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Buchkritik

Bill Gates: "Wie wir die nächste Pandemie verhindern"

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Bill Gates hat ein amerikanisch-zuversichtliches Buch geschrieben: "Wie wir die nächste Pandemie verhindern". Haben die Vorschläge des Multimilliardärs wirklich Substanz? Eine Einschätzung von Anja Braun aus der SWR-Wissenschaftsredaktion.

Konkrete Pläne zur Verhinderung weiterer Pandemien

Das neue Buch von Microsoft-Gründer Bill Gates ist wie schon sein früheres Werk "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern" im Piper Verlag erschienen. Im neuen Werk legt der Multimilliardär, dem Verschwörungstheoretiker unterstellen, er wolle die Weltherrschaft erreichen, indem er die Menschen durch den Corona-Impfstoff untertan und steuerbar macht, einen detaillierten Plan vor, was getan werden sollte, damit diese Covid-19-Pandemie die letzte ist.

Demo gegen Corona Maßnahmen - Kritik an Bill Gates (Foto: IMAGO, imago images/Future Image)
Bill Gates hat großen Einfluss in der globalen Gesundheitspolitik. Das macht ihn zur beliebten Zielscheibe bei Kritikern der Corona-Maßnahmen und Verschwörungtheoretikern.

Verständlich geschriebenes Buch mit kleinen Anekdoten

Das neue Buch des 66-jährigen Milliardärs zur Verhinderung künftiger Pandemien ist gut verständlich geschrieben. Es lässt sich glatt runterlesen, was auch am lockeren amerikanischen Schreibstil liegt. Immer wieder baut Bill Gates kleine Anekdoten und Geschichten ein, die seine Thesen versinnbildlichen und die präsentierten Fakten und Materialien zum Thema Pandemie auflockern. Zum Beispiel die Geschichte der zufälligen Entdeckung des Fiebersenkers Paracetamol bis hin zur Entwicklung des Covid-Medikaments Paxlovid.

Ein wichtiges Ziel sieht Bill Gates darin, eine weltweite Impf-Infrastruktur aufzubauen bzw. die bestehende zu verbessern.  (Foto: IMAGO, imago images/YAY Images)
Ein wichtiges Ziel sieht Bill Gates darin, eine weltweite Impf-Infrastruktur aufbauen bzw. die bestehende verbessern.

Wissenschaftlich fundierte Analyse

Dabei deckt sich seine Analyse der Pandemie-Situation zu großen Teilen mit dem, was auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit fordern. Sie hatten kürzlich in einem Überblicksartikel der Fachzeitschrift Science zusammengefasst, was wichtig ist, um die nächste Pandemie zu verhindern. Nämlich die Variantenentwicklung, besonders der Coronaviren und einiger anderer Atemwegsviren, im Blick zu behalten. Außerdem in die Entwicklung effektiverer Impfstoffe zu investieren, die breiter aufgestellt sind und gegen eine größere Anzahl von Coronaviren und deren Varianten gleichzeitig schützen.

Mit ⁦@BillGates⁩ auf der Münchener Sicherheitskonferenz über Impfstoffe für ärmere Länder gesprochen. Der Schwerpunkt muss meines Erachtens in Zukunft darin liegen, Pandemien zu verhindern. Dann braucht man auch keine Impfstoffe für Milliarden Menschen. https://t.co/WyKCju1RRa

Und parallel dazu eine weltweite Impf-Infrastruktur aufbauen, beziehungsweise die bestehende verbessern. Weiter den Aufbau einer Datenbank mit potentiell antiviralen Wirkstoffen, um im Krisenfall schneller auf die neue Erkrankung zu reagieren.

All das findet sich auch in Bill Gates' Buch wieder, was kein Wunder ist, da Prävention für die Bill und Melinda Gates Stiftung ein wichtiger Pfeiler ihrer Gesundheitsarbeit ist. Schon 2014 – kurz nach dem Ausbruch von Ebola – hatte Bill Gates gewarnt, dass die Welt extrem schlecht auf Pandemien vorbereitet ist.

Impfungen und die schnelle Produktion von Impfstoffen spielen für Bill Gates eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung künftiger Pandemien. (Foto: IMAGO, IMAGO/ZUMA Wire)
Impfungen und die schnelle Produktion von Impfstoffen spielen für Bill Gates eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung künftiger Pandemien.

