Der britische Energiekonzern Shell muss seinen CO2-Ausstoß doch nicht drastisch reduzieren. Das hat ein Berufungsgericht in Den Haag entschieden. Es hob damit ein Urteil aus dem Jahr 2021 auf. Damals hatte ein Zivilgericht noch Umweltschützern Recht gegeben und Shell verpflichtet, bis 2030 den CO2-Ausstoß um rund 45 Prozent gegenüber 2019 zu reduzieren.
Auch deutsche Unternehmen wie Mercedes, VW oder RWE werden das Urteil genau verfolgt haben, denn auch gegen sie sind Klimaklagen vor Gerichten anhängig. Wie ist der Stand und welche Folgen könnte der Shell-Sieg jetzt haben?
Peruanischer Landwirt verklagt Energiekonzern RWE
Ein Bauer aus den Anden in Peru war der erste, der einen deutschen Konzern in Sachen Klimawandel gerichtlich zur Verantwortung ziehen wollte: Saul Luciano Lliuya ist Bergführer. Der See oberhalb der Stadt, in der er wohnt, ist wegen der Gletscherschmelze bedrohlich angestiegen.
Deshalb klagte er vor knapp zehn Jahren gegen den Energiekonzern RWE, als einen der größten CO2-Emittenten Europas. Er forderte, dass RWE sich an den nötigen Schutzmaßnahmen vor Ort beteiligen soll. Derzeit wartet man auf einen Verhandlungstermin in zweiter Instanz beim Oberlandesgericht Hamm.
Greenpeace verklagt Autohersteller VW
Im Jahr 2021 ist Greenpeace gemeinsam mit mehreren Klägerinnen und Klägern gerichtlich gegen den deutschen Autobauer Volkswagen vorgegangen. Alle forderten VW auf, die Klimakrise durch den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor nicht weiter zu verschlimmern. Der Konzern soll seine Unternehmenspolitik in Zeiten des Klimawandels ändern. Marion Tiemann von Greenpeace sagte dem SWR, Volkswagen habe 2021 so viel klimaschädliches CO2 verursacht wie ganz Australien.
Greenpeace unterstützt einen klagenden Biobauern aus Nordrhein-Westfalen. Er spürt laut Tiemann die Klimakrise bereits heute auf seinem Hof. Es komme zu Dürren und Ernteausfällen. Die Klimaklage gegen VW befindet sich im Berufungsverfahren. Sie wird ebenfalls am Oberlandesgericht Hamm verhandelt.
Greenpeace bewertete den Sieg von Shell vor Gericht als harten Rückschlag für das Klima. Es motiviere die Umweltschutzorganisation allerdings, weiter gegen die großen Klimasünder rechtlich vorzugehen. Immerhin habe das Gericht entschieden, dass Shell die Menschenrechte achten müsse.
Deutsche Umwelthilfe klagt gegen Mercedes und BMW
In Deutschland gehen Klimaklagen zuweilen einen juristischen Parcours durch mehrere Instanzen. Bislang blieben klare positive Urteile im Sinne des Klimaschutzes aus.
Am weitesten hat es bislang die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geschafft. Von ihr laufen Klagen gegen den Autohersteller BMW und den Stuttgarter Autobauer Mercedes-Benz. "Wegen deren Absicht, viel zu lange Autos mit Verbrenner-Motor zu verkaufen", sagt DUH-Chef Jürgen Resch dem SWR. Er will dadurch erreichen, dass die Gerichte entscheiden, ob sich nicht auch große Industrieunternehmen nach dem Pariser Klimabeschluss richten müssen.
Der Sieg von Umweltschützern gegen Shell in erster Instanz im Jahr 2021 habe ihn angespornt, so etwas auch in Deutschland umzusetzen, so Resch weiter. Die öffentliche und politische Diskussion sei sehr hilfreich gewesen.
Dass Shell jetzt im Berufungsprozess gewonnen hat, kann Signalwirkung haben. Die Klimaklagen gegen BMW und Mercedes liegen zur Entscheidung beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
Nach Shell-Urteil: Revision erwartet
Zudem wird das Shell-Urteil bei den gerade gestarteten UN-Klimaverhandlungen in Baku (Aserbaidschan) diskutiert werden. Spannend ist auch zu beobachten, wie sich der Börsenwert von Shell nun entwickelt. Denn eine internationale Studie aus dem letzten Jahr hat analysiert, dass Klimaklagen den betroffenen Unternehmen Kursverluste beschert haben.
Allerdings gilt als sicher, dass der Hauptkläger gegen Shell, die Umweltorganisation Milieudefensie, bei der höchsten Instanz nun in die Revision geht.