Die IHK Pfalz in Ludwigshafen (Foto: IHK Pfalz/Lotz)

Industrie sehr besorgt

IHK Pfalz: Gas-Alarmstufe Thema bei Vollversammlung

Stand

Die Warnstufe im Notfallplan Gas treibt die Wirtschaft in der Pfalz um. Das wurde am Donnerstag bei der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz deutlich.

Vertreter der Industrieunternehmen und Energieversorger begrüßten den Aufruf von Bundeswirtschaftsminister Habeck zum Gassparen. Aber sie blickten auch mit Sorge in die Zukunft: Der bei der Vollversammlung wiedergewählte Präsident der IHK-Pfalz, Albrecht Hornbach, sagte vor den Deligierten, ein Importstopp von russischer Energie könne einen konjunkturellen Abwärtsstrudel auslösen. Oberstes Gebot der Politik sei es nun, die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren.

Dieser Appell richtete sich wohl auch an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die zur Vollversammlung angereist war. Dreyer sagte dem SWR, die Versorgungslage sei zwar gesichert, aber die Preise würden steigen und das bringe Unternehmen und auch Geringverdiener in Bedrängnis. Man müsse jetzt dringend Energie sparen.

Ludwigshafen

Weniger Gas aus Russland Wie Unternehmen in der Pfalz Gas sparen wollen

Weil Russland zurzeit weniger Gas liefert, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Industrie aufgefordert, weniger zu verbrauchen. Ist das für die Pfälzer Industrie möglich?

BASF Werksleiter: Bundesregierung war zu zögerlich

Der Werksleiter der BASF, Uwe Liebelt, sagte, das Unternehmen könne kaum Gas sparen, es gebe kaum Ausweichmöglichkeiten auf Produkte, die Gas ersetzen könnten. So könne der Normalverbrauch des Chemiekonzerns zu etwa fünf bis zehn Prozent durch Öl ersetzt werden. Allerdings brauche BASF, über einen längeren Zeitraum gesehen, sehr große Mengen an Öl und auch die seien auf dem Markt nur begrenzt verfügbar.

Unabhängig vom Chemiekonzern sei es wichtig, die Kohlekraftwerke wieder schnellstmöglich ans Netz zu bringen, so Liebelt.

"Wir sollten Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung nutzen. Wir sollten das schnellstens tun."

Hier kritisiert der Werksleiter die Bundesregierung: Diese habe seiner Ansicht nach viel zu zögerlich auf die drohenden Lieferengpässe beim Erdgas aus Russland reagiert. "Wir hätten die Kohlekraftwerke schon viel früher ans Netz bringen können, um die Gaskraftwerke, die ausschließlich der Stromerzeugung dienen vom Netz zu nehmen und damit Gas einzusparen", sagte Liebelt dem SWR.

Ein Teil einer Fabrikanlage der BASF in der Dämmerung. Der Konzern rutscht wegen der hohen Energiepreise in Deutschland in die roten Zahlen. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
BASF Hauptsitz in Ludwigshafen: Wenn der Gaspreis explodiert, müssten möglicherweise Anlagen aus Kostengründen runtergefahren werden.

BASF: Anlagen müssen womöglich runter gefahren werden

Der Aufruf zum Energiesparen sei jetzt unausweichlich und wichtig gewesen. Dabei habe die Bundesregierung die Gasversorger mit 15 Milliarden Euro ausgestattet, um Gas zu kaufen und die Speicher zu füllen. Die Folge: Der Preis für Erdgas werde weiter stark steigen.

Es sei fraglich, wie sehr BASF und andere Industrieunternehmen die Preissteigerungen beim Gas an ihre Kunden weitergeben könnten, so Liebelt. Denn es sei zu erwarten, dass die jetzt noch hohe Nachfrage nach BASF- und anderen Produkten sinken werde. Außerdem rechnet Liebelt damit, dass die weltweiten Engpässe bei den Transport- und Lieferketten sich entspannen werden.

