Chronische Schmerzen verstehen – Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner. (Foto: SWR, SWR/Veronika Simon)

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Chronische Schmerzen verstehen – Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner

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Veronika Simon
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Rohini Kuner erforscht an der Uni Heidelberg die Grundlagen der Entstehung chronischer Schmerzen. Für diese Arbeit erhält sie den renommierten Leibniz-Preis.

Egal ob Knie, Rücken, Nervenschmerzen: Chronische Schmerzen betreffen 10-20 Prozent der deutschen Bevölkerung. An der Uni Heidelberg erforscht Rohini Kuner deren Grundlagen: Wie sie entstehen und wie sie möglicherweise behandelt werden könnten. Für diese Arbeit erhält sie den hoch dotierten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis. Sie und neun weitere Spitzenforscherinnen und –forscher erhalten jeweils 2,5 Millionen Euro, die sie frei verwenden dürfen.  

Schmerz hat verschiedene Ursachen

Rohini Kuners Fachgebiet ist die grundlegende Erforschung von chronischen Schmerzen. Eine Schwierigkeit: Chronische Schmerzen haben nicht nur eine Ursache - Schmerz ist nicht gleich Schmerz.

Wir haben diverse Erkrankungen, diverse Quellen, zum Beispiel wenn sie jetzt eine Diabetes nehmen, was ja zu diabetischen Neuropathien führen kann, da können wir uns vorstellen, dass die Nerven dadurch beschädigt werden. Wir haben ganz andere Mechanismen im Spiel zum Beispiel bei chronischen Rückenproblemen oder Rückenschmerzen. Da entwickelt sich eine ganz andere Art von Schmerz.

Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner betreibt Grundlagenforschung zur Entstehung (chronischer) Schmerzen. (Foto: IMAGO, IMAGO/Zoonar)
Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner betreibt Grundlagenforschung zur Entstehung (chronischer) Schmerzen.

Schmerzen - ein Alarmsystem des Körpers

Schmerzen haben eigentlich eine wichtige Funktion. Sie sind wie ein Alarmsystem des Körpers. Bei ständigem Fehlalarm jedoch warnt es zwar nicht mehr, es stört nur noch, und zwar massiv. Rohini Kuner und ihr Team versuchen zu verstehen, wie aus dem Schutz eine Krankheit wird. Ein wichtiger Aspekt dabei: Die einzelnen Nerven und das ganze Nervensystem können sich verändern. Ein Beispiel: Bei einer Verletzung schüttet das betroffene Gewebe Signalstoffe aus. Sie zeigen: Hier gibt es ein Problem. Wenn eine Nervenzelle ein Schmerzsignal erkennt, leitet sie diese Information weiter.

Wir spüren Schmerzen. Bei regelmäßigen Schmerzen können sich die Nerven verändern. Sie werden empfindlicher. Zum Teil bleibt das so, auch wenn es nur noch weniger Schmerzsignale gibt. Der Schmerz bleibt stark, weil die Nerven sich verändert haben und sensibler sind. Rohini Kuner untersucht, wie sich das Nervensystem bei chronischen Schmerzen verändert und welche molekulare Mechanismen dahinter stecken.

 Wenn regelmäßig Schmerzen auftreten, können sich die Nerven verändern. Sie werden sensibler. (Foto: SWR, SWR/Veronika Simon)
Wenn regelmäßig Schmerzen auftreten, können sich die Nerven verändern. Sie werden sensibler.

Wahrnehmung von Schmerzen auch abhängig von psychischen und soziaen Faktoren

Dabei geht es nicht nur um die körperlichen Abläufe bei chronischen Schmerzen: Emotionen, die Psyche und soziale Aspekte entscheiden ebenfalls, wie Betroffene ihre Schmerzen wahrnehmen. Im Sonderforschungsbereich „Chronische Schmerzen“ in Heidelberg arbeiten daher verschiedene Fachrichtungen zusammen. Das Ziel: Die Grundlagenforschung von Rohini Kuner soll einen Nutzen für betroffene Patienten bringen.

