Die Jugendhilfe in Rheinland-Pfalz leidet unter Fachkräftemangel und Kostendruck

Fachkräftemangel, Kostendruck, zu wenige Pflegefamilien

Zum Weltkindertag: Jugendhilfe in Rheinland-Pfalz überlastet oder kaputtgespart?

Viele Jugendämter der 37 Städte und Landkreise in Rheinland-Pfalz arbeiten schon seit Jahren am Limit. Hier erfahren Sie, wie es aktuell um die Jugendhilfe im Land steht.

Die Fachkräfte der 37 Jugendämter und vier Schwerpunktjugendämter in Rheinland-Pfalz kümmern sich um etwa 35.000 Kinder und Jugendliche. Viele von ihnen leben rund um die Uhr in Wohngruppen oder in Pflegefamilien. Dabei spitzt sich die Lage immer weiter zu. Denn: Es gibt immer mehr Minderjährige, die betreut werden müssen. Und auch die Probleme, unter denen die Kinder und Jugendlichen leiden, werden vielfältiger.

Dazu kommt der Mangel an pädagogischen Fachkräften in den Einrichtungen und an Pflegefamilien. Vor allem aber fehlt es den klammen Kommunen in der Jugendhilfe an Geld.

Fachkräftemangel: "Kinderheime" müssen Gruppen schließen

Den Fachkräftemangel in den Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz bekommen die Jugendämter deutlich zu spüren. So wird es immer schwieriger, Kinder und Jugendliche etwa in Wohngruppen in der Nähe unterzubringen, vor allem kurzfristig und in Notfällen. Das berichtet beispielsweise das Jugendamt im Rhein-Pfalz-Kreis. Es komme immer häufiger vor, dass Einrichtungen in ganz Deutschland belegt seien. In einem Fall habe ein Jugendamtsmitarbeiter mehr als 150 Einrichtungen angerufen, um ein Kind unterzubringen. Auch aus dem Jugendamt in Frankenthal heißt es: "Es gibt einen großen Mangel an Betreuungskräften. Gruppen können nicht voll belegt werden oder Plätze gehen verloren. Den Fachkräftemangel spüren wir auf allen Ebenen."

SOS-Kinderdorf Pfalz kann keine Kinder mehr aufnehmen

Und die Leiterin des SOS-Kinderdorfs Pfalz, Irene Jennes, muss Anfragen von Jugendämtern aus ganz Deutschland eine Absage erteilen: "Uns ist schon lange bewusst, dass wir auf Dauer die Zahl an Plätzen nicht mehr zur Verfügung stellen können, weil wir einen so eklatanten Fachkräftemangel haben, dass wir die Gruppen nicht aufrechterhalten können. So können wir keine Plätze zur Verfügung stellen und deswegen müssen die Jugendämter so wahnsinnig viele Versuche unternehmen, bis sie einen Platz für ein Kind finden.“

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Gestiegene Anforderungen: Jugendamtsmitarbeiter überlastet

Auch in vielen Jugendämtern im Land ist die Personaldecke dünn, gerade bei den pädagogischen Fachkräften im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD). Einige Jugendämter wie etwa im Rhein-Lahn-Kreis, klagen über freie Stellen, die sie lange nicht wieder besetzen können. Und in vielen Ämtern häufen sich die Ausfälle wegen Krankheit. Außerdem verlassen immer mehr Beschäftigte schon nach recht kurzer Zeit das Jugendamt wieder. All das sind Zeichen dafür, dass die Jugendamtsmitarbeiter überlastet sind.

In manchen Jugendämtern ist die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die ein Mitarbeiter betreuen muss, viel zu hoch. Uwe Becker, Leiter des Kreisjugendamts Bad Kreuznach, drückt es so aus: "Alle sechs Monate ein Hilfeplan-Gespräch mit dem Kind (wie vom Gesetz vorgesehen) ist angesichts der Fallbelastung unrealistisch." Gleichzeitig berichten alle Jugendämter, dass die Problemlagen in den Familien deutlich schwieriger und komplexer geworden sind. Es gebe deutlich mehr psychische Auffälligkeiten und herausforderndes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen, heißt es etwa aus Speyer und dem Kreis Kaiserslautern.

Alle sechs Monate ein Hilfeplan-Gespräch mit dem Kind (wie vom Gesetz vorgesehen) ist angesichts der Fallbelastung unrealistisch.

