Kinderschutzdienste am Limit

Mehr Kinder in der Pfalz brauchen Hilfe wegen Gewalt

Stand

Von Autor/in Ulrike Brandt

Mehr Fälle, zu wenig Personal: Die Stellen, die sich um Kinder kümmern wegen sexueller, körperlicher oder seelischer Gewalt, arbeiten am Anschlag. Sie brauchen mehr Geld.

"Wir spüren hier noch immer die Spätfolgen der Corona-Pandemie", sagt Kyra Pachner vom Kinderschutzbund "Blauer Elefant" in Landau. "Die Belastungen nach Corona haben zugenommen", sagt Marlen Bauer vom Caritas-Zentrum in Speyer. Beide bieten in ihren Einrichtungen einen Kinderschutzdienst an und beide bestätigen: Zu viele Fälle treffen auf zu wenig Personal.

Kyra Pachner ist die Geschäftsführerin vom Kinderschutzbund Landau
Kyra Pachner vom Landauer Kinderschutzbund schlägt Alarm: "Die Fälle nehmen zu."

Der Kinderschutzdienst hilft, wenn Kinder sexuelle, körperliche oder seelische Gewalt erleben. Doch im Dezember musste der Kinderschutzbund in Landau die Notbremse ziehen. Seitdem gibt es einen Aufnahmestopp.

Aufnahmestopp beim Kinderschutzbund Landau

Fünf bis zehn neue Anfragen pro Woche - das sind zu viele für das Team. Zwei volle Stellen gibt es dort, verteilt auf mehrere Teilzeitkräfte.

Wir müssen priorisieren und überlegen, wer braucht die Hilfe am dringendsten. Dabei brauchen ja alle Hilfe.

"Akute Notfälle nehmen wir. Es gibt dann ein Erstgespräch, aber eine kontinuierliche Beratung können wir nicht anbieten", sagt Kyra Pachner. Das sei frustrierend für die Kinder und Familien, die sich trauten, Hilfe zu suchen, und auch für die Mitarbeitenden: "Wir müssen priorisieren und überlegen, wer braucht die Hilfe am dringendsten. Dabei brauchen ja alle Hilfe."

Caritas Speyer: Fälle werden weiter steigen

Im Caritas-Zentrum in Speyer, wo man sich um den Kinderschutzdienst in Speyer, im Rhein-Pfalz-Kreis und in Frankenthal kümmert, gibt es keinen Aufnahmestopp. Allerdings: "Wir überlegen uns schon, wie wir damit umgehen, wenn die Fälle weiter steigen", sagt Leiterin Marlen Bauer.

Und dass die Fälle von Kindern, die Hilfe vom Kinderschutzdienst brauchen, weiter ansteigen, da ist sich Bauer sicher. Zum Beispiel gebe es einen Zuwachs an häuslicher Gewalt zwischen den Eltern, was dann auch die Kinder belaste. Mehr Kitas und Schulen meldeten sich wegen verhaltensauffälliger Kinder: "So äußert sich das bei den Kindern, wenn Zuhause etwas nicht stimmt."

Familien sind höher belastet als früher, dann sinkt die Frustrationstoleranz.

Familien unter Druck

Und warum ist das so? Generell laste auf Familien ein großer Druck. "Wir erleben immer mehr komplexe Fälle", sagt die Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Pachner.

In der Corona-Pandemie hätten sich die Kinder nicht in sozialen Gruppen erproben können. Die Eltern mussten vieles auffangen, das wirke noch immer nach. Auch Marlen Bauer von der Caritas sagt: "Familien sind höher belastet als früher, dann sinkt die Frustrationstoleranz".

Zu wenig Personal und Geld, um Kindern zu helfen

Dazu kommt: Es gibt zu wenig Personal. Das fehle nicht nur beim Kinderschutzbund, sondern auch in anderen Beratungsstellen, in Schulen und Kitas, stellt Pachner fest.

Ein Kind liegt mit verschränkten Armen auf dem Tisch
Mehr Kinder brauchen Hilfe wegen sexueller, körperlicher oder seelischer Gewalt.

Dass die Anfragen beim Kinderschutzbund in Landau ansteigen, liegt auch daran, dass der Verein aktiv für seine Angebote geworben hat. "Ab dem 12. Lebensjahr dürfen Kinder ohne ihre Eltern eine Beratung in Anspruch nehmen", erklärt Pachner. Darauf habe man mit einem Plakatwettbewerb an Schulen in Landau und im Kreis Südliche Weinstraße aufmerksam gemacht. Deswegen hätten sich auch mehr Jugendliche gemeldet beim Kinderschutzbund.

Kinder sind unsere Zukunft - wir müssen dringend einen Blick auf sie werfen!

Woher soll das Geld kommen für Kinder in Not?

Was helfen würde? Mehr Geld natürlich. Wobei Pachner direkt sagt, das müsse vom Bund kommen: "Der Bund müsste den Kommunen mehr Steuergelder bereitstellen für die Bereiche Soziales, Kinder und Jugendliche." Das sei dringend nötig, denn die Kinder seien unsere Zukunft.

Was sehr gut laufe, das sei die Zusammenarbeit mit der Stadt Landau, dem Kreis Südliche Weinstraße, dem Land und anderen Beratungsstellen.

Ein Bedarf über die jetzigen Angebote hinaus ist sicherlich überall da, bei jeder Beratungsstelle.

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Aufnahmestopp beim Kinderschutzdienst soll im Februar enden

Einen Sack Geld, der vom Himmel fällt, den bräuchte auch das Caritas-Zentrum in Speyer. Denn klar ist: "Es sind nicht mehr Mittel da, eine finanzielle Aufstockung ist nicht möglich", sagt Marlen Bauer von der Caritas. Mehr Geld für Personal und für Präventionsarbeit, das wünscht sich die Einrichtungsleiterin.

Bei der Caritas hat das Team des Kinderschutzdienstes Sorgen, dass die Qualität leidet, wenn die Fälle weiter ansteigen. Beim Kinderschutzbund in Landau soll der Aufnahmestopp im Februar aufgehoben werden - dann können wieder Kinder dauerhaft betreut werden, die sexuelle, körperliche oder seelische Gewalt erleben.

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