Historische Abbildung eines beritteten Bogenschützens der Skythen, der zum Schießen ansetzt. Der Köcher des Krieger-Reiters war möglicher auch mit Leder aus Menschenhaut bezogen. (Foto: IMAGO, UIG)

Schauergeschichten aus der Archäologie

Das Reitervolk der Skythen machte Leder aus Menschenhaut

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AUTOR/IN
Kristina Koch

Über Jahrhunderte beherrschte das indogermanischen Reitervolk der Skythen die eurasische Steppe. Ihnen eilt ein grausamer Ruf voraus: Die Skythen verarbeiteten die Haut ihrer Feinde zu Leder und bezogen damit ihre Pfeilköcher. Archäologen konnten diesen Ruf jetzt bestätigen.

Griechische Geschichtsschreiber um 500 vor Christus beschreiben die Skythen als kriegerische Reiternomaden, die das Steppengebiet vom Schwarzen Meer bis zur Mongolei dominierten. Die Kampftechnik der Skythen war legendär. Sie galten als unbesiegbar und grausam.

Diese Grausamkeit der skythischen Krieger konnten Archäologen nun bestätigen: Bei der Analyse von Pfeilköchern, die als Grabbeigabe in verschiedenen Grabhügeln gefunden wurden, konnte auch menschliche Haut als Lederüberzug festgestellt werden.

Die Skythen – Grausame Reiterkrieger der eurasischen Steppe

Von etwa dem 8. bis 3. Jahrhundert vor Christus beherrschten die Skythen die eurasische Steppe. Zu Pferd dominierten die kriegerischen Nomaden die Steppengebiete zwischen dem Süden Sibiriens und dem Norden der Mongolei.

Das Reitervolk lebte im Wesentlichen von der Viehhaltung und von Kriegen. Sie waren gefürchtete Krieger und waren in zahlreichen Kriegen mit den Griechen, Persern und anderen Völkern verwickelt. Plünderungen und Raubzüge erlaubten den Skythen auch vom Handel zu leben.

Mongolischer Reiter treibt Pferde durch den Buir See, Provinz Dornod, Mongolei, Asien (Foto: IMAGO, imagebroker)
Nomadische Völker, deren Leben fest mit Pferden verknüpft ist, gibt es bis heute, wie in der Mongolei. Die Skythen lebten in Clans in beweglichen Wagen, die von Ochsen gezogen wurden.

Vieles, was wir heute über die Skythen wissen, stammt aus Überlieferungen von griechischen Geschichtsschreibern wie Herodot, einer der wichtigsten Historiografen der Antike.

Skythen sollen das Blut ihrer Feinde getrunken haben

Herodot, der Vater der Geschichtsschreibung, widmete den Skythen ein ganzes Buch in seinem Werk „Historien“. Was er über das nomadische Reitervolk schrieb, klingt aus heutiger Sicht wie Schauermärchen: Den gefürchteten skythischen Reitern der eurasischen Steppe konnte niemand entkommen.

Hoch zu Ross im schnellen Galopp mit Lanzen und gespannten Bögen sollen die legendären Krieger ihre Gegner niedergemacht haben. Wer übrig blieb, soll mit der Streitaxt oder Kurzschwert gemetzelt worden sein. Manche der kriegerischen Nomaden sollen sogar ihre Feinde gehäutet und ihr Blut getrunken haben. Die sogenannten Skalpe - das sind Kopfhaut und Haar - sammelten sie demnach als Trophäen.

Die Berichte des griechischen Geschichtsschreibers Herodot gelten als wertvolle Quelle für unser Verständnis der Skythen. Jedoch lässt sich nicht zuverlässig sagen, wie viel Mythos und Legende in seinen Erzählungen steckt. Aus Sicht der kultivierten Griechen waren die Skythen primitive, wilde Barbaren.

Viele Skythen entfernen ihren toten Feinden die Haut ihrer rechten Hand, mitsamt Nägeln und allem, und machen daraus Hüllen für ihre Köcher.

