Kinderarzt

Alltagsstress und kinderärztlicher Notdienst

Viele Kinderärzte in der Region Trier an Belastungsgrenze

Stand
Autor/in
Andrea Meisberger
Andrea Meisberger: Multimediale Reporterin SWR Studio Trier

Täglich sind die Wartezimmer bei vielen Kinderärzten in der Region Trier voll. Das Problem könnte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen.

Dicht an dicht sitzen schnupfende und fiebernde Kinder. Sprechstundenhilfen eilen umher, versuchen den Andrang an kleinen Patienten irgendwie zu bewältigen. Kinderärztinnen und -ärzte rennen von Sprechstundenzimmer zu Sprechstundenzimmer. Auch die Wartezeiten sind lang.

Hierbei handelt es sich um keine frei erfundene Situation, sondern um Erfahrungen, die Katharina aus Ehrang schon oft gemacht hat, wenn sie mit ihren beiden Kindern beim Arzt war.

Kinderärzte
Katharina hat zwei Kinder, mit denen sie gerade in den vergangenen Monaten oft zum Kinderarzt musste.

Krankheitswelle als großes Problem

Dass die Wartezimmer voll sind und die Wartezeiten lang, bestätigen auch viele Kinder- und Jugendärzte in der Region Trier. Das liegt nach Ansicht der Ärzte vor allem an der Krankheitswelle, die seit Herbst vergangenen Jahres im Gang ist. "Ich habe noch nie erlebt, dass so viele Kinder auf einmal krank waren", sagt der Kinder- und Jugendarzt Dr. Johannes von Lorentz aus Trier. Hinzu käme, dass die Kinder nun quasi alle Krankheiten nachholen würden, die sie während der Corona-Pandemie nicht hatten.

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Dadurch fehle dann auch oft die Zeit, sich mit den Kindern ausreichend auseinanderzusetzen. Den eigenen Ansprüchen werde man kaum noch gerecht. "Es ist schwierig, besonders Kindern mit Mehrbedarf genügend Zeit einzuräumen", sagt von Lorentz. Überstunden seien mittlerweile normal geworden. Und das gehe auch zu Lasten des Teams.

"Es ist schwierig, besonders Kindern mit Mehrbedarf genügend Zeit einzuräumen."

Nachfrage nach Kinderärzten gestiegen

Die Nachfrage nach Kinderärzten sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen, sagt der Kinder- und Jugendarzt Dr. Stephan Güntzer. Er ist Obmann der Kinderärzte in der Region Trier. Das heißt, er ist der engste Kontakt zur Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV) und der Politik.

Kinderärzte
Kinder- und Jugendarzt Dr. Stephan Güntzer ist Obmann der Kinderärzte in der Region Trier. Er vertritt die Kinder- und Jugendärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung und der Politik.

Seiner Ansicht nach hänge das auch damit zusammen, dass Eltern aus ihrem Umfeld verunsichert würden, besonders in den Kindertagesstätten. Da würden die Kinder sofort nach Hause geschickt, wenn ein Kind auch nur die Nase hochzieht. Ohne Bescheinigung vom Arzt dürften sie dann oft nicht mehr in die Kita.

Kinderarztstellen in Eifel und Hunsrück unbesetzt

Ob es in der Region Trier ausreichend Kinderärzte gibt, darüber sind sich die Ärztinnen und Ärzte uneinig. Während manche eher der Auffassung sind, dass die Lage kritisch sei, sieht das Güntzer beispielsweise anders. Es seien im Vergleich zu den Fachärzten in der Erwachsenenmedizin ausreichend Ärzte da.

Dass teilweise Ärzte fehlen, bestätigen die Aufzeichnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV). Im Eifelkreis Bitburg-Prüm sind zwei Kinder- und Jugendarztstellen unbesetzt. Im Kreis Birkenfeld sind es 1,5 Stellen. Deutlich besser sieht es in den Kreisen Trier-Saarburg und Bernkastel-Wittlich, im Vulkaneifelkreis und der Stadt Trier aus. Dort sind demnach alle Kinderarztstellen besetzt.