Die Personalknappheit hat auch Folgen für vorbeugende Hilfen, wie die aufsuchende Familienhilfe. Und damit für die Arbeit, die verhindern hilft, das Kindern aus ihren Familien müssen. Der zuständige Bereichsleiter im Kreis Kaiserslautern, Thorsten Haferanke, bringt es so auf den Punkt: "Priorität hat der Kinderschutz, das bedeutet, die Abstriche werden zuerst bei der Prävention gemacht. Der Bereich leidet als erstes unter dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern.“

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Pflegefamilien in Rheinland-Pfalz händeringend gesucht

Sehr viele Kinder und Jugendliche sind in Rheinland-Pfalz in Pflegefamilien untergebracht. In vielen Kommunen sind es etwa die Hälfte. Dabei suchen die meisten Jugendämter im Land händeringend nach Pflegefamilien. Aus dem Landkreis Bernkastel-Wittlich heißt es etwa: "Die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich ist ständig auf der Suche nach engagierten Menschen, die hilfebedürftigen Kindern und Jugendlichen ein Zuhause, Halt und ein offenes Herz schenken."

Zwar passt nicht jedes Kind in eine Pflegefamilie, je nachdem, welche Unterstützung es braucht. Für die Psyche vieler Kinder sei es aber besser, wenn es in einer Familie ein neues Zuhause finden kann, sagt etwa der Leiter aus des Jugendamts in Neustadt an der Weinstraße, Alf Bettinger. Auch die Kosten mögen hier eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Denn während eine Pflegefamilie für ein Kind aktuell zwischen 1.200 und 1.500 Euro bekommt, muss die Kommune für den Platz in einer Wohngruppe etwa 5.000 Euro zahlen.

Pflegefamilien klagen über mangelnde Unterstützung

Nach Angaben des Landesverbands der Pflege- und Adoptivfamilien gibt es aktuell in Rheinland-Pfalz etwa 4.000 Pflegefamilien. Benötigt würden aber etwa 6.000. Als Hauptgrund, warum immer weniger Familien bereit seien, ein Pflegekind aufzunehmen, nennt der Landesverband die oft geringe Wertschätzung der Familien. So würden Jugendämter in Rheinland-Pfalz beispielsweise seit Jahren die Empfehlung des Pflegeverbands und auch des Landesjugendamts, das Pflegegeld anzuheben, erst Monate später umsetzen. Zudem vermissten viele Pflegefamilien eine gute Begleitung durch meist überlastete Jugendamtsmitarbeiter und eine Begegnung auf Augenhöhe mit den Familien.

Die Jugendämter sprechen immer von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Ich habe es noch nicht erlebt. Ich warte auch immer, dass mal ein Jugendamt sich an uns wendet und fragt, was braucht ihr denn?

Städte und Landkreise bleiben auf Kosten sitzen

Die Kosten in der Jugendhilfe steigen seit Jahren, aber die Zuschüsse vom Land bleiben gleich. Das hat zur Folge, dass die verschuldeten Städte und Landkreise in Rheinland-Pfalz in ihren Haushalten immer mehr Geld für die Jugendhilfe als Pflichtaufgabe einplanen müssen und dann auf Millionenbeträgen sitzen bleiben. Geld, das dann für freiwillige Leistungen wie für Bibliotheken, Schwimmbäder und Vereine fehlt.

In Neustadt an der Weinstraße hat das Land einst 25 Prozent der Kosten übernommen. Inzwischen sind es unter acht Prozent. Ähnlich sieht es im Landkreis Germersheim aus. Einzige Ausnahme: Die Kosten für die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten werden zu 100 Prozent von Land und Bund übernommen. Dennoch belastet auch das die Kommen zusätzlich mit Personalkosten, vor allem die drei Landkreise Bad Dürkheim, Germersheim und Südliche Weinstraße sowie die Städte Neustadt, Speyer und Landau. Denn weil die Schwerpunktjugendämter überlastet sind, müssen sie seit September 2023 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge direkt nach ihrer Einreise aufnehmen und unterbringen. Bei den anderen Kommunen übernehmen das noch die Schwerpunktjugendämter.

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Es braucht ein echtes politisches Interesse an unseren Kindern und Jugendlichen als schwächste Mitglieder unserer Gesellschaft.

Was aber auch deutlich wird: Viele Fachkräfte in den Jugendämtern, Einrichtungen, und Vereinen arbeiten mit Herzblut mit den Familien und Kindern. Ihr Wohl steht für sie an oberster Stelle. Und sie sorgen so dafür, dass auch das Jugendamt für die Familien an Schrecken verloren hat. "Kinder und Jugendliche wenden sich immer wieder direkt an uns, wenn sie Hilfe brauchen", sagt die Leiterin des Kreisjugendamtes in Germersheim, Denise Hartmann-Mohr. Sie wünscht sich für die Zukunft vor allem eines: Dass die Jugendämter vom Land nicht alleine gelassen werden.

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