Völkerrecht

Hat die Bundesrepublik Deutschland nach 1945 einen Friedensvertrag unterzeichnet?

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Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)

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Alles Notwendige ist völkerrechtlich geregelt

Vor allem in rechtsextremen Kreisen wird oft behauptet: Da es nach dem Krieg keinen offiziellen Friedensvertrag gab, bestünde das Deutsche Reich in den Grenzen von vor dem Krieg weiter – also mit großen Teilen vom heutigen Polen und Tschechien. Doch das ist nicht so, sagt zum Beispiel der Völkerrechtsexperte Claus Kreß von der Universität Köln.

"Einen Friedensvertrag – zwar nicht dem Wort, aber der Sache nach – gibt es, wenn auch mit großem zeitlichem Abstand."

Richtig ist: Am Ende des Zweiten Weltkrieges hat Deutschland zwar kapituliert, aber keinen Friedensvertrag abgeschlossen. Das lag daran, dass es in der Nachkriegszeit zunächst keine deutsche Regierung mehr gab, die einen solchen Vertrag hätte abschließen können.

Zwei deutsche Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs

Ab 1949 gab es zwei deutsche Staaten, auch dann war aber noch eine Weile umstritten, ob das deutsche Reich in diesen Staaten (oder wenigstens in der Bundesrepublik) völkerrechtlich gesehen weiterexistiert, ob also die Bundesrepublik überhaupt in der Lage wäre, einen Friedensvertrag für das Deutsche Reich abzuschließen. Im Völkerrecht war man sich dann irgendwann einig: Ja, das würde gehen. Aber dann kam das Problem hinzu: Wenn die Bundesrepublik einen Friedensvertrag geschlossen hätte, hätte die DDR ihn nicht akzeptiert. Die DDR pochte anfangs zwar auch auf einen Friedensvertrag – aber mit zwei deutschen Staaten, was wiederum für die Bundesrepublik nicht akzeptabel war.

Wiedervereinigung und Zwei-plus-vier-Vertrag

Deshalb wurde dieser völkerrechtliche Schlussstrich erst viel später nachgeholt, nämlich nach dem Fall der Mauer, als 1990 beide deutsche Staaten mit den ehemaligen alliierten Siegermächten die Wiedervereinigung im sogenannten Zwei-plus-vier-Vertrag geregelt haben.

"Im Zuge der Wiedervereinigung 1990 kam es mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zu einer Regelung von Fragen, die seit dem Zweiten Weltkrieg noch offen waren. Insbesondere gaben die vier Mächte ihre noch bestehenden Rechte im Hinblick auf Deutschland als Ganzes auf."

Zwei-plus-vier-Vertrag regelt Festlegung der Grenzen

Im Zwei-plus-vier-Vertrag steht alles drin, was in einem Friedensvertrag auch geregelt ist: Insbesondere die Grenzen des jetzt wiedervereinigten Deutschlands. Mit der Festlegung der Grenzen verzichtete das neue Deutschland endgültig auf die ehemaligen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie. Durfte Deutschland das? Claus Kreß sagt ganz klar: ja!

"Zu der Frage, wie es sich mit Grenzveränderungen verhält, sagt das Völkerrecht, dass staatliche Grenzen zwar völkerrechtlich ein hohes Gut und als solches geschützt sind, insbesondere gegen Gewaltanwendung. Aber es gibt dem Grundsatz nach kein völkerrechtliches Verbot für einen Staat, im Rahmen einer friedensvertraglichen Regelung Gebiete, die früher zu ihm gehörten, abzutreten. Völkerrechtlich spricht man bei einer solchen Abtretung von einer Zession. Der entscheidende Punkt ist, dass der Gebietsübergang einvernehmlich geschieht. Dann ist eine solche Gebietsregelung möglich. Einvernehmlich bedeutet: Einvernehmlich zwischen dem das Gebiet abtretenden Staat und demjenigen Staat, zu dem dieses Gebiet nun gehören soll." (Claus Kreß)

Da Polen und Tschechien auch einverstanden waren, war das somit in Ordnung. Insofern: Der Zwei-plus-vier-Vertrag ist kein Friedensvertrag – aber regelt alles Notwendige. Ein weiteres Papier, auf dem fett "Friedensvertrag" steht, in dem aber letztlich nur das Gleiche nochmal steht, ist deshalb nicht nötig.

