"Als ich die ersten Male hier vorbeigefahren bin, hab ich gedacht: Boah, was ist das denn Tolles?", erzählt Claudia Warda. Sie ist vor drei Jahren aus Köln nach Niederbettingen gezogen, weil sie die Vulkaneifel schön und lebenswert findet. Damals ist sie auch zum ersten Mal in Gerolstein durch die Sarresdorfer Straße gefahren.
Dort, kurz vor modernen Supermärkten und anderen Geschäften, bietet sich ein ungewöhnlicher Anblick: Neben einem Steinhaus stehen rund um einen kleinen Hof zwei Fachwerkhäuser und etwas, was vermutlich mal eine Stallung war. Der perfekte Ort für Feste, findet Warda: "Es ist einfach anheimelnd und kuschelig."
Umso trauriger machte es sie, als sie aus dem Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde erfuhr, dass diese Häuser abgerissen werden sollen: "Wir haben nicht mehr so viele alte Gebäude. Natürlich kann man ins Freilichtmuseum gehen, aber als Spaziergänger geht man kaum noch an so etwas vorbei."
Häuser sollen Wohnheim weichen
Noch bis Mitte März werden die Pläne für das Grundstück an der Sarresdorfer Straße offengelegt. Demnach will der Verein Lebenshilfe Kreisvereinigung Daun dort eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung bauen. Dazu muss laut Plan unter anderem festgesetzt werden, dass es sich bei dem Grundstück nicht mehr um ein "Sondergebiet Museum" handelt.
Außerdem seien die beiden historischen Fachwerkhäuser nicht zu sanieren und müssten daher niedergelegt - also abgerissen - werden. Der rheinland-pfälzische Denkmalschutz war demnach sogar in einer früheren Phase der Planung involviert.
Er hatte archäologische Grabungen auf dem Grundstück durchführen lassen. Inzwischen habe er das Gelände für die Baumaßnahmen freigegeben. Warum hat der Denkmalschutz aber keine Einwände, dass die Fachwerkhäuser abgerissen werden?
Fachwerkhäuser sind gar keine Denkmäler
Weil die Fachwerkhäuser überhaupt keine Denkmäler mehr sind, sagt Markus Kowall von der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises Vulkaneifel: "Die Häuser stammen aus der Eifel und hatten an der jeweiligen Stelle keine Perspektive. Sie waren dem Verfall preisgegeben. Sie sind nach einem umfangreichen Abwägungsprozess aus dem Denkmalschutz entlassen worden."
Die Häuser sind nämlich gar nicht in Gerolstein gebaut worden. Sie sind zwar historisch, stehen aber erst seit etwa zehn Jahren an der Sarresdorfer Straße. Ursprünglich standen sie in Demerath und Retterath und waren auch denkmalgeschützt.
Um den Status als Denkmal zu erhalten, mussten die Häuser einige Kriterien erfüllen, sagt Kowall: "Der Begriff des Denkmals ist dadurch definiert, dass es sich um ein Zeugnis insbesondere des künstlerischen und handwerklichen Wirkens vergangener Epochen handelt. Das wurde an diesen Häusern nicht mehr gesehen."
Die Häuser waren, als sie noch in ihren Eifeldörfern standen, so verfallen, dass sie schon damals aus dem Denkmalschutz herausgefallen sind. Der damalige Besitzer des Grundstücks an der Sarresdorfer Straße, der auch das Kreisheimatmuseum in dem Steinhaus betrieben hat, hatte sie nach Gerolstein gebracht, um darin unter anderem ein Café zu betreiben.
Denn, sagt Kowall, der Nachteil von Fachwerkhäusern ist, dass sie schnell verfallen. Der Vorteil sei, dass man sie ab- und an anderer Stelle wieder aufbauen kann: "In das Konzept des Voreigentümers passten die historischen Häuser natürlich sehr gut rein. In das Konzept des neuen Eigentümers passen sie nicht." Kowall sagt, seine Behörde hatte schon mehrfach Anfragen wegen des Missverständnisses, die Häuser stünden unter Denkmalschutz und sollten trotzdem abgerissen werden.
Lebenshilfe kann Fachwerkhäuser nicht sanieren
Auch Alfred Haas, Vorsitzender der Lebenshilfe Daun als neuer Eigentümerin des Grundstücks, sagt, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht: "Das Grundstück hat einer Familie gehört, die mehrere historische Gebäude in der Region besitzt. Das Ehepaar ist aber in einem hohen Alter und wollte sich von dem Projekt in Gerolstein trennen." Schon seit einigen Jahren wird hier kein Museum mehr betrieben.