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Kinderärztliche Versorgungslage wird sich verschärfen

Güntzer ist sich jedoch sicher, dass sich das Problem in den kommenden Jahren deutlich verschärfen wird. Viele seiner Kollegen würden demnächst in Rente gehen. Einen Nachfolger zu finden, sei selbst in der Stadt ein Problem, auf dem Land sei es noch schlimmer. Daraus ergebe sich dann das Problem, die Patienten unterzubekommen. "Die Belastung für die übrig gebliebenen Ärzte wird deutlich höher werden", so Güntzer.

Die Rahmenbedingungen für niedergelassene Ärzte seien deutlich schlechter geworden. Besonders für Frauen, die eine Familiengründung planen, sei eine ärztliche Niederlassung unattraktiv, so Güntzer.

Gesundheitsministerium beteuert zu handeln

Das Gesundheitsministerium versichert auf SWR-Anfrage, dass es "diese Herausforderung bereits seit vielen Jahren im Blick hat". Dazu sei ein Maßnahmenkatalog erarbeitet worden. So würden beispielsweise Ärztinnen und Ärzte, die sich auf dem Land ansiedeln, gefördert. Auch die Anzahl der Medizinstudienplätze sei um 15 Prozent auf 450 pro Jahr erhöht worden. Diese seien auch alle belegt.

Das Ministerium weist aber auch darauf hin, dass die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz sei. Die KV wiederum sagt, dass die dafür nötigen Rahmenbedingungen des Landes nicht ausreichend sind.

Drei Stunden Wartezeit beim kinderärztlichen Notdienst

Auch Katharina hat bei ihren Kindern die Welle mit sämtlichen Krankheiten mitgemacht. Da sei es auch nicht ausgeblieben, dass sie am Wochenende zum kinderärztlichen Notdienst musste. Auch da habe sich sehr deutlich gezeigt, wie überbelastet die Kinderärzte seien, sagt sie. "Vor der Tür lagen kranke Kinder auf dem Boden und haben mit ihren Eltern gewartet." Die Sprechstundenhilfe sagte, die Wartezeit betrage zwei bis drei Stunden.

"Vor der Tür lagen kranke Kinder auf dem Boden und haben mit ihren Eltern gewartet."

Weit mehr als 80 Kinder behandelt beispielsweise Kinder- und Jugendärztin Dr. Barbara Schwering aus Schweich an einem Bereitschaftssamstag. Güntzer spricht von mehr als 100 Kindern am Tag. "Die saßen auf dem Flur und haben sich bis zur Treppe gestapelt", beschreibt Kinderarzt von Lorentz die Situation in seiner Praxis am Wochenende.

"Die saßen auf dem Flur und haben sich bis zur Treppe gestapelt."

Mehr Bereitschaftsdienste würden Situation verschärfen

Mehr Bereitschaftsdienste am Wochenende festzulegen, sei nicht der richtige Lösungsansatz, sagt der Kinder- und Jugendarzt Dr. Michael Collet. Er kümmert sich um die Verteilung der Bereitschaftsdienste am Wochenende. Die Belastung für die Ärzte wäre viel zu hoch, würde man einen zusätzlichen Dienst am Wochenende einführen. "Es ist ein Unterschied, ob ich fünf Bereitschaftsdienste habe oder sieben bis acht", so der Arzt.

"Es ist ein Unterschied, ob ich fünf Bereitschaftsdienste habe oder sieben bis acht."

Hoffnung auf Entspannung im Sommer

Güntzer und auch viele andere Kinderärzte hoffen, dass sich die Situation im Frühling und Sommer entspannen wird. Denn dann sei es wärmer. So sei es auch vor Corona gewesen.