8. Mai 1945

9.5.1945 Reichssender Flensburg meldet Niederlage der Wehrmacht

9.5.1945 | Der Krieg ist zu Ende. Am 8. Mai 1945 tritt die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht in Kraft. Einen Tag später, am 9. Mai verbreitet der Reichssender Flensburg die Nachricht von der endgültigen Niederlage.

8.5.1985 Richard von Weizsäckers Rede zur Erinnerung an den 8. Mai 1945

8.5.1985 | In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag der Kapitulation bezeichnet Bundespräsident Richard von Weizsäcker das Kriegsende als einen "Tag der Befreiung". Das war damals eine Sensation, denn so eindeutig wie er hat das kaum ein konservativer Politiker vor ihm formuliert.

DDR

7.10.1949 Gründung der DDR

7.10.1949 | Am 7. Oktober 1949 wird aus der sowjetischen Besatzungszone die DDR. Dazu wird in der Ost-Berliner Wilhelmstraße die provisorische Volkskammer ins Leben gerufen, provisorisch, weil die Wahlen erst im Folgejahr stattfinden sollten. Wichtigster Redner an diesem Gründungstag der DDR ist Wilhelm Pieck. Er ist zusammen mit Otto Grotewohl Vorsitzender der SED und wird an diesem Tag Präsident der DDR.

7.10.1949 Die DDR bekommt eine Verfassung

7.10.1949 | Als die provisorische Volkskammer der DDR am 7. Oktober 1949 ins Leben gerunfen wird, wird Johannes Dieckmann ihr Präsident. Seine wichtigste Aufgabe an diesem Tag ist es, die Abgeordneten über die neue Verfassung der DDR abstimmen zu lassen.

Wiedervereinigung

1989 bis 1990 Das Ende der DDR

1989 bis 1990 | Von den Montagsdemonstrationen über die Öffnung der Mauer bis zur Wiedervereinigung.

Dossier 30 Jahre Fall der Berliner Mauer

Am 3. Oktober 1990 - ein knappes Jahr nach dem Fall der Mauer - trat die frühere DDR der Bundesrepublik bei, mit weitreichenden Auswirkungen in Deutschland und weltweit. Wie bewerten Ost und West heute – zum 30. „Tag der Deutschen Einheit“ – die Entwicklungen seit dem Mauerfall 1989 und der Wiedervereinigung 1990? Als Erfolgsgeschichte trotz vieler Rückschläge oder als Vereinnahmung des Ostens durch den Westen?

NATO

9.5.1955 Die Bundesrepublik tritt der NATO bei

9.5.1955 | Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen bald die Spannungen zwischen den USA und den westeuropäischen Ländern auf der einen Seite und der Sowjetunion auf der anderen. Mittendrin das zwischen den Siegermächten aufgeteilte Deutschland, aus dem 1949 zwei eigenständige Staaten entstanden, die Bundesrepublik und die DDR. Ereignisse wie die Berlin-Blockade 1948/1949 führten in Westeuropa zu einem verstärkten Gefühl der Bedrohung durch die Sowjetunion und zum Bedürfnis, die militärisch starken USA als dauerhafte Schutzmacht in Anspruch zu nehmen. Dies war die Grundlage für die Gründung der NATO 1949. Anfangs waren es 12 Mitgliedsstaaten. Die Bundesrepublik Deutschland war noch nicht dabei.
Sie tritt erst 9. Mai 1955 der NATO bei – drei Jahre später als die Türkei und Griechenland. Der NATO-Beitritt ist Bestandteil des sogenannten Pariser Verträge, mit denen das Besatzungsstatut in Westdeutschland beendet wurde. Konrad Adenauer unterzeichnet den NATO-Beitritt in Paris anlässlich der Feierlichkeiten zehn Jahre nach der deutschen Kapitulation. Reporter ist Max Schulze-Vorberg.

Zeitgeschichte Gab es Zusagen an Moskau, die NATO nicht nach Osten zu erweitern?

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Völkerrecht

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