Das Grundstück an die Lebenshilfe zu verkaufen, sei für die Vorbesitzer die erste Wahl gewesen. Denn hier soll eine inklusive Wohnanlage mit Freizeitangeboten entstehen. Deshalb ist auch der Standort so wichtig, sagt Haas, dem die Lebenshilfe eine Herzensangelegenheit ist: Menschen, die dort wohnen, sollen schnell in die Stadt und die Geschäfte kommen und so Inklusion leben können.
Man habe auch versucht, die Fachwerkhäuser zu erhalten, und daher mit Handwerkern und Ingenieuren gesprochen und sogar Arbeiten an einem Dach durchgeführt: "Aber das Geld hätten wir uns sparen können. In den Tragbalken ist der Wurm drin. Alles ist zusammengeflickt. Verwitterung und Verfall sind teilweise unvorstellbar. Das hat keinen Sinn." Es sei für die Lebenshilfe wirtschaftlich nicht machbar, das Fachwerk zu sanieren.
Bedeutendes Pfarrhaus bleibt erhalten
Was tatsächlich unter Denkmalschutz steht, das bestätigt auch die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, ist das ehemalige Pfarrhaus auf dem Grundstück aus der Zeit um 1550.
Also das Steinhaus, das zuletzt als Heimatmuseum genutzt wurde, sagt Markus Kowall: "Es wird als Keimzelle des Ortsteils angesehen. Im hinteren Bereich wurden bei Ausgrabungen mittelalterliche Bauten gefunden." Die Lebenshilfe kann das Haus nutzen und es energetisch sanieren, muss es aber zumindest in der äußeren Hülle erhalten.
Lebenshilfe und Denkmalschutz arbeiten dabei zusammen. Das Schicksal der Fachwerkhäuser ist aber besiegelt, sagt Kowall: "Die Häuser, die einem viel dörflicheren Kontext entstammen, haben da nichts verloren. Wir haben sie zwar gerne gesehen. Aber das Denkmalschutzgesetz unterscheidet hier klar. Da können wir zwar ein Stück weit für kämpfen, aber wir haben keine gesetzliche Handhabe."
Ideen für Fortbestand der Häuser
"Kann man da nicht noch etwas machen?", fragt sich Anwohnerin Claudia Warda trotzdem: "Das Projekt an sich ist natürlich super, es geht ja nicht darum, dass hier nicht das Wohnheim gebaut werden soll. Aber trotzdem sollte man nicht so schnöde mit alten Bauten umgehen, denn das ist unsere Vergangenheit."
Ihr sei klar, dass man rein rechtlich nichts mehr ändern könne: "Aber der emotionale Wert liegt ja auf der Hand, das sieht doch ganz bezaubernd aus. Es kommt ganz viel Historie rüber." Ihr schwebt vor, dass jemand, der solche historischen Häuser sammelt, es aufkaufen und bei sich aufstellen könnte.
Oder dass Lehrstühle für Architektur Interesse haben könnten, ihren Studierenden das Fachwerk am Beispiel der Häuser beizubringen: "Wenn das einsturzgefährdet ist, muss man natürlich sehr viel Geld reinstecken, das ist mir auch klar. Da müsste man anderweitig nach Investoren suchen."
Alle Seiten für Angebote offen
Grundsätzlich wäre es möglich, die Häuser nochmals ab- und woanders wieder aufzubauen, wenn jemand das auf sich nimmt, sagt auch Markus Kowall von der Denkmalschutzbehörde. Immerhin: Vertreter der Historischen Wassermühle in Birgel, auf deren Grundstück auch Fachwerkhäuser stehen, sagten auf SWR-Anfrage, dass von ihrer Seite aus zumindest Interesse an den Häusern aus Gerolstein besteht.
Dafür müssten aber die Rahmenbedingungen geklärt werden. Auch die Lebenshilfe ist definitiv offen für Angebote, sagt Alfred Haas. Derzeit hat sie die Kosten für den Abriss der Häuser schon in ihrem Etat eingeplant. Ob das Geld womöglich dafür verwendet werden könnte, die Häuser doch abzutransportieren, sodass sie erhalten bleiben können, wird die Zukunft zeigen.