Über 90 Prozent der Bestände an Fisch sind maximal ausgelastet, mehr als die Hälfte ist überfischt, das zeigt eine Studie im Fachjournal Science. Es wird mehr gefangen als nachwächst. Die Bestände brechen zusammen. Die Meere werden immer leerer.
Sollte man gar keinen Fisch mehr essen?
Um zu erfahren, ob ein Fisch ökologisch bedenkenlos im Einkaufswagen landen kann, muss man sich gut informieren.
Hersteller von Fisch- und Tiefkühlprodukten sind dazu verpflichtet, Angaben zu Fischart, Fangmethode und Fanggebiet zu machen.
Hilft das Fanggebiet der FAO weiter?
Das jeweilige Fanggebiet des Produkts, das auf der Verpackung genannt wird, beginnt immer mit FAO. Die UN-Welternährungsorganisation The Food and Agriculture Organization (FAO) hat die Weltmeere in 19 Fanggebiete aufgeteilt, die einen speziellen Namen und Numerierung haben. Fanggebiete für einen Fisch findet man häufig gleich mehrere zur Auswahl.
Doch das Gebiet aus dem dieser Fisch oder das spezielle Fisch-Produkt stammt, befindet sich in einer Nummer mit vielen Ziffern, die auf der Seitenlasche oder dem Deckel der Verpackung steht. Manchmal leider fast unleserlich. Auch QR-Codes können zum Herkunftsort eines Fangs führen.
Doch fehlt beim Einkaufen am Kühlregal für Verbraucher oft der Kontext, um sich daraus einen Reim machen zu können. So kann es sein, dass der Seelachs in einem Fanggebiet absolut überfischt ist, während sein Bestand in einer anderen Region überhaupt nicht bedroht ist. Am Ende stehen viele Verbraucher im Supermarkt oder am Marktstand und sind trotz der gelieferten Infos überfragt, welchen Fisch sie guten Gewissens kaufen können.
Wie gut sind Siegel wie MSC für nachhaltigen Fisch?
Das blaue MSC-Siegel, das auf rund 70 Prozent der Fischprodukte prangt, verspricht Nachhaltigkeit, und zwar ganz explizit: „Fischprodukte mit MSC-Siegel kommen aus kontrolliert nachhaltiger, zertifizierter Fischerei: Sie wurden umweltschonend gefangen und stammen aus einem nicht überfischten Bestand.“
Doch obwohl es das Siegel schon seit 20 Jahren gibt, nehmen die überfischten Gebiete ständig zu. Da stimmt was nicht? Genau.
Da stimmt was nicht, sagt auch Rainer Froese vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Das Siegel steht nicht nur bei ihm in der Kritik. „Die Kriterien des MSC sind so schwach, dass auch stark überfischte Bestände das Siegel bekommen können.“
Bei einer Untersuchung der zertifizierten Bestände fanden Forscher heraus: Etwa die Hälfte der Bestände waren zu klein oder überfischt. Verbraucher haben also eine 50:50 Chance, einen nachhaltig gefischten Fisch zu kaufen, wenn sie nach Produkten mit dem MSC greifen. Froese sagt: „Das ist besser als ganz ohne Siegel. Aber eigentlich ist das nicht, was wir wollen. Es fehlt ein Siegel, auf das man sich verlassen kann.“
"Gute-Fisch-Liste" hilft beim Einkauf
Orientierung bieten kann eine gemeinsame Initiative von Verbraucherschützern und Wissenschaftlern: Sie bieten eine „Gute-Fisch-Liste“ an, die konkret erklärt, welchen Fisch man ökologisch guten Gewissens kaufen kann.
Gute-Fisch-Liste: Ostsee-Plattfische, Seelachs aus Spitzbergen ökologisch ok
Eine Kaufempfehlung gibt es zum Beispiel für Plattfische aus der Ostsee. Den Beständen von Flunder und Scholle geht es in diesem Bereich gut und sie werden nachhaltig befischt.
Ökologisch in Ordnung ist die Zubereitung von Seelachs – allerdings nur, wenn er aus den Fanggebieten von Spitzbergen oder der norwegischen Bäreninsel stammt. Auch dort gibt es für die Bestände und Fangmethode einen Daumen hoch.
Problematisch: Alaska-Seelachs
Der beliebte Alaska-Seelachs wird oft mit Schleppnetzen gefangen, die teilweise den Meeresboden beschädigen. Er kommt meist aus dem Nordpazifik, vor allem aus FAO 61 - also Russland -, wo Transparenz und Nachhaltigkeit mangelhaft sind.
Valeska Diemel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) gibt auch politische Überlegungen zu bedenken. „Schließlich boykottiert Europa russischen Kaviar. Beim Alaska Seelachs scheint man es nicht so genau zu nehmen? Die Wahrheit ist: Ohne Alaska-Seelachs aus Russland gäbe es bei uns eine Fischstäbchen-Knappheit. Denn 80 Prozent des Alaska-Seelachs kommt nun mal aus Russland.“
Empfehlenswert: Schellfisch aus der Nordsee
Bedenkenlos verzehrt werden kann laut Gute-Fisch-Liste der Schellfisch aus der Nordsee westlich von Schottland. Dieser Fisch, der in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Liste auftaucht, gehört zur Dorschfamilie. Sein Bestand im Nordatlantik wächst sogar.
