Ein Stethoskop und Kinderspielzeug liegen in einer Kinderarztpraxis auf einem Tisch. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen)

Überlastete Praxen, leere Klassenzimmer

Virus-Erkrankungen in BW: Das rät ein Kinderarzt den besorgten Eltern

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Jonathan Hadem
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Gruppen- und Klassenräume leeren sich. Wartezimmer füllen sich. Die derzeitige Krankheitswelle erwischt besonders Kinder, aber ab wann ist der Praxis-Besuch eigentlich ein Muss?

Husten, Schnupfen, Hals- oder Kopfweh - vor allem Atemwegserkrankungen sorgen gerade für einen großen Ansturm in den Kinderarztpraxen. Auch viele Kinderkliniken im Südwesten klagen schon seit Wochen und Monaten, dass sie am Anschlag arbeiten. Till Reckert ist Sprecher des Landesverbands der Kinder- und Jugendärzte Baden-Württemberg. Er hat selbst eine Kinderarzt-Praxis in Reutlingen, aus der er berichten kann. Er macht im SWR-Interview klar: Er lässt niemanden im Wartezimmer sitzen, nur um eine formale Krankschreibung fürs Kind zu bekommen.

SWR Aktuell: Wie überfüllt ist das Wartezimmer zurzeit in ihrer Praxis?

Till Reckert: Das tatsächlich sehr voll. Wir haben so viele Fälle - das habe ich seit 15 Jahren nicht erlebt. Da ist ganz wichtig, dass man die banalen Erkrankungen von den ernsten Sachen trennen kann. Bei Schnupfen und Husten ist das Wichtigste immer: Wie ist die Atmung durch den Mund, wenn man gerade nicht hustet? Ruhig oder irgendwie angestrengt? Dann muss ich kommen - ist es ruhig, habe ich im Prinzip Zeit.

SWR Aktuell: Was heißt "angestrengte Atmung" genau?

Reckert: Wenn man das Kind tief ein- und ausatmen lässt und dabei das Ohr vor den offenen Mund dieses Kindes hält, hört man Nebengeräusche - vielleicht ein feines Bizzeln, das so klingt wie Sprudeln im Glas - das ist eben ein Hinweis darauf, dass es doch besser wäre, man kommt in die Praxis. Das gilt insbesondere dann, wenn die Atmung angestrengt wird, wenn man den Brustkorb anguckt. Ich rate meinen Eltern grundsätzlich immer, dass, wenn sie das elterliche Bauchgefühl haben, dass sie gehen müssten, dass sie dann auch kommen sollen.

"Ich erlebe schon, dass Eltern lernen können, die lästigen Situationen von den gefährlichen Situationen Atemwegsinfekten zu unterscheiden."

SWR Aktuell: Für Erwachsene gilt die Krankschreibung am Telefon noch bis Ende März. Bei Kindern gilt das nicht - die müssen auch fiebernd in die Praxis geschleppt werden, wenn die Eltern eine Krankschreibung für die Arbeit brauchen. Finden Sie das sinnvoll oder müsste man da eigentlich auch ein bisschen Erleichterung schaffen?

Reckert: Das ist überhaupt nicht sinnvoll, wenn man das so macht. Und wir machen es auch nicht so. Ich bespreche die "Kinder-Frei-Tage" auch am Telefon bei Patienten, die ich kenne. Diese Tage sind ja limitiert. Sie sind ein bisschen großzügiger gehandhabt als vor der Corona-Pandemie. Das ist gut und richtig so, weil die Kinder müssen krank sein dürfen. Sie müssen zuhause bleiben dürfen, wenn sie krank sind. Eigentlich noch einen Tag länger, dass sie erst dann wieder in die Gemeinschaftseinrichtung gehen, wenn sie so gesund waren, dass man abends sagt: Mensch heute hätte das Kind gehen können. Vorher nicht, sonst gibt es solche "Drehtür-Situationen" - die sind stressig für alle Beteiligten.

SWR Aktuell: Viele Eltern haben Angst, sich zurzeit mit ihren Kindern in ein überfülltes Wartezimmer reinzusetzen, weil Viren und Bakterien überall rumschwirren. Ist die Gefahr groß, dass man da vielleicht doch noch obendrauf irgendetwas mitnimmt?

Reckert: Natürlich. Das kann passieren. Deswegen ist zum Beispiel ein absolutes "No-Go", wenn Kindergärten die Gesundschreibung eines Kindes verlangen. Dass ich ein Kind untersuche, um festzustellen, dass es nicht mehr ansteckend ist - das ist in den allermeisten Fällen überhaupt nicht sinnvoll.

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