Konkret könnte das nach Liebelts Einschätzung heißen: Die Industrieunternehmen werden sich auf Wochen- oder sogar Tagesbasis überlegen: "Welche Anlage ist bei diesen Gaspreisen noch lohnenswert zu betreiben? Wo habe ich genug Nachfrage? Wo macht es mehr Sinn, die Anlage nicht zu betreiben?"

BASF Ludwigshafen: Gaspreis fünfmal höher als in Nordamerika

Schon jetzt habe die Industrie in Deutschland und Europa gegenüber Asien und Nordamerika einen riesigen Wettbewerbsnachteil. Der BASF-Werksleiter macht das an einem Beispiel deutlich: Aktuell koste in Deutschland Erdgas 135 Euro pro Megawattstunde, in den USA seien es etwa 25 Euro. "Wir zahlen hier in Europa fünfmal mehr für Erdgas. Das bedeutet natürlich, dass sämtliche Wertschöpfungsketten, die Erdgas-abhängig sind, einen Riesennachteil haben gegenüber Wertschöpfungsketten in Nordamerika", sagte Liebelt.

In geringem Umfang könne der Chemiekonzern seine Produktion schon jetzt an Standorte außerhalb Europas verlagern. Aber das könne ja nicht die Lösung sein, dass Europa immer mehr darauf setze, Produkte aus dem Ausland zu importieren, so Liebelt und weiter: "Wir müssen jetzt Schritte einleiten, damit wir wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise hier in Europa bekommen."

Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei "über Jahre verschlafen worden" und könne nicht in so kurzer Zeit den Energiebedarf decken. "Wir müssen hier schneller werden", fordert der BASF-Werksleiter.

Pfalzwerke Ludwigshafen - Hauptverwaltung (Foto: Pfalzwerke)
Die Hauptverwaltung der Pfalzwerke in Ludwigshafen: Zum Gassparen braucht es Kohle zur Stromerzeugung.

Pfalzwerke: Ausgesprochen schwierige Lage

"Wir sind in einer ausgesprochen schwierigen Situation und für diese Situation gibt es keine Blaupause", so die Einschätzung von Paul Anfang, Technischer Vorstand des Energieversorgers Pfalzwerke in Ludwigshafen. Es gebe aktuell viele Annahmen. Eines aber stehe fest: "Wenn die Entwicklung so fortschreitet, werden wir im Winter ein großes Problem bekommen."

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"Wenn die Entwicklung so fortschreitet, werden wir im Winter ein großes Problem bekommen."

Die Konsequenz: "Wir müssen Gas sparen!"

Auch der Pfalzwerke-Vorstand sieht im Hochfahren der Kohlekraftwerke für die Stromproduktion eine Möglichkeit, Gas zu sparen. Das sei zwar nicht nachhaltig, aber es gehe jetzt erstmal darum, die Versorgung der Industrie und der privaten Haushalte sicher zu stellen.

Dass den Haushalten der Gashahn abgedreht wird, wenn das Erdgas noch knapper wird, ist nach Einschätzung von Paul Anfang auszuschließen. Anders sieht es bei der Industrie aus: "Ich könnte mir schon vorstellen, wenn sich die Situation weiter verschärft, dass bestimmte Industrien abgeschaltet bzw. reduziert werden müssen."

"Wir hoffen das natürlich alle nicht", sagte Anfang dem SWR, aber bei der Industrie sei natürlich Einiges an Gaseinsparungen zu holen, bei kleinen Privatkunden sei das dagegen schwierig.

BASF-Werksleiter: Besorgter Blick in die Zukunft

Werksleiter Liebelt macht sich beim Blick in die Zukunft große Sorgen: "Wenn ich nach vorne blicke, sehe ich eine nachlassende Nachfrage. Ich sehe Zinsängste, ich sehe Inflation und ich sehe Refinanzierungsprobleme bei Unternehmen, aber auch bei Privatkunden."

Das alles zusammen in einen Topf geworfen, ergebe schon eine ordentlich giftige Mischung, so Liebelt. Die zentrale Frage sei: Gelingt es, schnell genug Schritte einzuleiten, um die Auswirkungen abzumildern?

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