SWR2 Wissen

Solarenergie – Besser als Windkraft?

Stand
Autor/in
Ralf Hutter
Onlinefassung
Gábor Paál
Gábor Paál

Der Ausbau der Windenergie kommt kaum voran. Sollte die Politik mehr auf die Sonne setzen?

Deutschland ist nicht als besonders sonniges Land bekannt. Windräder produzieren hier doppelt so viel Strom wie Solaranlagen. Doch das könnte sich ändern. Unter günstigen Bedingungen ist solar produzierter Strom heute der "billigste aller Zeiten". So schrieb es kürzlich die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem jährlichen globalen Energiebericht. Sollte die Politik bei der Energiewende stärker als bisher auf Solar- statt auf Windstrom setzen? Selbst unabhängig vom Preis bietet Photovoltaik gegenüber der Windstrom einige Vorteile.

Unter Solarparks können Pflanzen wachsen

Immer mehr Beispiele zeigen: Solarparks können mit Landwirtschaft kombiniert werden. Obst- und Beerenkulturen eignen sich dafür. In Frankreich wachsen schon Weinreben unter Solarpanels. "Agrarphotovoltaik" heißt dieser Trend. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg hat schon solche Versuche ausgewertet. Das Ergebnis: Die Ernte fällt unter den Photovoltaikmodulen zwar eventuell etwas schlechter aus, dafür kann der Hof aber den relativ günstigen Strom nutzen. Und die Solaranlage spendet Schatten, schützt also Pflanzen und Böden in Hitzeperioden vor Austrocknung – und es schützt die Beeren vor Hagel. Würden auf vier Prozent der deutschen Agrarflächen zusätzlich Photovoltaikanlagen stehen, ließe sich damit der gesamte deutsche Strombedarf decken, schätzt das Fraunhofer-Institut. Allein die Flächen des Obst- und Beerenanbaus würden demzufolge ausreichen.

Solarparks sind naturverträglicher

Eine im Dezember 2019 veröffentlichte Studie des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft ergab, dass sich Vögel, Heuschrecken und Tagfalter schon in herkömmlichen Solarparks verstärkt ansiedeln. Doch werden Solarparks nun verstärkt auch gleich als Biotope angelegt. Unter und zwischen den Solarmodulen ist hier viel Platz für Insekten, Vögel und Hasen. In der Region um Cottbus gibt es bereits fünf dieser "Biotop-Solarparks".

Indem sich Solarparks mit andere Nutzungen kombinieren lassen, verringern sie den Flächenverbrauch. Im Gegensatz dazu lassen sich Windräder schwer mit Biotopen kombinieren, schon deshalb, weil für Vögel die Rotorblätter gefährlich sein können.

Solarpark im Unterallgäu. Eine Studie ergab, dass sich Vögel, Heuschrecken und Tagfalter schon in herkömmlichen Solarparks verstärkt ansiedeln.
Solarpark im Unterallgäu. Eine Studie ergab, dass sich Vögel, Heuschrecken und Tagfalter schon in herkömmlichen Solarparks verstärkt ansiedeln.

Solarstrom lässt sich in Städten erzeugen – und einfacher im Verkehr nutzen.

"Die Energiewende ist ja im Moment de facto ein Projekt des ländlichen Raumes", räumt Wolfram Axthelm im Podcast SWR2 Wissen ein. Er ist politischer Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie. "Die Energiewende muss aber in die Stadt kommen, sonst kriegen wir die Herausforderungen rund um E-Mobilität stellen nicht gebacken". In dicht besiedelten Gebieten lassen sich aber keine Windräder errichten. Und selbst an Siedlungsrändern gibt es Akzeptanzprobleme. Solaranlagen dagegen können problemlos auf Dächern installiert werden. Sie haben buchstäblich Platz auf der kleinsten Hütte.

Solaranlagen sind skalierbar

Das bringt einen weiteren Vorteil. Photovoltaik funktioniert im Großen wie im Kleinen. Dadurch gibt es eine größere Akteursvielfalt, und sie bietet die Vorteile einer stärker dezentralen Energieversorgung. 

"Photovoltaik funktioniert von kleinen Einheiten auf dem Balkon bis zu Freiflächenanlagen", sagt Andreas Bett vom Fraunhofer-Institut in Freiburg. Beim Wind ist das nicht so einfach möglich ist, das müssen einfach große Anlagen sein." Das wiederum schränkt sowohl die Flexibilität als auch den Kreis der möglichen Investoren ein.

Solaranlagen können problemlos auf Dächern installiert werden. Sie sind daher auch für den städtischen Bereich geeignet wie hier in Freiburg  Breisgau.
Solaranlagen können problemlos auf Dächern installiert werden. Sie sind daher auch für den städtischen Bereich geeignet wie hier in Freiburg / Breisgau.

Solarstrom wird immer billiger

Im August 2020 veröffentlichte der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) eine Studie mit dem Titel: "Fotovoltaik im Energiesystem. Der Joker der Energiewende?" Sie wurde von einem Team der Technischen Universität Hamburg erstellt, aber vom VDI-Fachausschuss "Regenerative Energien" mitverantwortet. Darin halten die Fachleute, ein halbes Dutzend davon mit Professorentitel, fest: Große Solaranlagen können selbst in Deutschland Strom für weniger als 4 ct/kWh erzeugen, und nach der wirtschaftlichen Abschreibung, wenn auch die staatliche Preisgarantie wegfällt, für weniger als 1 ct. Das bedeute, "dass die Fotovoltaikanlagen, die aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz fallen, aus Kostensicht konkurrenzlos Strom ins Netz einspeisen können."

