Einsam und isoliert

In Mainz verwahrlosen immer mehr ältere Menschen

Stand
Autor/in
Damaris Diener
Sarina Fischer

Sie leben alleine und bekommen den Alltag oft nicht mehr geregelt: Immer mehr ältere Menschen haben mit sozialen Problemen zu kämpfen. Das fällt oft erst bei einem Krankenhausaufenthalt auf.

In Mainz leben Frauen und Männer, die kaum noch in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen oder sich Hilfe zu organisieren. Mit solchen überwiegend älteren Menschen hat Katja Hofmann immer häufiger zu tun. Sie leitet den Sozialdienst im Marienhaus Klinikum Mainz. "Wir haben immer mehr Fälle, in denen zum medizinischen Aspekt eine Versorgungsproblematik hinzukommt", sagt sie.

Ältere Menschen oft sozial isoliert

Die Palette der sozialen Probleme dieser Patientinnen und Patienten sei groß: "Sie leben sozial isoliert, sind vereinsamt und verwahrlost, haben keine Unterstützung durch Angehörige, selbst Alltagstätigkeiten wie Einkaufen und Körperpflege schaffen sie nicht mehr allein", erzählt Katja Hofmann. Dadurch seien sie auch gesundheitlich nicht gut versorgt, manchmal auch mangelernährt. "Einige zeigen auch psychische Auffälligkeiten oder leiden an Abhängigkeitskrankheiten. Viele sind einfach in einem schlechten Allgemeinzustand, wenn sie zu uns kommen."

"Wir hatten schon den Fall, dass Socken mit den Füßen verwachsen waren."

Die Zahl solcher verwahrlosten Patientinnen und Patienten sei in den letzten Jahren spürbar angestiegen. Und das betreffe bereits Menschen im Alter von 60 bis 70 Jahren, sagt Hofmann. "Mittlerweile haben wir mindestens einmal pro Woche einen neuen Fall, also etwa vier oder fünf im Monat." Und das sei vergleichsweise viel.

Viele haben keine Kinder

Die Gründe für diesen Anstieg seien vielfältig. Wegen des demografischen Wandels gebe es immer mehr alte Menschen und immer mehr von ihnen hätten keine Kinder. "Oder die Kinder sind berufstätig, wohnen weit weg und haben kaum noch Zeit für ihre Eltern", sagt Katja Hofmann. "Manche sind auch überfordert, sehen sich nicht in der Verantwortung oder haben schlichtweg aufgegeben, sich zu kümmern."

Hinzu komme, dass viele - sowohl die älteren Menschen als auch ihre Angehörigen - nicht wüssten, wo und wie sie externe Unterstützung überhaupt bekommen und beantragen könnten. Es gebe auch bürokratische Hürden und manchmal Sprachbarrieren. Und dann komme noch hinzu, dass sich manche Menschen die Pflege-Maßnahmen schlichtweg nicht mehr leisten könnten.

Einsamer durch Corona

Auch die Corona-Pandemie spiele wahrscheinlich eine Rolle. Die soziale Isolation habe ganz besonders älteren Menschen geschadet, die sowieso schon darunter litten.

"Die Menschen waren in der Corona-Pandemie noch einsamer, noch isolierter und der Zugang zu Unterstützung war wesentlich erschwert."

Auch in der Mainzer Universitätsmedizin hat die Problematik vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen, bestätigt Sprecherin Barbara Reinke. Oft seien ein Sturz oder ein Infekt Auslöser dafür, dass ältere Menschen vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht werden müssten. Und dort werde dann eben festgestellt, dass sie pflegebedürftig seien.

Entlassung nach Hause oft nicht mehr möglich

"Diese Leute können wir häufig ohne Hilfe nicht mehr einfach so zurück nach Hause lassen", erklärt Katja Hofmann vom Marienhaus Klinikum. Das koste die Klinik nicht nur viel Geld, sondern sei auch mit einem enormen Aufwand für den Sozialdienst verbunden. "Wir müssen sehr viele Gespräche führen und viel organisieren, um einen Pflegeplatz oder eine sonstige Betreuung für die Menschen zu finden." Hinzu kämen die ganzen Formalitäten wie zum Beispiel die Kostenübernahme und die Anträgen für den Pflegegrad, die soziale Leistungen und die Reha-Maßnahmen.

Ähnlich kompliziert ist die Lage in der Mainzer Universitätsmedizin. Die anschließende Nach-Versorgung sei eine sehr große Herausforderung, da es nur wenige Pflegeheimplätze gebe und sich meist auch kurzfristig kein ambulanter Pflegedienst organisieren lasse, sagt Barbara Reinke.

Lage könnte sich verschlechtern

Bis ein Pflegeplatz gefunden und eine Entlassung der Patientinnen und Patienten möglich sei, brauche es jeweils einige Tage oder sogar mehrere Wochen, berichtet Katja Hofmann vom Marienhaus Klinikum in Mainz. Das belaste die Mitarbeitenden sehr und mache zusätzliche Arbeit zum ohnehin vollen Pensum. Sie befürchtet, dass das Problem in Zukunft noch schlimmer werden könnte.

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Damaris Diener
Sarina Fischer