispiel das einzige komplette Hundeskelett im Grab eines Neugeborenen oder mehrere Pferdeknochen und einen Hundeschädel im Grab einer Frau mittleren Alters. Nur in jedem zehnten Grab fanden sich Teile von Tieren, bei knapp zwei Prozent vollständige Tierskelette.
Der geringe Anteil der Tierskelette im Vergleich zu den menschlichen Überresten lässt keine allgemeingültige Aussage über Bestattungsbräuche der Kelten zu, wobei Thomas Hoppe auch warnt, nicht alle Kelten über einen Kamm zu scheren. Zu groß sei die Varianz zwischen den verschiedenen Kulturen der Kelten-Stämme und auch zwischen verschiedenen Epochen.
Der Glaube an ein bestimmtes Jenseits, die Abläufe besonderer Bestattungsfeierlichkeiten oder schlicht individuelle Gründe können den gefundenen Tierknochen zugrunde liegen.
Neue Einsichten durch interdisziplinäre Methoden
Das Schweizer Archäologenteam arbeitete in der Studie mit einem interdisziplinären Ansatz. So wurde der Fund aus anthropologischer und archäozoologischer Perspektive betrachtet, aber auch mögliche verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den bestatteten Personen wurden mittels archäogenetischen Methoden untersucht. Ein solcher Ansatz, der historische Funde aus mehreren Perspektiven begutachtet, sei der ‘Goldstandard’ und nur zu unterstützen, meint Hoppe.
Zur Datierung der Funde findet oft die Radiokarbonmethode Verwendung. Dabei wird anhand des Zerfalls der Kohlenstoffatome das Alter eines ausgegrabenen Objekts ermittelt. Auch durch die Jahrringe von gefundenen Hölzern können Experten den Entstehungszeitraum erkennen, weiß Thomas Hoppe. Dieses Verfahren nennt man Dendrochronologie.
Forschungsimpulse zu vorrömischen Kulturen
In künftigen Forschungsprojekten müssten weitere Tierbestattungen erforscht werden. Denn aus speziellen Einzelfunden allgemeingültige Aussagen über bestimmte eisenzeitliche Stämme treffen zu können, ist derzeit nicht möglich.
Dennoch ermöglichen solche Einzelfunde interessante Einblicke in das Leben von vor über 2.000 Jahren. Wie sah das Leben dieser Keltenstämme aus, an was glaubten sie und wie entwickelten sich diese Lebensweisen und Gebräuche im Lauf der Zeit? Die Ausgrabungen in Norditalien sind ein weiteres wichtiges Puzzleteil in der Erforschung vorrömischer Kulturen.