Alzheimer, Parkinson oder Depression – wenige Sekunden einer Sprachaufnahme reichen aus, um herausfinden, ob eine Person bereits erkrankt ist oder Gefahr läuft, in Zukunft krank zu werden. Davon sind die Entwicklerfirmen von speziellen KI-Systemen überzeugt. Die Stimme sei “das neue Blut” - mit dem sich viel Geld verdienen lässt. Mit Hilfe von Smartphones soll künftig jeder solche Daten selbst erheben können.
Was verrät unsere Stimme über uns?
Neben körperlichen Veränderungen im Sprachmuster geht es auch um die Analyse von Emotionen, beispielsweise im Bereich der psychischen Gesundheit: Mit welcher Frequenz spricht eine Person, macht sie auffällige Pausen beim Sprechen, wie viel Druck hat sie auf der Stimme? All diese Marker sollen verraten, ob jemand traurig, aufgebracht oder wütend ist.
Die Stimme: ein Biomarker für die KI
Während in der Medizin über die Aussagekraft dieser Tools debattiert wird, kommt die Analyse von Gefühlen in der freien Wirtschaft bereits zum Einsatz. “Dieses Gespräch wird zu Trainingszwecken aufgezeichnet” - wenn Anrufer:innen diesem Satz nicht widersprechen, sind die Chancen hoch, dass sie selbst in der Hotline analysiert werden. Die KI zeigt der Callcenter-Mitarbeiter:in am anderen Ende der Leitung an, ob die Anrufer:in zum Beispiel wütend ist. Dieses Wissen soll Mitarbeiter:innen helfen, die Gesprächsstrategie zu optimieren.
Ungewollte Überwachung und Diskriminierung durch die Technik
Doch auch die Mitarbeiter:innen in Callcentern werden durchleuchtet: Antworten sie freundlich, reagieren sie schnell genug und adäquat auf ihr gegenüber? Diese Form der Überwachung in Echtzeit kritisieren Betriebsrät:innen und Arbeitsrechtler:innen.
Das EU-Parlament setzt sich für ein Verbot der Emotionsanalyse ein. Befürchtet wird eine um sich greifende Überwachung durch Konzerne, im schlimmsten Fall aber auch durch staatliche Akteure.
(Produktion: BR 2023)
Mehr über das Rechercheteam: Rebecca Ciesilsky, Sammy Khamis und Simon Wörz