Frau spricht in ihr Handy um eine Sprachnachricht zu machen. Socia Media  Soziale Medien können Gesundheit von Jugendlichen negativ beeinflussen (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Lino Mirgeler/dpa | Lino Mirgeler)

Social Media

So wirken soziale Medien auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Elisabeth Theodoropoulos

Die exzessive Nutzung sozialer Medien kann auch negative Folgen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen haben. Forschende warnen jedoch auch vor einer pauschalen Verdammung von Socia Media.

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Junge Menschen sind durchschnittlich 224 Minuten am Tag online

Jugendliche und junge Erwachsene bewegen sich auf Instagram, Tiktok und Co laut JIM-Studie 2023 durchschnittlich 224 Minuten täglich online. Ein Leben ohne Smartphone und Social Media ist für viele kaum noch vorstellbar. Doch Ärzte und Eltern stellen immer wieder negative Folgen wie Depression oder Sucht in den Vordergrund. Das Wissen darüber ist allerdings gering.

Bei einem Briefing des Science Media Center warnten Forschende, die Nutzung der sozialen Medien pauschal zu verdammen. Und man könne auch nicht sagen, je länger sie genutzt werden, desto schädlicher sind sie.

Soziale Medien haben sowohl positive als auch negative Seiten

Soziale Medien haben durchaus auch positive Aspekte - sie können unterhalten, durch Challenges zu Sport oder politischem Engagement motivieren und ein Gemeinschaftsgefühl schaffen. Sie können aber auch die Angst auslösen etwas zu verpassen, zu Cybermobbing führen und die Flucht aus dem Alltag unterstützen. So die Expertinnen und Experten.

Mehrere Teenager sitzen im Wohnzimmer und schauen auf ihre Smartphones. Soziale Medien können ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, aber auch die Flucht aus dem Alltag unterstützen. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa-tmn | Zacharie Scheurer)
Soziale Medien können ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, aber auch die Flucht aus dem Alltag unterstützen oder sogar die Gesundheit gefährden.

Nutzer*innen werden immer jünger

Ein Trend, der beunruhigt, findet Isabel Brandhorst, die in Tübingen eine Forschungsgruppe zu internetbezogenen Störungen und Computerspielsucht leitet.

TikTok ist ja auch ein Netzwerk, das Kinder anspricht, die noch nicht lesen und schreiben können, weil es ja wirklich nur um Anschauen von Videos geht.

Bisher wenige Studien dazu

Was aber im Hirn von Kindern und Jugendlichen vorgeht, wenn sie Social Media über längere Zeit und exzessiv nutzen, dazu gibt es bisher kaum Studien, bemängelt Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm.

Obwohl die sozialen Medien seit 20 Jahren existieren, gebe es nur wenig Studien. Die Evidenz im neurowissenschaftlichen Bereich sei daher "sehr sehr dünn, so dass man sagen muss: Wir wissen verdammt wenig."

Häufig exzessive Nutzungsphase bei Jugendlichen

Eine exzessive und oft schon suchtartige Nutzung der sozialen Medien kommt bei Kindern und Jugendlichen häufiger vor als bei Erwachsenen. Das liegt auch daran, dass viele noch keine ausreichende Selbstregulation hätten - sprich einfach nicht merken würden, wann es genug ist.

Teenager schaut im Bett gelangweilt auf sein Smartphone. Jugendliche haben meist noch keine ausreichende Selbstregulation und nutzen Social Media daher exzessiver. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Caro | Sorge)
Jugendliche haben meist noch keine ausreichende Selbstregulation und nutzen Social Media daher exzessiver.

Doch diese exzessive Nutzung von Social Media sei meist nur eine zeitlich begrenzte Phase, beruhigt die Tübinger Psychotherapeutin Isabel Brandhorst.

Diese Phasen muss man den Jugendlichen auch zugestehen. Jugendliche haben exzessive Phasen und die haben sie nach einem Jahr oft nicht mehr.

Social Media kann Symptome psychischer Erkrankungen verstärken

Eltern sollten aber wachsam bleiben, versuchen mit den Jugendlichen in Kontakt zu treten und ihre Sorgen bei überbordender Nutzung auch ansprechen. Viele befürchten, dass die extensive Nutzung von Social Media zu Depressionen führen könnte. Doch auch das konnte bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.

Es kommt darauf an, wie jemand soziale Netzwerke nutzt und was in seinem Kopf passiert. Man weiß zum Beispiel, dass wenn der Selbstwert eher gering ausgeprägt ist und die Neigung zu sozialen Vergleichen besteht, dass dann die Nutzung schädlich sein kann. Dass dann depressive Symptome verstärkt werden können.

Jugendliche sind in der Pubertät in einer ziemlich labilen und empfindlichen Phase. Da kann Social Media-Nutzung anfängliche Symptome psychischer Erkrankungen durchaus befeuern.

Social Media kann besonders bei jungen Menschen anfängliche Symptome psychischer Erkrankungen verstärken. | Eine Frau sitzt nachts alleine auf der Coach und schaut in ein Smartphone. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / photothek | photothek/ Thomas Trutschel)
Social Media kann besonders bei jungen Menschen anfängliche Symptome psychischer Erkrankungen verstärken.

Wichtig ist den Forschenden, dass soziale Mediennutzung auch je nach Alter ganz unterschiedlich betrachtet werden sollte. Der Ulmer Molekularpsychologe Christian Montag bestätigt:

Es ist ja was völlig anderes über eine Oberstufe zu reden oder über eine Grundschule. Wenn wir uns jetzt mit Sechs- bis Zehnjährigen beschäftigen, die in der Grundschule sind, haben die natürlich noch mal ein ganz anderes Grundbedürfnis nach körperlichem Ausleben, Toben, Raufen, um die Grobmotorik zu schulen und eben auch die sozialen Kompetenzen durch das kindliche Spiel zu erlernen.

Eltern können als Vorbilder bei der Nutzung des Smartphones agieren

Die Expertinnen und Experten raten Eltern von Grundschulkindern und jungen Kindern in der weiterführenden Schule sehr genau darauf zu achten, was der Nachwuchs in den sozialen Medien sieht und wie er dort unterwegs ist. Bisher seien viele da zu blauäugig und würden sich nicht genügend mit den Inhalten auseinandersetzen. Ebenso wichtig sei es, dass Eltern selbst als Vorbilder bei der Nutzung des Smartphones und den sozialen Medien agierten.

Mädchen sitzt unter Bettdecke und schaut auf ein Handy. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Zoonar | Ilja Enger-Tsizikov)
Gerade bei Grundschulkindern sollten Eltern darauf achten, was diese in den Sozialen Medien zu sehen bekommen.

Auf der anderen Seite sei es dringend nötig, mehr Forschung zu betreiben und vor allem auch von den Plattformen der sozialen Medien mehr und bessere Daten zu bekommen. So klagt der Ulmer Psychologe Montag.

In vielerlei Hinsicht, das muss man leider so sagen, ist Social Media für uns eine Blackbox.

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