Nachhaltigkeit

Musterland Bhutan: Grüne Energie aus Wasserkraft

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AUTOR/IN
Anja Steinbuch
Michael Marek
ONLINEFASSUNG
Franziska Ehrenfeld

Bhutan schöpft aus seinen natürlichen Reichtümern. Haupteinnahmequelle ist der Export von grünem Strom aus Wasserkraft. Aber auch der Wald trägt dazu bei, dass das Land weniger CO2 ausstößt, als es aufnimmt.

Mit seinen bis zu 7.500 Meter hohen Bergen, zahlreichen Flüssen, Gletschern und Niederschlägen ist Bhutan wie geschaffen für die Energiegewinnung aus Wasserkraft – ganz ohne Treibhausgase. Fast acht Milliarden Kilowattstunden CO2-freien Strom aus Wasserkraft produziert das Land mit weniger als einer Million Einwohner im Jahr. Zum Vergleich: Die hochindustrialisierte Bundesrepublik schaffte 2019 lediglich 27 Milliarden Kilowattstunden.

Dreiviertel des in Bhutan produzierten Stromes fließen direkt nach Indien – wichtige Exporte, die mehr als 50 Prozent der Staatsausgaben decken. Vor allem müssen die Güter des täglichen Lebens zu fast 90 Prozent importiert werden – vornehmlich aus Indien: jede Bohrmaschine, jeder Stahlträger, jedes Smartphone, alle Arzneimittel, Benzin und jeder Geländewagen. Denn Rohstoffe gibt es hier kaum.

Karte von Bhutan (Foto: Pixabay/Koen One Stop Map)
Bhutan liegt zwischen China und Indien, östlich von Nepal.

Wasserkraft ist für Bhutan überlebenswichtig

Chhewang Rinzin ist der Generaldirektor von Druk Green Power Corporation. Der staatliche Strom-Monopolist ist für den Himalaya-Staat überlebenswichtig. Für das kleine Bhutan ist nachhaltige Energiegewinnung aus Wasserkraft der wichtigste Wirtschaftszweig, sagt er:

Wir können auf keinerlei Ressourcen zurückgreifen – außer auf unseren Wald. Allerdings müssen laut Verfassung 60 Prozent des Landes mit Wald bedeckt bleiben. Unsere einzige nachhaltige Ressource ist Wasserkraft. Für ein so kleines Land wie Bhutan bietet die Energiegewinnung aus Wasserkraft ein enormes Potenzial.

Wasserkraftwerk in Bhutan (Foto: SWR, Michael Marek und Anja Steinbuch)
Einnahmen durch Wasserkraft sind extrem wichtig für das kleine Land.

Knapp 30 Prozent der Staatseinnahmen werden mit Wasserkraft erwirtschaftet. Rinzin weist darauf hin, dass Bhutan sich aufgrund seiner geographischen Gegebenheiten niemals zu einem hochindustrialisierten Land entwickeln wird. Energiegewinnung, Tourismus und ein wenig Export von Agrarprodukten wie Äpfel sind die einzigen Devisenquellen des armen Landes. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2018 laut Weltbank bei nur 3.100 US-Dollar pro Kopf. Zum Vergleich: In Deutschland betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im gleichen Jahr knapp 44.500 US-Dollar.

Alle überschüssige Energie geht nach Indien, mit diesen Einnahmen gleichen wir die Kosten für die vielen Importe aus. Die könnten wir uns sonst gar nicht leisten. Sowohl makro-ökonomisch und sozio-ökonomisch ist der Wasserkraft-Sektor sehr wichtig für Bhutan.

Veränderungen des Energiemarkts könnten zum Problem werden

Wasserkraftwerk in Bhutan (Foto: SWR, Michael Marek und Anja Steinbuch)
Bhutan investiert weiterhin in seine Wasserkraftanlagen. Eine Änderung des Energiemarkts könnte für das Land schwierig werden.

Investieren will man in erster Linie in Vorhaltebecken, mit denen Speichermöglichkeiten geschaffen werden. Damit können Produktionsschwankungen zum Beispiel durch wenig Regen oder fehlende Schneeschmelze abgefedert werden. Bei den bisherigen Kraftwerken handelt es sich um sogenannte Laufwasserkraft, also Kraftwerke ohne gewaltige Staudämme. Je nach Wassermenge fließt der Strom direkt in das heimische Stromnetz oder zum Nachbarn Indien. Kopfzerbrechen bereiten dem CEO von Druk Green Power die Veränderungen auf dem Energiemarkt:

Der Energiemarkt in Indien verändert sich. Derzeit investiert das Land in Solar- und Windenergie. 2030 sollen diese beiden Quellen mehr Strom generieren als herkömmliche Kraftwerke, zu denen auch Kohle- und Atomkraftwerke gehören. In zehn, zwanzig Jahren könnte unsere Wasserkraft nicht mehr konkurrenzfähig sein. 

Auch seinen eigenen Energiebedarf stillt das Land fast ausschließlich mit Wasserkraft. Trotzdem beschweren sich viele Bhutaner über hohe Stromrechnungen. Die Stromkosten verschlingen durchschnittlich etwa 25 Prozent des monatlichen Einkommens.

Bhutan (Foto: IMAGO, imago/robertharding)
Die Strompreise sind für die bhutanische Bevölkerung hoch.

Dezentrale Stromversorgung in ländlichen Gebieten soll Abhilfe schaffen. Bisher werden gerade mal 2.000 Haushalte durch sogenannte Mini-Grids, also eigenständige Stromnetze mit geringer Erzeugung, wie Solar- und Windkraftanlagen vor Ort versorgt. Weitere Gebirgsdörfer sollen zwar folgen, aber derzeit sind Sonnen- und Windenergieanlagen keine Alternativen, weil sie für das arme Bhutan zu teuer sind.

Aber auf eines ist Druk Energy Chef Chhewang Rinzin besonders stolz:

Wir sind sehr froh, dass etwa 99 Prozent der Bhutaner einen Anschluss an das Stromnetz haben.

Bhutan gilt als einziges klimaneutrales Land der Welt

Das Königreich ist Vorreiter, wenn es gilt, natürliche Ressourcen zu bewahren – nicht nur in Asien. Zu diesem Ergebnis kommt der Climate Action Tracker, eine englischsprachige Internetseite, auf der die globale Erwärmung der Erde betrachtet werden kann. Erstellt wurde sie unter anderem von renommierten Instituten wie dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Demnach ergreifen bislang nur acht Staaten – darunter Bhutan – ausreichende Maßnahmen zum Beispiel durch CO2-Reduktion, um die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.

Bhutan (Foto: IMAGO, imago images/robertharding)
Auch die vielen Waldflächen in Bhutan tragen zur Klimaneutralität des Landes bei.

Außerdem gilt das Königreich als einziges klimaneutrales Land der Welt. Und: Bhutan ist nicht nur CO2-neutral, sondern sogar CO2-negativ. Der Wald des Königreiches, der rund 70 Prozent des Landes bedeckt, schlucke dreimal so viel Kohlendioxid wie das Land ausstoße.

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