Internationale Pandemie-Präventionsteams sollen gebildet werden

Nun legt der Multimilliardär uns seinen Plan vor, wie man dafür sorgen könnte, dass die Corona-Pandemie tatsächlich die letzte bleibt. Kernpunkt ist die Bildung eines Pandemie-Präventionsteams. Diese Taskforce soll ähnlich wie die Feuerwehr eine Art ständigen Bereitschaftsdienst leisten – mit Vertretern in Schlüsselstädten auf der ganzen Welt.

Denn nach jedem Ausbruch entscheide sich in den ersten 100 Tagen, ob ein Virus zur Pandemie werde, schreibt Gates. Diese Präventionstruppe nennt er GERM - zu deutsch Krankheitserreger. Die Buchstaben stehen als Abkürzung für Global Epidemic Response and Mobilization. Das wiederum steht für: Beobachtung von Ausbrüchen, rasches Eingreifen, Forschung und Ausbau der Gesundheitssysteme.

Eine globale Eingreiftuppe soll bei künftigen Pandemien schnell reagieren können.  (Foto: IMAGO, imago images/SNA)
Eine globale Eingreiftuppe soll bei künftigen Pandemien schnell reagieren können.

Schon im April hat Gates bei der TED-Konferenz, einer Elite-Ideenkonferenz im kanadischen Vancouver, die Idee der weltweit organisierten mobilen Eingreiftruppe gegen Pandemien bekannt gemacht. Die Truppe soll aus 3.000 Expertinnen und Experten bestehen – aus den Fachbereichen Epidemiologie, Genetik, Arzneimittel- und Impfstoffentwicklung, Datensysteme, Diplomatie, schnelle Reaktion, Logistik, Computermodellierung und Kommunikation.

Die Bill und Melinda Gates Stiftung ist eine finanzielle Supermacht im Bereich der Weltgesundheit

Kosten wird das Ganze eine Milliarde US-Dollar im Jahr. So viel, meint Gates, sollte uns die Verhinderung weiterer Pandemien wert sein. Dabei soll die Eingreiftruppe der Weltgesundheitsorganisation WHO unterstehen. Nun werfen Kritiker Bill Gates vor, dass der Multimilliardär das Stiftungsvermögen in erster Linie nutzt, um mit eigenen – oft neoliberalen – Ideen Einfluss auf die Weltgesundheit zu nehmen. Und das stimmt: Die Bill und Melinda Gates Foundation hat immensen Einfluss; sie ist eine Art finanzielle Supermacht im Bereich der Weltgesundheit.

Microsoft-Gründer Bill Gates und Frau Melinda während der TED-Konferenz im Vancouver Convention Centre 18. März 2014 in Vancouver, Kanada (Foto: IMAGO, imago/ZUMA Press)
Microsoft-Gründer Bill Gates mit seiner (mittlerweile Ex-) Frau Melinda während der TED-Konferenz im Vancouver Convention Centre am 18. März 2014 in Vancouver, Kanada.

Mittlerweile ist die Stiftung zweitgrößter Geldgeber der WHO, der größte ist übrigens Deutschland. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 hat die Gates-Stiftung mehr als 60 Milliarden Dollar verteilt. Für die globale Gesundheitsversorgung gibt sie pro Jahr rund 2 Milliarden Dollar aus. Und ja, Bill Gates verdient auch daran: Er ist an internationalen Impfstoffallianzen beteiligt und an allen Trägerorganisationen des globalen Impfprogramms gegen die Corona-Pandemie.

Milliarden für die Weltgesundheit

Die Einnahmen stellt der Multimilliardär dann aber wieder der Stiftung zur Verfügung, die damit weitere Gesundheitsprogramme finanziert. Auf diese Art kann er tatsächlich steuern, welche Projekte umgesetzt werden, welche Ideen und Vorstellungen von Weltgesundheit sich letztlich durchsetzen werden.

Doch bei all der Kritik bin ich – ehrlich gesagt – ganz froh, dass sich dieser Multimilliardär aus der Tech-Szene die Verbesserung der Weltgesundheit als Sinnstiftung ausgesucht hat. Sonst würde es auf diesem Gebiet noch viel düsterer aussehen, nachdem sich die staatliche Akteure immer weiter zurückziehen – aber das ist eine andere Diskussion.