Ist die Politik zu langsam?

Gemessen an diesem Potenzial erscheint vielen Fachleuten die derzeitige Energiepolitik in Bezug auf die Photovoltaik zu zögerlich. "Wir müssten 18 bis 20 Gigawatt an Photovoltaik jedes Jahr zubauen, um eine Chance zu haben, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten", konstatiert der Energieexperte Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Quaschning beklagt, dass im Erneuerbare-Energien-Gesetz viel zu lange ein jährlicher Zubau von nur 2,5 Gigawatt vorgesehen war. Inzwischen werden die Ziele etwas angezogen. 2020 wurden in Deutschland knapp 5 Gigawatt zugebaut. "Das ist aber immer noch um den Faktor vier zu wenig für den Klimaschutz."

SWR 2020 / 2021

Energie Neue Beschichtung: Durchbruch in der Solarenergie?

Wissenschaftler der Uni Oxford haben herausgefunden, wie sich Solarstrom erzeugen lässt, ohne Solarmodule auf Siliziumbasis. Sie setzen auf Beschichtung der Oberflächen von Alltagsgegenständen wie Rucksäcken, Autos und Mobiltelefonen mit dem neuen stromerzeugenden Material Perowskit.
Martin Gramlich im Gespräch mit Janina Schreiber, SWR Redaktion Umwelt und Klima

Impuls SWR Kultur

Mali

Klimahelden (1/4) Solarstrom für Afrikas Dörfer

Ein deutsch-malisches Start-up liefert afrikanischen Dorfbewohnern Solarstrom – konkurrenzlos günstig und klimaneutral. Das verbessert das Leben und kurbelt die Wirtschaft an.

SWR2 Wissen SWR2

Energie: aktuelle Beiträge

Klimawandel Nach Trumps Wahlsieg: So geht es mit dem Klimaschutz weiter

Erwartet wird, dass US-Präsident Donald Trump deutlich weniger Geld in den Klimaschutz stecken wird. Trump setzt auf fossile Rohstoffe wie Kohle statt auf erneuerbare Energien. Und bei der am Montag beginnenden Welt-Klimakonferenz COP29 wird die USA sicherlich nicht den internationalen Klimaschutz maßgeblich voranbringen.
Martin Gramlich im Gespräch mit Janina Schreiber, SWR-Redaktion Umwelt und Klima.

Impuls SWR Kultur

Meeresplanung In der Ostsee wird es eng – Windparks, Schifffahrt, Fischerei

Große Schutzgebiete sollen verhindern, dass die Ostsee zum Industriepark verkommt. Forscher wollen Windparks mit Aquakultur kombinieren. Und aus Fischern könnten Meeresförster werden. Von Luca Sumfleth (SWR 2024) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/enge-in-der-ostsee | Berichte und Studien: Angaben zur Fischereiausübung in Mecklenburg-Vorpommern | https://www.lallf.de/fischerei/statistik/fischer-und-fahrzeuge/ | Bericht zum Zustand der deutschen Ostseegewässer |https://mitglieder.meeresschutz.info/files/meeresschutz/berichte/art8910/zyklus2024/Entwurf_Zustandsbericht-2024_Anlage_1_Ostsee_2023-10-15.pdf | Studie zu Zukunftsideen verschiedener Interessensgruppen für die Ostsee | https://www.taylorfrancis.com/chapters/oa-edit/10.4324/9781003311171-10/stakeholders-normative-notions-sustainability-viola-schaber-marie-catherine-riekhof-michael-stecher-rudi-voss-stefan-baumg%C3%A4rtner | Hörtipp:
https://www.ardaudiothek.de/episode/das-wissen/hoehere-deiche-an-der-nordsee-wie-die-kueste-dem-klimawandel-trotzt/swr-kultur/13784597/ | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen

Das Wissen SWR Kultur

Geowissenschaften Wärme, Strom und Lithium – Neue Chancen für die Geothermie in Deutschland?

"Ende des Jahrzehnts gibt es Handys mit deutschem Lithium“", schätzt der Geowissenschaftler Valentin Goldberg. Vor allem am Oberrhein sind die Voraussetzung gut, Lithium aus der Erde zu gewinnen – als Nebenprodukt der Geothermie. SWR Science Talk mit Valentin Goldberg (SWR 2023) | Mehr zur Sendung: http://swr.li/chancen-geothermie | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen

Das Wissen SWR Kultur

Klima: aktuelle Beiträge

Wissenschaftspolitik Nach Trumps Sieg: Wissenschaft und Forschung werden teilweise leiden

Donald Trump wird zum zweiten Mal Präsident der USA. Das ist kein gutes Ergebnis für die Forschungslandschaft. Besonders die Geisteswissenschaften und Forschung zum Klimawandel könnten unter Donald Trump benachteiligt werden.
Stefan Troendle im Gespräch mit Prof. Michael Resch, Universität Stuttgart

Impuls SWR Kultur

Artenschutz Das durchwachsene Ergebnis der Weltnaturkonferenz COP16

Zwei Wochen haben Vertreter aus fast 200 Ländern in Kolumbien beraten, wie die Weltgemeinschaft Natur und Arten besser schützen kann. Nach zähen Verhandlungen ging die UN-Konferenz abrupt zu Ende. Ohne den großen Wurf, aber auch mit ein paar Ergebnissen.
Martin Gramlich im Gespräch mit COP16-Reporter Stephan Hübner.

Impuls SWR Kultur

Stand
Autor/in
Ralf Hutter
Onlinefassung
Gábor Paál
Gábor Paál