Das Meerfelder Maar. Eigentlich beginnt dort jetzt die Badesaison. Doch wegen giftiger Blaualgen im Maar wurde ein Badeverbot verhängt.  (Foto: SWR, Anna-Carina Blessmann)

International gefragte Forschung in der Eifel

Eifelmaare zeigen: Die Klimaerwärmung könnte schneller passieren als gedacht

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Anna-Carina Blessmann
Anna-Carina Blessmann am Mikrofon (Foto: SWR)

Die Eifelmaare gelten als Klimaarchive. Neueste Forschungen dort zeigen: Die weltweiten Temperaturen könnten sehr viel schneller sehr viel höher steigen, als wir dachten.

Sie bieten im Sommer Abkühlung und Badespaß, sind Naherholungs- und Naturschutzgebiete und Zeugen nicht nur der vulkanischen Geschichte: Die Maare in der Eifel sind Alleskönner und vor allem für die Forschung nützlich.

Denn sie gelten als Landschafts- und Klimaarchive, an denen sich Veränderungen des Klimas über Jahrtausende auf das Jahr genau ablesen lassen. Prof. Dr. Achim Brauer vom Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam tut genau das, zum Beispiel, indem er im Boden des Meerfelder Maars bohrt.

Was im ersten Moment nach Wühlen in Dreck und Schlamm eines Sees klingt, liefert tatsächlich hochaktuelle Erkenntnisse zum Klimawandel, der im Moment stattfindet: Das Klima könnte sich nämlich schneller und stärker erwärmen, als gedacht.

Ablagerungen per Strohhalm fördern

Um das herauszufinden, haben Brauer und seine Kollegen eine Plattform im See verankert. Von dort aus werden zwei Meter lange sogenannte Kernrohre mithilfe von Gewichten in den Boden getrieben: "Sie werden also nicht hineingedreht, sondern wie bei einem Strohhalm, den man in Sand steckt, in den Boden des Sees gesteckt."

Die Forscher nehmen ihre Proben von einer Bohrplattform aus, wie sie hier im Meerfelder Maar verankert wurde. (Foto: Achim Brauer)
Die Forscher nehmen ihre Proben von einer Bohrplattform aus, wie sie hier im Meerfelder Maar verankert wurde.

In den Bohrkernen lassen sich dann Lagen entdecken, nur einen halben bis zwei Millimeter dick, sagt Brauer: "Jedes Frühjahr ist eine Lage von abgetragenem Material, das durch die Schneeschmelze ins Maar gelangt ist. Im Winter, wenn der See zugefroren war, hat man eine Ablagerung von feinen Tonteilchen. Im Frühjahr bilden Algen eine Schicht."

"Wie bei Jahresringen von Bäumen haben die Maare Jahresschichten. Selbst wenn wir 10.000 Jahre in die Vergangenheit schauen - dafür müssen wir etwa zwölf Meter tief bohren - können wir einzelne Jahre und sogar einzelne Jahreszeiten unterscheiden."

Aus der Beschaffenheit der Sedimente lassen sich die Temperaturen vor 10.000 Jahren ablesen. Und weil die einzelnen Jahre so gut zu unterscheiden sind, können die Forscher folglich auch unter dem Mikroskop abzählen, wie lange es gedauert hat, bis sich das Klima verändert hat.

Wie bei Jahresringen von Bäumen lassen sich in diesen Sedimentschichten aus den Eifeler Maaren unter dem Mikroskop einzelne Jahre und sogar Jahreszeiten ablesen. (Foto: Achim Brauer)
Wie bei Jahresringen von Bäumen lassen sich in diesen Sedimentschichten aus den Eifeler Maaren unter dem Mikroskop einzelne Jahre und sogar Jahreszeiten ablesen.

Erstaunliche und unerwartete Erkenntnisse über den Klimawandel

Das Meerfelder Maar sei besonders geeignet, den Übergang von der letzten Eiszeit in die Warmzeit vor etwa 10.000 Jahren abzulesen. Deshalb haben sich Brauer und seine Kollegen in den letzten 20 bis 30 Jahren darauf konzentriert: "Diese Zeit interessiert uns besonders, weil das ein Beispiel ist für eine schnelle Erwärmung."

