Stottern - in Deutschland sind 830.000 Menschen betroffen (Foto: SWR)

"Welttag des Stotterns"

Mann überwindet Stottern mit Therapie im Westerwald

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AUTOR/IN
Andrea Kaltheier

Nico Michel litt Jahre unter seinem Stottern. Inzwischen spricht der 22-Jährige fast störungsfrei. Geholfen hat ihm eine Sprachtherapie in Bad Marienberg - und weil er rappte.

Drei Wochen lang hat Nico Michel, der in Wiesbaden lebt und in Mainz studiert, eine Intensiv-Sprachtherapie gegen sein Stottern gemacht - in der logopädischen Praxis von Sonja-Marie Schütz und ihrer Mutter Sabine Schütz in Bad Marienberg im Westerwald.

Jetzt im Frühjahr war es soweit - endlich. Denn jahrelang hat der junge Mann dafür gekämpft, diese Therapie machen zu können. "Ich kam mit dem Stottern einfach nicht mehr klar, ich lebte total zurückgezogen und ich habe immer wieder festgestellt, dass die Leute weniger mit meinem Stottern klar kamen als ich selbst, deshalb war diese Therapie die letzte Option für mich", erzählt Nico Michel seine Geschichte im Interview.

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Stotternde Menschen lernen neue Sprechweise

Sein Stottern hört man dabei nicht mehr, sein Sprechen klingt melodisch. Doch auch das wird Nico Michel nach und nach ablegen, sagt Sonja-Marie Schütz. "Noch ist Nico in der Nachsorge der Therapie. Dort hat er in den drei Wochen eine neue Sprechweise erlernt, die das Stottern verhindert. Man lernt dabei Töne, die verhindern sollen, dass die Stimmbänder verkrampfen", erklärt die Sprachtherapeutin die Intensiv-Stottertherapie - die sogenannte D.E.L.P.H.I.N.-Therapie.

Sie habe in den letzten Jahren mehr als 1.000 Betroffene aller Altersgruppen vom Stottern befreit, sagt Sonja-Marie Schütz. Ihre Mutter Sabine Schütz hat die Therapie vor mehr als 30 Jahren entwickelt. Von den meisten Krankenkassen wird sie aber nicht bezahlt. Nico Michel unternahm mehrere Anläufe, um seine Wunschtherapie in Bad Marienberg zu bekommen. Andere Therapien halfen ihm nicht.

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Das Stottern hat mich jahrelang gehemmt, ich lebte zurückgezogen - über mein Stottern zu rappen hat mir sehr geholfen.

Schließlich wechselte er seine Krankenkasse. Die neue Kasse, die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, bewilligte die Kosten. Seinen Leidensweg und sein Leben mit dem Stottern hat Nico mit Musik verarbeitet. Unter seinem Künstlernamen "Edge" produziert er Rap-Songs. "Das war mein Ventil, beim Rappen habe ich nicht gestottert und konnte sagen, was ich wollte und das hat mir sehr geholfen".

Eine Frau sitzt an einem Schreibtisch  (Foto: SWR)
Sonja-Marie Schütz behandelt mit ihrer Mutter stotternde Menschen.

Stottern ist nicht heilbar - aber gut behandelbar

Flüssig und offen zu sprechen, das wünschen sich viele der über 800.000 Stotternden in Deutschland, darunter viele Kinder und Jugendliche. Sie kämpfen mit Sprechblockaden, erleben Ausgrenzung und Mobbing - wie bislang Nico Michel.

Stottern ist eine Störung des Sprechablaufs und gilt als nicht heilbar. Aber mit einer Therapie kann man es auch bei Erwachsenen noch gut behandeln. Das sagt auch die Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe in Köln, ein gemeinnütziger Verein, der stotternden Menschen hilft und sie berät. "Es gibt nicht die eine Therapie, die hilft, jeder muss seine eigene finden", sagte eine Vereinssprecherin.

Therapie im Fall Nico Michel erfolgreich

Nico Michel hat seine passende Therapie gefunden und sich vom Stottern befreit. Den Erfolg hat er aber erst zum Ende der Therapie in Bad Marienberg bemerkt: "Ich hatte tatsächlich die ganze Zeit über Angst, dass mein Stottern doch wiederkommt, die Angst davor war permanent da und erst zum Ende der Therapie wurde mir bewusst - das wird was".

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