Kommentar zur Bildungspolitik

Schulen in Corona-Zeiten: Wir brauchen mehr als Lüften!

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Vincent Kolominsky-Rabas

Hunderttausende Schüler und Lehrkräfte sind in Quarantäne. Doch der Unterricht soll unbedingt weitergehen. Höchste Zeit, den Schulen zu helfen - mit mehr als nur Lüftungskonzepten.

Schon wieder werden die Schulen auf die hinteren Ränge verwiesen. Sie sollen zwar offen bleiben - aber weitestgehend ohne Unterstützung und ehrliche Schutzmaßnahmen.

Anleitung zum Lüften ist keine Lösung

Es muss der Lehrerschaft wie Hohn vorgekommen sein, dass das Bundesumweltamt eine Anleitung zum richtigen Lüften an die Schulen versandt hat. Als ob sie das nicht beherrschen würden. Und leider gab es auch keinen Hinweis darauf, was zu tun ist, wenn keine Lüftungsmöglichkeit im Klassenzimmer bestehen. Auch was sie mit den dann dauererkälteten Schüler*innen anfangen sollen und wie sie die Schulräume im Winter nach dem vorgeschlagenen Durchzug alle 20 Minuten wieder warm kriegen, bleibt offen.

Schulweg in oft überfüllten Verkehrsmitteln (Foto: IMAGO, imago images/photothek)
Abstandsregeln und Hygienekonzepte sind wichtig. Doch allein der Schulweg in oft überfüllten Verkehrsmitteln bietet bereits ein gewisses Ansteckungsrisiko.

Kein Geld für angemessene Ausstattung

Wo sind die hochwertigen Luftreiniger, die in Klassenzimmern 90% der Aerosole aus der Luft ziehen können? Wo die CO2-Ampeln, die wenigstens messen, wenn die Luft zu verbraucht ist? Manche Bundesländer haben dafür halbherzig Gelder zur Verfügung gestellt – so auch Rheinland-Pfalz - eben nur für besondere Einzelfälle. Andere halten sich ganz raus. Baden Württembergs Kultusministerin Eisenmann verweist auf die Kommunen als Schulträger, die könnten sich bei Bedarf darum kümmern.

Mädchen mit Stoffmaske sitzt über ihren Hausaufgaben (Foto: IMAGO, Imago Images / Fotoarena)
Die Maskenpflicht in den Schulen reicht nicht aus, um eine Übertragung durch Aerosole zu verhindern.

Vergleichsweise günstig wäre die Rettung von Schulen

Für Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen ist das eine schwierige Situation. Jüngst hat ein Rechercheteam vorgerechnet, Luftreiniger für alle Schulen würden etwa eine Milliarde Euro kosten – viel Geld. Aber alleine für Unternehmen sollen in diesem Jahr 200 Milliarden Euro an Corona-Hilfen fließen. Wäre es da nicht OK, auch in die Rettung der Schulen zu investieren?  

Fernunterricht ist keine Alternative

Zumindest besser als dem Mantra unterschiedlicher Lehrerverbände nach erneuten Schulschließungen nachzugeben. Denn der Fernunterricht hat im ersten Lockdown eigentlich gar nicht funktioniert. Studien ergaben, dass Schüler*innen in dieser Zeit kaum etwas lernten. Dazu kommt, dass die meisten Schulen dafür immer noch nicht technisch gut genug ausgestattet sind und auch viele Lehrkräfte kaum didaktisch auf Fernunterricht vorbereitet sind. Dass Lehrer*innen jetzt Hybrid oder Digitalunterricht fordern, grenzt an Selbstbetrug.  

Mädchen lernt vor Computer im Wohnzimmer (Foto: IMAGO, Imago Images / Jochen Tack)
Der digitale Unterricht hat sich während dem ersten Lockdown als wenig effektiv herausgestellt.

Was aber genauso irritierend ist, dass die Kultusminister nicht einmal versuchen, die Vorschläge des Robert-Koch-Instituts zum Abstandhalten in den Klassenzimmern umzusetzen. Eigentlich sollte das ab einer Inzidenz von 50 Infektionsfällen auf 100.000 Einwohner passieren.

Maßnahmen müssen schnell ergriffen werden

Das hier nicht gehandelt wird, halte ich für gefährlich. Wenn das Ziel ist, die Schulen offen zu halten, dann muss mehr zum Schutz der Schüler*innen und Lehrer*innen getan werden. Sei es durch Verkleinerung der Klassen – durch Auslagern in andere Gebäude, durch Anwerben von Referendar*innen und anderem Lehrpersonal. Und durch Anschaffung von Luftreinigern. Das wird nicht sehr schnell gehen, aber wir sollten endlich mal den Beginn einer Tätigkeit sehen.  

Schulen müssen als Infektionsherde anerkannt werden

Denn eines ist klar, die Infektionszahlen steigen natürlich auch in Schulen und Kitas. Denn Kinder und Jugendliche haben zwar meistens kaum Symptome, wenn sie sich anstecken, aber wenn die Ansteckung in der Gesamtbevölkerung zunimmt, dann sind sie mitten im Geschehen.

Kinderjacken hängen in einer Garderobe (Foto: IMAGO, Imago Images / Kirchner-Media)
Kitas und Schulen bleiben gefülllt, trotz mangelnder Schutzmaßnahmen wie fehlenden Belüftungssystemen.

Auch das muss die Politik jetzt anerkennen. Denn lange wurde davon ein falsches Bild gezeichnet. Diverse politisch motivierte Studien wurden während des Lockdowns in Auftrag gegeben und ihre logischerweise guten Ergebnisse dann als Grund für offene Kitas und Schulen präsentiert. Die politische Interpretation lautete: Kinder sind keine Überträger für Covid-19 und Schulen keine Hotspots der Pandemie.

Schulen müssen offen bleiben, aber nur unter sicheren Bedingungen

Das war ein fragwürdiges Vorgehen. Genau das fällt den Kultusministern jetzt auf die Füße. Sie sollten sich jetzt ehrlich machen und schleunigst an Schutzkonzepten für Schüler*innen und Lehrer*innen arbeiten. Denn die Grundprämisse, dass Bildung wichtig ist und die Kitas und Schulen dringlichst offengehalten werden sollten, ist wichtig und richtig. Schulschließungen sollten im Kampf gegen das Infektionsgeschehen wirklich die letzte Maßnahme bleiben.

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Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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