Eine der wichtigsten Erkenntnisse seiner Forschung ist nämlich: Am Ende der letzten Eiszeit ist es nicht allmählich ein bisschen wärmer geworden. "Sondern es gab ganz plötzliche Veränderungen oder Schwankungen. Wir sprechen in unserer Region von einer Erwärmung von vier bis fünf Grad."

"Solche Klimaschwankungen laufen also häufig nicht allmählich ab, sondern ganz plötzlich. Diese Erkenntnis war doch erstaunlich, das haben wir so nicht erwartet."

Diese Veränderungen seien innerhalb von zehn bis zwanzig Jahren aufgetaucht – betrachtet man die Erdgeschichte von mehreren Milliarden Jahren, ist das also mehr als rasend schnell. Die Schlussfolgerung daraus ist: Auch in der Gegenwart ist es möglich, dass sich das Klima sehr viel rasanter verändert als bisher gedacht. Und es könnte nicht erst, wie kürzlich vom Deutschen Wetterdienst prognostiziert, in knapp hundert Jahren um vier Grad wärmer werden.

12.000 Jahre im Mikroskop sehen

Denn mehr noch als vor 10.000 Jahren stören wir Menschen jetzt das System empfindlich, sagt Brauer: "Wenn wir wissen, dass es schon unter natürlichen Bedingungen solche schnellen und abrupten Veränderungen geben kann, macht das den Klimawandel natürlich noch bedenklicher. Es kann tatsächlich sein, dass es innerhalb von 15 Jahren eine massive Veränderung der Temperaturen gibt."

Prof. Dr. Achim Brauer aus Potsdam führt unter anderem am Meerfelder Maar international gefragte Forschungen durch. (Foto: SWR, Anna-Carina Blessmann)
Prof. Dr. Achim Brauer aus Potsdam führt unter anderem am Meerfelder Maar international gefragte Forschungen durch.

Und was ein weiteres Problem ist: Diese "Kipppunkte", wie Brauer sie nennt, die plötzlichen Veränderungen im Klima, sind noch nicht wirklich erforscht, man verstehe sie noch nicht. Im Licht dieser Erkenntnisse wirkt der aktuelle Klimawandel noch dramatischer, findet Brauer. Er stelle sich manchmal vor, er hätte in der Zeit vor 12.000 Jahren gelebt und nicht gewusst, was in den nächsten 20 Jahren passiert.

"Ich als Forscher weiß aber, was in diesen 20 Jahren passieren kann. Und das ist dann schon bedenklich, wenn man sich heute fragt: Wer weiß, was in den nächsten 20 Jahren kommen wird."

Mit Forschung gegen den Klimawandel

Ob es tatsächlich auch in der Gegenwart zu einem so schnellen Wandel kommen kann, weiß Brauer nicht, weil er die Gründe für die schnelle Klimaerwärmung vor 10.000 Jahren noch nicht genau kennt. Aber dass es den Klimawandel gibt, ist ohnehin unstrittig und nichts Neues, sagt er. Er möchte das Thema daher nicht zu sehr von der menschlichen Seite betrachten, denn dann würde er sich zu sehr Sorgen darüber machen, in welcher Welt seine Kinder in Zukunft leben müssen.

"Ich verstehe manchmal nicht, warum nicht gehandelt wird. Wir müssen unsere Eingriffe in Natur und Klimasystem minimieren. Diese einfache Erkenntnis umzusetzen, wäre der erste Schritt. Und damit wäre schon viel gewonnen."

Er betrachtet den Klimawandel daher lieber aus seiner Perspektive als Forscher. Und seine Forschungen sind nicht nur für die Eifel bedeutsam: Zuletzt hätten Kollegen aus England Proben aus seinen Bohrkernen genommen: "Wenn irgendjemand eine neue Methode entwickelt, kommt man gerne auf diese Sedimente zurück, weil sie eben so gut datiert sind."

In Zukunft wollen er und andere Forscher die Erkenntnisse aus den Maaren mit Eiskernen aus Grönland, wo die Klimaerwärmung noch schneller voranschreitet, vergleichen. Um weiter dem Geheimnis des Klimwandels auf die Spur zu kommen.

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