Forschende bestätigen den grausamen Ruf der Skythen

Die neuesten Erkenntnisse aus archäologischen Analysen belegen einen Wahrheitsgehalt von Herodots „Historien“. Ein internationales Archäologen-Team unter der Leitung von Luise Ørsted Brandt von der Universität Kopenhagen untersuchte mehrere Lederproben von Pfeilköchern aus 18 Skythengräbern von 14 verschiedenen skythischen Fundorten in der Südukraine. Das schaurige Ergebnis: Die Köcher wurden auch mit menschlicher Haut überzogen.

Skythen stellten vielseitiges Leder her

Von den 45 Lederproben deuten zwei Lederfetzen auf menschlichen Ursprung hin, berichten die Archäologen in ihrer Publikation in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Die restlichen Lederproben stammen von Schafen und Ziegen.

Aufgrund dieses Verhältnisses gehen die Archäologen davon aus, dass die Verarbeitung von Menschenhaut nicht die gängige Praxis war. Die untersuchten Köcher stammen aus Gräbern von Skythenfürsten und Elitekämpfern. Ob die mit Menschenhaut bezogenen Köcherhüllen als Trophäe dienten oder spirituelle Gründe hatten, bleibt unklar.

Skythischer Goldbrustknochen aus einem Grabhügel in Tovsta Mohyla, Ukraine (Foto: Polidovich)
In Gräbern der skythischen Elite finden sich spektakuläre Goldobjekte, die viel über den Reichtum und die materielle Kultur des nomadischen Reitervolks verraten. Pfeilköcher wurden oft in Kunstgegenständen dargestellt wie auf dieser fein gearbeiteten Goldkette.

Antike Darstellungen von skythischen Bogenschützen werden ausnahmslos mit einem Köcher abgebildet und bei fast jedem skythischen Grab liegt ein Köcherset bei, obwohl in der Regel nur die metallenen Pfeilspitzen erhalten sind. Die erhaltenen Lederprobem aus den Grabhügeln der Südukraine sind für das Archäologen-Team um Luise Ørsted Brandt ein Glücksfund.

Bestattung der Skythen in Grabhügeln

Dank den Überlieferungen von Geschichtsschreibern wie Herodot wissen wir viel über die Antike und andere Epochen vor unserer Zeit. Wie viel Wahrheitsgehalt in den Schriften steckt, lässt sich nicht immer überprüfen. Für die Archäologie sind Grabhügel wertvolle Funde. Durch ihre Beschaffenheit sind Gräber manchmal gut erhalten und Grabbeigaben verraten viel über die jeweilige Zeit.

König Asgers Grabhügel auf der dänischen Ostseeinsel Mön (Foto: IMAGO, Peter Widmann)
Über viele Epochen hinweg, ab der Steinzeit bis ins Mittelalter, bestatteten die verschiedensten Kulturen ihre Toten in Hügelgräbern. In Osteuropa nennt man die Grabhügel Kurgane.

In Herodots Werk „Historien“ berichtet er auch über die Bestattungsrituale der Skythen. Mächtige Skythen wurden von ihren Anhängern in gewaltigen Hügelgräbern bestattet, sogenannte Kurganen. Je höher der Grabhügel und je wertvoller die Grabbeigaben, desto mächtiger der Bestattete.

Nach dem Tod eines Skythen-Königs wurde er mit aufwändigen Ritualen konserviert und unter einem massiven Kurgan begraben. Als Symbol von Macht und Reichtum wurde das Königsgrab mit wertvollen Schätzen bestückt.

Daneben erwähnt Herodot weitere Grabbeigaben: „Man tötet eines seiner Weiber, seinen Mundschenk, seinen Koch, Pferdeknecht, Leibdiener, Boten, ferner seine Pferde, die Erstlinge alles anderen Viehs und begräbt sie in dem weiten Raum der Grube, der noch leer ist; ebenso auch goldene Schalen. Darauf türmen sie einen großen Grabhügel auf und suchen ihn so gewaltig wie möglich zu machen.“

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Kristina Koch