Gut: Bonito statt Thunfisch und Karpfen aus Aquakulturen
Auch Fans von Thunfisch können nachhaltig auf ihre Kosten kommen: Die Gute-Fisch-Liste verweist sie an den Bonito. Das ist ein kleinerer Thunfisch, der in warmen Meeren vorkommt, zum Beispiel im West- und Zentralpazifik sowie im Indischen Ozean.
Die Bestände dort sind in gutem Zustand und der Bonito wird dort nachhaltig befischt. Die konkreten Infos findet man auf der Verpackung.
Ganz unproblematisch sind Karpfen, Pangasius und Tilapia, wenn sie in geschlossenen Anlagen gezüchtet wurden.
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Thunfisch ist als frischer Fisch und aus der Dose beliebt. Wir haben verschiedene Thunfischdosen auf Quecksilber und Bisphenol A testen lassen und den Geschmackstest gemacht.
Aquakultur - immer eine nachhaltige Alternative? Auch bei Lachs?
Aquakulturen wie norwegische Lachsfarmen galten lange als umweltfreundliche Lösung. Dann gab es Probleme mit zu hohem Antibiotikaeinsatz. Das hat sich stark gebessert. Valeska Diemel bezieht sich auf Zahlen, die etwa das norwegische Veterinäramt im letzten Jahr veröffentlicht hat. „Zwanzig Prozent der Tiere sterben bevor sie ausgewachsen sind. Das wird in Kauf genommen.“
Lachs-Aquakulturen sind Massentierhaltung im Meer. Und es gibt ähnliche Probleme wie an Land. Die Tiere werden zu eng gehalten, sie verletzen sich. Parasiten und Läuse fressen die Fische bei lebendigem Leib. Mehr als 60 Millionen Lachse sterben.
Die Organisation Foodwatch hat aufgrund der Veröffentlichungen aus Norwegen ein Verkaufsstopp von Lachs aus Norwegen gefordert und eine entsprechende Petition veröffentlicht.
Nachhaltige Fischzucht So unterschiedlich sind Siegel für Fisch aus Aquakultur
Aquakultur - wichtig, um Fischbestände im Meer zu schonen, oder einfach nur Massentierhaltung? Die Siegel verraten einiges dazu.
Gut: Aquakulturen, die Bioland- oder Naturland-zertifiziert sind
Die Alternative: Lachs aus Aquakulturen, die Bioland oder Naturland zertifiziert sind, haben deutlich höhere ökologische Standards und können dadurch besser empfohlen werden - sie sind aber auch ein ordentliches Stück teurer.
Vielen nicht bekannt: Fischhändler kann günstiger sein als der Supermarkt
Durch die Ausnutzung von Auktionen und tagesaktuellen Preisen können lokale Fischhändler Fisch teilweise günstiger anbieten als Supermärkte und Discounter.
Fischhändler können zudem oft tagesaktuelle Informationen zu Fangquoten und Herkunftsgebieten geben. Ob ein Gebiet überfischt ist oder nicht, kann man aus dem Lieferschein erkennen.
Die Liste von Fisch aus nachhaltigem Fang ist kürzer geworden
Die Mehrzahl der Fischbestände weltweit werden bis an ihre biologischen Grenzen oder darüber hinaus befischt. Nur noch wenige Bestände sind in einem guten Zustand.
Der Kabeljau aus der Ostsee ist beispielsweise schon länger überfischt. Makrele und Sprotte sind auch von der Liste gestrichen worden. Und jetzt fehlt auch der Hering, weil sich auch bei diesem Fisch die Bestände deutlich verringert haben.
Heringe aus der Nordsee und der nördlichen Irischen See sollten überhaupt nicht mehr verzehrt werden. Dieser Trend ist besorgniserregend, da Makrele, Sprotte und Heringe bisher wegen ihrer großen Bestände meist eine gute Wahl waren.
Probleme gibt es auch mit dem Wild-Lachs. Der Zustand der Bestände in Alaska hat sich verschlechtert. Verantwortlich dafür ist die Klimakrise, wodurch sich die Laichplätze in den Flüssen erwärmen.
Selbst heimische Süßwasserfische sind mittlerweile nicht mehr bedenkenlos empfehlenswert. Auch in Bayern und Baden-Württemberg, den Forellen-Hochburgen, sind die Populationen mittlerweile rückläufig.
Weniger ist mehr – oder besser ganz vegan?
Weniger Fisch zu essen, hilft der Umwelt.
Was die beliebten Fischstäbchen angeht: Pflanzliche Fischstäbchen sind eine gute Alternative. Sie schmecken ähnlich, kosten nicht mehr und belasten die Meere nicht.
Pflanzliche Ersatzprodukte Visch im Test: Wie gut schmeckt veganer Fisch?
Im Supermarkt gibt es immer öfter Ersatzprodukte zum Fisch. Wie gut schmecken vegane Fischstäbchen, Lachsfilet oder Thunfisch? Hier der Test.
Eine ausführliche Übersicht zu den Fangmethoden gibt es auf der Internetseite von Greenpeace.
Und was ist mit Mikroplastik im Fisch? Planet Wissen bietet ein Video dazu an.
Informationen zur Schwermetallbelastung von Fischen gibt es im Lebensmittelforum der Verbraucherzentrale.