Betreibergesellschaft ist insolvent

Strom-Boje: Wie geht es weiter mit Vorzeigeprojekt am Mittelrhein?

Stand

Von Autor/in Christina Nover

Seit eineinhalb Jahren produziert eine innovative Strömungsturbine im Rhein bei St. Goar schon Strom. Aber nicht genug, damit es sich lohnt. Jetzt hat der Betreiber Insolvenz angemeldet.

Es ist ein Projekt, auf das interessierte Menschen aus ganz Europa schauen: Die sogenannte Strom-Boje im Mittelrhein bei St. Goar. Sie sollte als erste von 16 geplanten Bojen den Grundstein eines Bojen-Parks bilden, mit dem grüner Strom dank Wasserkraft erzeugt werden soll. Anfang Oktober 2022 wurde die Strömungsturbine ins Wasser gelassen und speist seitdem Strom ins Netz. Doch es gibt Probleme.

Strom-Boje bei St. Goar produziert nicht genügend Strom

Wie der Geschäftsführer der MittelrheinStrom, Norbert Burkart, im Gespräch mit dem SWR berichtet, erreiche die Boje nicht die Leistung, die man sich erhofft habe. Das liege nicht etwa an Treibgut oder ähnlichen Störfaktoren. Laut Burkart handelt es sich um ein "reines Steuerungsproblem", die Technik selbst würde funktionieren. Seit Monaten werde jetzt schon daran getüftelt, das Problem zu beheben, bisher jedoch ohne durchschlagenden Erfolg.

Blick ins Innere der Strom-Boje
Blick in die Strom-Boje, die im Rhein bei St. Goar durch die Strömung im Wasser Energie erzeugt.

Die Herstellerfirma erklärte dagegen auf Anfrage des SWR, dass nicht die Steuerung, sondern der Standort der Boje das eigentliche Problem sei. Die Strom-Boje ist den Angaben zufolge für die Donau entwickelt worden. Dort gebe es aber ganz andere Strömungsgeschwindigkeiten. Ohne die erforderliche Wassermenge könne die Boje gar nicht die erwünschte Leistung bringen.

Betreiber haben viel Geld in Strom-Bojen-Park investiert

Die Betreibergesellschaft MittelrheinStrom hatte nach eigenen Angaben pro Strom-Boje mit etwa 200.000 bis 300.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr gerechnet. Doch die sind nach dem aktuellen Stand - und laut Hersteller vermutlich auch nie - am Standort in St. Goar zu erreichen. Eine herbe Enttäuschung für die Betreiber, die bereits viel Geld in das Projekt investiert haben.

Unter anderem wurde ein Wartungsschiff für die Anlage gebaut. Hohe Kosten entstanden auch durch die Netzanbindung, bei der man laut Geschäftsführer Nobert Burkart erheblich umplanen musste. Insgesamt wurden demnach bereits mehr als eine Million Euro ausgegeben.

Die Strom-Boje hängt an einem Kran über einem Schiff
Die Strom-Boje bei der Verladung im Hafen.

Laufende Ausgaben, aber keine Einnahmen, dazu auch noch ausstehende Zahlungen aus einem Rechtsstreit - wie Norbert Burkart berichtet, fehlt es der Gesellschaft schlichtweg an Liquidität. Die Anmeldung der Insolvenz sei daher unvermeidbar gewesen. Doch das soll nicht das Ende des Strom-Bojen-Parks bedeuten.

Kleinere Strömungsturbine soll am Mittelrhein getestet werden

Da mit der einen Strom-Boje der Standort und damit auch die bereits angelegte Infrastruktur nur zum kleinen Teil genutzt wird, hat die MittelrheinStrom sich dafür entschieden, die Strömungsturbine eines anderen Herstellers zu testen. Diese sei zwar kleiner, aber man könne dafür deutlich mehr Anlagen auf gleicher Fläche ins Wasser legen. Die Turbine könne auch Standorte mit geringerer Tiefe erschließen.

Jede Sekunde, 365 Tage Tage im Jahr, fließt da Energie an uns vorbei - es wäre schade, wenn wir die nicht nutzen könnten.

Der Stadtbürgermeister von St. Goar, Falko Hönisch (SPD), würde sich wünschen, dass das Projekt doch noch zum Erfolg wird. Er befürwortet die Stromgewinnung am Rhein und würde sich eine bessere Lobby für die Wasserkraft wünschen: "Jede Sekunde, 365 Tage Tage im Jahr, fließt da Energie an uns vorbei - es wäre schade, wenn wir die nicht nutzen könnten."

Ist Energiegewinnung aus Wasserkraft konstanter?

Christian Synwoldt, Experte der Energieagentur Rheinland-Pfalz für regenerative Energien, sieht ebenfalls Vorteile der Strömungsturbinen. Zum einen würde man die Anlagen nicht sehen, anders als etwa Windräder. Zum anderen seien die Schwankungen bei der Stromproduktion auch nicht so hoch wie etwa bei der Solar- und Windkraft.

Auch ein Fluss führt mal mehr, mal weniger Wasser.

Aber auch wenn Wasserkraft den Ruf hat, konstantere Leistungen zu erzielen, gibt Synwoldt zu bedenken: "Auch ein Fluss führt mal mehr, mal weniger Wasser". Er verweist dabei etwa auf Dürreperioden mit Niedrigwasser. Daher müsse die Technik der Strömungsturbinen auf die sich ständig verändernden Verhältnisse abgestimmt werden. Eine große Herausforderung.

Auch unabhängig davon hegt Synwoldt Zweifel an der Effizienz von Strömungsturbinen. Im Vergleich zu Wind- und Solarkraft könne sie bei der produzierten Strommenge bei Weitem nicht mithalten. Ein Windrad etwa kann laut Synwoldt - je nach Standort - jährlich 10 bis 20 Millionen Kilowattstunden (kWh) produzieren. Davon bliebe auch ein Park mit einem Dutzend Strom-Bojen aktuell weit entfernt.

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