Geowissenschaften

Führt der Klimawandel zu mehr Erdbeben?

Stand
Autor/in
Gábor Paál
Gábor Paál

Kurzfristig nein, langfristig möglicherweise. Die Überlegung ist völlig berechtigt. Was passiert denn, wenn zum Beispiel auf Grönland die schweren Gletscher schmelzen? Die haben ein Gewicht von Tausenden von Milliarden Tonnen. Das Gleiche trifft für die Antarktis zu oder – im kleineren Umfang – auch auf die Gletscher in den Alpen oder auf Island. Wenn diese Gletscher abschmelzen, werden die darunterliegenden Landmassen entlastet.

Nun ist es ja so: Die Kontinentalplatten kann man sich tatsächlich als Platten vorstellen, die auf einer zähflüssigen heißen Gesteinsmasse schwimmen. Wenn sie von oben durch das Eis zusätzlich belastet werden, passiert das Gleiche wie bei einer kleinen Eisscholle, wenn sich ein Eisbär draufsetzt: Es drückt die Scholle nach unten. Wenn der Eisbär runtergeht von der Scholle, steigt sie wieder auf. Und so ist es mit den Kontinentalplatten: Wenn die Eismassen schmelzen, steigen sie auf. Das geht allerdings sehr langsam.

Letzte große Eiszeit endete vor 10.000 Jahren, Platten steigen noch heute

Seitdem sind schon viele Gletscher geschmolzen. Als Reaktion auf diese Entlastung steigen heute noch die entsprechenden Landmassen auf. Skandinavien, Schottland und Dänemark zum Beispiel heben sich noch heute um bis zu einen Meter in 100 Jahren. Das ist eine ganz langsame kontinuierliche Landhebung; es bedeutet noch nicht zwangsläufig, dass es zu Erdbeben kommt.

Man kann sich aber vorstellen, dass es durchaus zu Erdbeben führen kann, wenn die Erdkruste durch die Entlastung erst mal in Bewegung gerät. Zwar gibt es bislang dafür kaum Anzeichen. Es gab aber vor wenigen Jahren eine Untersuchung von Geophysikern aus Münster und Bern, die Hinweise auf einen solchen Zusammenhang in Amerika gefunden haben. Auch da lagen in der Eiszeit mächtige Gletscher und es sieht so aus, als habe die große Gletscherschmelze am Ende tatsächlich dazu geführt, dass an einigen geologischen Störungen gehäuft kleinere Erdbeben stattfanden.

Jetzt kommt aber die Einschränkung: Das ist nicht von jetzt auf gleich passiert, sondern diese Reaktion kommt mit Jahrtausenden Verzögerung. Und es passiert dort, wo vorher die Gletscher lagen und nicht irgendwo anders auf der Welt. Man kann also nicht – was Sie in Ihrer Frage vermutet haben – die Beben in Haiti oder Chile oder den Vulkanausbruch auf Island auf den aktuellen Klimawandel zurückführen. Wir erleben zwar seit einigen Jahrzehnten einen schnellen Klimawandel; die Gletscher schmelzen. Aber das hat bisher noch nicht dazu geführt, dass wir jetzt insgesamt auf der Welt mehr Erdbeben hätten als im Mittelalter oder in der Antike.

CO2 Stoßen Vulkane mehr Treibhausgase aus als der Mensch?

Vulkane stoßen CO2 aus – aber im Schnitt pro Jahr nur ein Hundertstel dessen, was der Mensch im gleichen Zeitraum durch die Verbrennung fossiler Energien freisetzt. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Erdkern Woher weiß man, wie es im Inneren der Erde aussieht?

Man kann nur bis zu einer bestimmten Tiefe in die Erde hineingucken. Bis zum Mittelpunkt der Erde sind es 6.000 Kilometer. Die weltweit tiefste Bohrung geht aber nur bis in 12 Kilometer Tiefe. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

30.8.1944 Reichsrundfunk berichtet über Alfred Wegener und die Kontinentalverschiebung

30.8.1944 | Der Reichsrundfunk berichtet über Alfred Wegeners Theorie der Kontinentalverschiebung. Wegener hatte diese 1912 vorgestellt, allerdings waren seine Belege noch schwach.

Geologie Geburtsstunde der Plattentektonik – Marie Tharps Entdeckung

Ein riesiger Graben führt vom Nordpolarmeer bis zur Antarktis. Die Geologin Marie Tharp entdeckt ihn 1952 und legt so den Grundstein für die Plattentektonik.

SWR2 Wissen SWR2

Derzeit gefragt

Psychologie Warum vergeht die Zeit im Alter schneller?

Für Kinder dauert ein Jahr eine gefühlte Ewigkeit, im Alter geht die Zeit im Nu vorbei. Dieses Phänomen ist inzwischen gut belegt und lässt sich psychologisch erklären. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Redewendung Man sagt: "Das kommt mir spanisch vor." Warum nicht italienisch oder französisch?

Als Karl V. im Jahr 1519 zum König von Deutschland gewählt wurde, zog er mit seinem spanischen Hofstaat nach Deutschland. Zur Verwunderung der Deutschen. Karl sprach nicht gern Deutsch und wenn, dann nur mit seinem Pferd. Von Rolf-Bernhard Essig

Geschichte Wie nannte man das "Mittelalter" im Mittelalter?

Wir können heute vom Mittelalter sprechen, weil wir in der "Neuzeit" leben. Aber im Mittelalter selbst gab es eine ganz eigene Zeitrechnung, die heute kaum jemand kennt. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Kommunikation Ist die Gebärdensprache auf der ganzen Welt gleich?

Wäre die Gebärdensprache überall auf der Welt gleich, könnten sich alle Gehörlosen gegenseitig verstehen. Aber so ist es nicht. Von Gábor Paál | Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Geschichte Wie entstand die deutsche Nationalflagge?

Die Kombination Schwarz-Rot-Gold entstand vor gut 200 Jahren. Doch wofür stehen die Farben? Von Gábor Paál. Text und Audio dieses Beitrags stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0. Hinweis: Der Beitrag enthält am Ende einen kleinen Fehler: Die DDR-Flagge enthielt nicht "Hammer und Sichel", sondern "Hammer und Zirkel".