Es ist das Jahr 1958, die Hoch-Zeit des Kalten Kriegs: Die Sowjetunion veranstaltet in Moskau den ersten internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb. Ausgerechnet der 23-jährige Amerikaner Van Cliburn triumphierte. Die Geschichte dieses Ausnahmepianisten beschreibt Stuart Isacoff in seinem rundum lohnenden Buch „Als die Welt innehielt, um zuzuhören“.
Ein Amerikaner in Moskaus großem Klavierwettbewerb
Ein Telegramm in Richtung Moskau, Ende 1957, der Absender ist Harvey Lavan Cliburn Jr.:
Cliburn ist Pianist und möchte im Folgejahr in Moskau an einem Klavierwettbewerb teilnehmen. Der junge Mann ist schon vorab sehr nervös, obwohl ihm ein Hellseher prophezeit hatte, dass er „ein Agrarland besuchen und eine Goldmedaille gewinnen werde“.
Ein Psycho-Trick? Für den Musiker ist Astrologie eine ähnliche Obsession wie das Rauchen und sein notorischer Wunsch, es allen und jedem Recht machen zu wollen.
Van Cliburn spielt Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 (1962):
Cliburn präsentiert Chopin, Brahms und Prokofjew
Die Jury ist prominent besetzt, unter anderem mit pianistischen Größen wie Emil Gilels, Sviatoslav Richter und Heinrich Neuhaus. Allerdings, so beschreibt es Stuart Isacoff in seinem Buch:
Die Jury war alles andere als eine große glückliche Familie, und jedes Mitglied war unzufrieden auf seine Weise.
Van Cliburn präsentiert vorwiegend romantisches Repertoire darunter Chopin und Brahms. Als modernes Werk hat er die 6. Sonate von Sergei Prokofjew ausgewählt.
Die Spannung steigt, und immer mehr Gerüchte um den „Wunderknaben aus Texas“ machen die Runde, zumal dieser zunehmend fragil wirkt:
Van verlor immer mehr an Gewicht. Obwohl er sowieso spindeldürr war, schmolzen nun die Pfunde geradezu weg.
Archiv-Video: Pianist Van Cliburn 1962 in München
Ein Amerikaner gewinnt im Herzen von Moskau
Am 14. April 1958 verkündet die Jury schließlich ihr Urteil. Der Sieger heißt Van Cliburn. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Ein Amerikaner gewinnt im Herzen von Moskau.
Die Großwetter-Lage der Weltpolitik hat die Brisanz dieses Wettbewerb-Erfolges maßgeblich angeheizt – vorher und nachher. In New York wird gleich mal eine Konfetti-Party organisiert. Stuart Isacoff fasst zusammen:
In diesem Augenblick merkte Cliburn, dass ein neuer Abschnitt in seiner Karriere begonnen hatte, geschlagen von seinem eigenen Glück.
Das erste Buch in deutscher Sprache über Van Cliburn
Stuart Isacoff ist Pianist, Schriftsteller und Begründer des Magazins „Piano Today“, dessen Herausgeber er fast 30 Jahre lang war. Nach ausgiebigen Recherchen rund um den legendären Wettbewerb und das Leben des Van Cliburn hat er ein Buch über den Pianisten geschrieben.
Jetzt liegt die deutsche Übersetzung vor – ein Buch, das durch die Anzahl und, soweit überprüfbar, durch die Genauigkeit seiner Quellen besticht. Stuart Isacoff erzählt sehr anschaulich, und lebendig. Er fängt unterschiedlichste Perspektiven ein und punktet mit einer Menge an neuen Erkenntnissen.
Ein rundum lohnendes Buch – und zudem das erste überhaupt in deutscher Sprache über diesen Pianisten.