Die klinische Forschung könne dann, so Kuner, die in der Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse als Basis benutzen, um diese zum Beispiel in Bildgebungsversuche zu integrieren, "um genau herauszufinden auf der individuellen Basis, was für Veränderungen bei dem Patienten vorkommen. "

Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner legt großen Wert darauf, dass die Grundlagenforschung zu chronischen Schmerzen auch in die medizinische Praxis Einzug halten. (Foto: SWR, SWR/Veronika Simon)
Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner legt großen Wert darauf, dass die Grundlagenforschung zu chronischen Schmerzen auch in die medizinische Praxis Einzug halten.

Rohini Kuner macht nicht Forschung, sie ist Forscherin

Rohini Kuner lebt mit ihrer Familie etwas außerhalb von Heidelberg, sie liebt ihren Garten und ihre Tiere. Dass der botanische Garten direkt neben ihrem Institut liegt, ist für sie ein Glücksfall.

Ich komme ja aus Indien von einem subtropischen Klima. In den Wintermonaten fällt es mir manchmal schwer, die Kreativität noch konstant zu halten und da ist dieser Ort hier, der botanische Garten, wirklich ein sehr schöner Ort.

Für Rohini Kuner gab es nie einen anderen Weg als die Wissenschaft. Direkt nach dem Bachelor ging sie für eine Promotion in die USA, um umgehend mit der Forschung beginnen zu können. In den 90ern verschlug es sie nach Deutschland, sie fühlte sich wohl und blieb. Eine Trennung zwischen Arbeit und Privatleben sei nicht möglich, aber auch nicht nötig, so Kuner. Sie mache keine Forschung, sie sei Forscherin.

Es gibt natürlich auch Termindruck, und natürlich auch viele Deadlines und so weiter und Forschungsanträge, teilweise ist es auch hart. Es gibt Phasen (…). Aber wo gibt es sie nicht? Die gibt es in jedem Beruf. Insofern finde ich, das ist wirklich ein Traumberuf.

Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner stammt ursprünglich aus Indien und findet im Botanischen Garten Heidelberg immer wieder neue Inspirationen für ihre Forschungsarbeit. (Foto: SWR, SWR/Veronika Simon)
Leibniz-Preisträgerin Rohini Kuner stammt ursprünglich aus Indien und findet im Botanischen Garten Heidelberg immer wieder neue Inspirationen für ihre Forschungsarbeit.

Leibniz-Preis soll helfen, neue Behandlungsmethoden und Medikamente gegen chronische Schmerzen zu entwickeln

Die Ehrung mit dem Leibnizpreis ist für Rohini Kuner auch eine Anerkennung für ihr Team und das ganze Forschungsfeld. Das Preisgeld gebe ihr die Freiheit, auch langwierige Projekte anzugehen.

Aber ich finde auch, Freiheit kommt immer auch mit Verantwortung: Und daher sehe ich das auch als eine ganz große Verantwortung, richtig gut in die Zukunft zu investieren und Ergebnisse zu liefern, die auch letztendlich Patienten zugutekommen.

Bereits jetzt gebe es spannende neue Ziele für mögliche Medikamente und neue Behandlungsmethoden. Rohini Kuner ist zuversichtlich, dass die nächsten Jahre deutliche Fortschritte bei der Behandlung von chronischen Schmerzen bringen werden.

Rohini Kuner (rechts im Bild) will mit dem Preisgeld des Leibniz-Preises das Forschungsfeld chronische Schmerzen, ihre Entstehung und Therapie, weiter voranbringen. (Foto: SWR, SWR/Veronika Simon)
Rohini Kuner (rechts im Bild) will mit dem Preisgeld des Leibniz-Preises das Forschungsfeld chronische Schmerzen, ihre Entstehung und Therapie, weiter voranbringen.

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