Als erstes sollte am Donnerstag das Opfer vor dem Landgericht zu Wort kommen, ein 59-jähriger Automatenaufsteller. Im Januar war ihm in Lustadt (Kreis Germersheim), als er um Mitternacht heimkam, aufgelauert worden: Ein Unbekannter griff ihn in der Dunkelheit an, stach mehrmals auf ihn ein, in die Arme, die Hände und ins Gesicht. Von der Nasenwurzel führt heute eine Narbe bis unters linke Auge. Wie es ihm denn nun gehe, wollte der Richter wissen. Der Mann - eher klein, Steppjacke, Kragen hochgeschlagen - verkrampfte kurz im Zeugenstand; und fing dann stumm an zu weinen.
Opfer leidet noch immer
Damit habe er eigentlich schon die Antwort gegeben, so der Richter. Später berichtet der Mann dann doch; dass er bis heute mehrere Schmerzmittel nehme, dass er in der einen Hand keine Kraft mehr habe, nicht mal einen Schlüssel umdrehen könne. "Es ist nicht eine Minute lang gut."
Der Angeklagte, 25 Jahre alt, hellblaues Hemd, sitzt keine drei Meter entfernt. Er hält den Kopf gesenkt, während das Opfer berichtet. Es ist schwer zu sagen, ob er die Augen niedergeschlagen hat oder ob er sie geschlossen hält.
Sitzt die Drahtzieherin in der Familie des Opfers?
Die große Frage ist, welches Motiv hinter der Tat stecken könnte. Beide Männer sind einander vor diesem Abend im Januar offenbar nie begegnet. Aber: Je weiter die Befragung des Opfers voranschreitet, desto mehr erwächst der Eindruck, dass der Richter, der sämtliche Vernehmungen der letzten Monate kennt, auf etwas Bestimmtes hinaus will, möglicherweise sogar eine Theorie hat. Auffällig lang hält er sich bei den Familienverhältnissen des Opfers auf und kehrt auch später immer wieder dorthin zurück.
Angeklagter lässt Bombe platzen
Es ist schließlich der Angeklagte, der dem Rätselraten nach über zwei Stunden ein Ende setzt: Er habe die Tat begangen, lässt er über seinen Anwalt verlauten. Und dann platzt die Bombe: Er sei mit der Ziehtochter des Opfers befreundet und sie habe ihm immer wieder erzählt, der Mann sei ein Zuhälter und Vergewaltiger. Die Tat tue ihm sehr leid. Das Opfer räumte ein, dass er nach der Tat keinen Kontakt mehr zu seiner Ziehtochter gehabt habe, dass er sich schon gefragt habe, warum sie ihn nicht im Krankenhaus besucht habe. Ja, sie hätten Streit gehabt, es sei um Geld gegangen.
Die Entschuldigung wolle er nicht annehmen. Nie mehr solle ihm der Mann unter die Augen kommen. "Das dürfte sich leicht erfüllen lassen." so der Richter.
Ziehtochter weist alle Vorwürfe von sich
Die Ziehtochter war ebenfalls als Zeugin geladen. Die Verteidigung berichtet, sie habe alle Vorwürfe bestritten. Warum das Verhältnis zu ihrem Ziehvater so abgekühlt sei, habe sie nicht sagen wollen. Allerdings sei sie in Begleitung eines Anwalts im Gericht erschienen.