Wer schon mal einen Antrag bei einem Amt stellen musste, der weiß, dass das eine ganz schöne Herausforderung sein kann. Allein schon die bürokratische Sprache zu verstehen, kann ein kaum lösbares Problem sein. Wie muss es da erst denjenigen gehen, die deutsch ohnehin nicht so gut lesen können oder generell Schwierigkeiten mit dem Lesen haben.
Zweimal pro Woche Sprechstunde für Sinti und Roma in Bad Kreuznach
So geht es zum Beispiel vielen der Tausenden von Sinti und Roma in Deutschland. Rund 200 von ihnen leben in Bad Kreuznach und dort haben sie jetzt seit Kurzem eine eigene Beratungsstelle – die erste in ganz Rheinland-Pfalz.
Jeden Freitag und Samstag bieten Peter Loritz, Christine Zintz und weitere Kollegen vom Landesrat Deutscher Sinti und Roma in Rheinland-Pfalz Hilfe, Tipps und Rat in fast allen Lebenslagen an. Häufig geht es um finanzielle Fragen oder um Probleme bei der Wohnungssuche. Nach wie vor erleben Sinti und Roma dabei Diskriminierung, auch wenn sie nicht immer offen daherkommt.
Sinti und Roma bekommen schwerer Wohnungen
So berichtet Christine Zintz von einer jungen Frau, die in Mainz eine passende Wohnung gefunden hatte. Der Vermieter hatte ihr schon zugesagt, wollte dann aber doch noch wissen, woher sie eigentlich komme. "Aus Deutschland", reichte dem Mann als Auskunft nicht, er bohrte weiter nach, bis die Sintiza schließlich ihre Volksgruppe nannte.
Sie verabschiedeten sich und nur 30 Minuten später kam die Absage. Zur Begründung sagte der Vermieter nur, er habe die Wohnung jemand anderem vermietet. Solche Geschichten hören sie immer wieder, sagt Christine Zintz.
Vorurteile über "faule Zigeuner" bei der Ausbildungssuche
Ein anderes Beispiel ist die Suche nach einem Ausbildungsplatz. Immer wieder erleben junge Sinti und Roma dabei Vorbehalte. Womöglich sei das Klischee vom "faulen Zigeuner" doch noch in vielen Köpfen verankert, vermutet Christine Zintz.
Da helfe es sehr, wenn die Jugendlichen einen Fürsprecher hätten. Wenn sie selbst mitgehe, etwa zu Bewerbungsgesprächen, seien die Betriebe eher bereit, es trotz ihrer Bedenken wenigstens zu versuchen.
Behördendeutsch lässt Menschen verzweifeln
Daneben sind es vor allem Anträge, die die Menschen verzweifeln lassen, berichtet Peter Loritz. Häufig geht es in seinen Beratungen um Bürgergeld, Mietschulden oder andere Themen, bei denen offizielle Formulare ausgefüllt werden müssen. Und immer wieder hört er dann Sätze wie: "Ich weiß gar nicht, was ich da reinschreiben soll," oder "Was soll ich denn da ankreuzen?"
Manchmal reiche es schon aus, den Leuten die richtige Stelle zu zeigen oder ihnen kurz zu erklären, welche einfachen Dinge sich oft hinter komplizierten Begriffen im Behördendeutsch verbergen. Die Menschen seien dann meist sehr erleichtert und dankbar, sagt Peter Loritz.
Früher Sinti und Roma im eigenen Wohnzimmer beraten
Loritz bietet Beratungen für Sinti und Roma eigentlich schon seit Jahren an. Nur, dass sie früher in seinem eigenen Wohnzimmer stattgefunden haben. Der Bad Kreuznacher ist deshalb sehr froh über die neuen Räumlichkeiten im zag-Stadtteilbüro in der historischen Neustadt. Die habe die Stadt sehr unkompliziert und schnell zur Verfügung gestellt.
Die Initiative dafür kam vom Landesrat Deutscher Sinti und Roma in Rheinland-Pfalz. Dessen Vorsitzender Django Heinrich Reinhardt hatte sich bei der Suche nach Räumlichkeiten an den Bad Kreuznacher Oberbürgermeister Emmanuel Letz (FDP) gewandt und war dort sofort auf offene Ohren gestoßen. Reinhardt hofft, dass der Landesrat bald noch in anderen rheinland-pfälzischen Städten solche Beratungsstellen anbieten kann - etwa in Mainz oder Worms. Die Nähe sei wichtig, um die Menschen unkompliziert zu erreichen.
Neben Rechten auch über Pflichten aufklären
Im Gespräch mit dem SWR betont Reinhardt auch, was ihm bei den Beratungen noch am Herzen liegt: die Sinti und Roma neben ihren Rechten auch über ihre Pflichten aufzuklären. Manch einem sei nicht so klar, dass die deutsche Staatsbürgerschaft eben auch Verpflichtungen mit sich bringe, die verbindlich seien.
Das bestätigen auch die Beraterinnen und Berater in Bad Kreuznach. Obwohl die meisten Sinti und Roma mittlerweile sesshaft seien, hätten viele noch das romantische Freiheitsgefühl, das früher mit dem Umherziehen verbunden gewesen sei, sagt Christine Zintz.
Gerade die Älteren müssten manchmal noch überzeugt werden, wie wichtig es beispielsweise sei, dass Kinder regelmäßig in die Schule gingen. Dann müsse man ihnen vor Augen halten, dass das der einzige Weg sei, damit die Kinder später einmal einen soliden Beruf erlernen könnten. Denn eine gute Zukunft für ihre Kinder wollten natürlich alle.