Roland Fuchs, Ramstein-Überlebender

Interview zur Katastrophe auf der Air Base

Deshalb findet Überlebender Gedenken an Ramsteinunglück so wichtig

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AUTOR/IN
Janina Schreiber
Bild von Janina Schreiber, Redakteurin in der SWR-Umweltredaktion

Für den Spielfilm "Das durchstoßene Herz" diente unter anderem das Schicksal von Roland Fuchs als Vorlage. Er erklärt, warum ein Erinnern an die Katastrophe wichtig ist.

Roland Fuchs war 23 Jahre alt, als er am 28. August 1988 mit seiner fünfjährigen Tochter Nadine und seiner Frau Carmen zum Flugtag nach Ramstein fuhr. Beim letzten Programmpunkt an diesem Tag – dem "durchstoßenen Herz" der italienischen Flugstaffel "Frecce Tricolori" – bahnte sich die junge Familie gerade den Weg durch die Zuschauermasse. Dann wurde sie von den herunterfallenden Wrackteilen getroffen und mit brennendem Kerosin übergossen. Roland Fuchs überlebte, seine Frau starb sofort, seine kleine Tochter später im Krankenhaus. Wir haben mit ihm darüber geredet, warum es wichtig ist, sich immer wieder an diesen Tag zu erinnern.

SWR.de: Herr Fuchs, der Spielfilm ist unter anderem auch von Ihrem Schicksal inspiriert. Sie haben die Produktion teilweise begleitet und die Schauspielenden getroffen. Wie war das für Sie?

Roland Fuchs: Als der Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt und die Produktion mich nach Brüssel eingeladen haben, wo viele Teile des Films gedreht wurden, war ich aufgeregt. Die Produktion des ganzen Films war für mich beeindruckend – zum einen, weil ich erleben konnte, was für ein Aufwand für den Film nötig ist. Zum anderen aber natürlich wegen der Schauspieler. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie sich auf diese Weise in die Rolle hineinleben können. Das Erlebnis war sehr intensiv und ich habe mich sehr verstanden gefühlt mit meinem Schicksal.

SWR.de: Tatsächlich gibt es eine kurze Szene im Spielfilm, in dem Sie neben Ihrem Schauspieler-Ich, Max Hubacher als Robert Müller, zu sehen sind. Das ist am Gedenkstein in der Nähe der Air Base…

Fuchs: Das war im ersten Moment ein bisschen komisch, weil er das sehr authentisch dargestellt hat. Er war da wirklich wie ein Spiegel für mich. Es war, als würde ich mir von außen dabei zusehen, wie ich gerade die Kerze am Gedenkstein abstelle – aber so habe ich mich häufig kurz nach dem Unglück gefühlt. Auch heute noch, deshalb finde ich den Film so wichtig.

SWR.de: Welche Reaktionen löst der Spielfilm in Ihrem Umkreis aus?

Fuchs: Es gibt tatsächlich immer wieder Menschen, die mich fragen: „Muss das sein, nach mehr als 30 Jahren noch so ein Film?“. Das sind allerdings genau die Menschen, die mir damals schon erzählt haben, dass die Zeit alle Wunden heilt. Körperlich leide ich bis heute an meiner Verbrennungskrankheit. Seelisch leide ich durch den Verlust meiner Familie und auch dann, wenn das Erlebte klein geredet wird. Es ist gut, dass es den Film gibt, der auch das seelische Leiden der Betroffenen thematisiert: Posttraumatische Belastungsstörung war in den 80ern ein Tabu.

SWR.de: War dieses Unverständnis auch ein Grund, weshalb sie 2005 Ihre Geschichte auf Ihrer Homepage im Internet veröffentlicht haben?

Fuchs: Genau. Und auch 2005 war das Unglück ja fast schon 20 Jahre her. Trotzdem haben mir die Reaktionen im Gästebuch gezeigt, dass es für Betroffene wie mich wichtig ist, über das Erlebte in Austausch zu kommen. Da hat sich zum Beispiel ein Amerikaner gemeldet, der 1988 in Ramstein dabei war. Wir haben uns dann vor allem nachts ewig lange E-Mails hin und her geschickt und uns so ein bisschen gegenseitig therapiert. Momentan sind im Gästebuch der Seite mehr als 1000 Einträge. Es hilft mir, wenn ich helfen kann. Das sind nicht nur Menschen, die in Ramstein waren. Das sind auch Eltern von Kindern, die gestorben sind, oder Menschen mit anderen schweren Verlusten.

SWR.de: In der Dokumentation der Filmemacher Hans Jakob Rausch und Benjamin Arcioli geht es auch um die fehlende politische Aufarbeitung nach dem Unglück. Inwiefern trifft das auch bei Ihnen einen Punkt?

Fuchs: Es liegt mir fern, konkreten Menschen die Schuld zu geben. Das hätte mir damals nicht geholfen und es hilft mir auch heute nicht. Denn es gibt keine Befriedigung, sondern nur eine Verbitterung. Und wenn ich nun fordern würde: Alle Flugschauen müssen verboten werden, hätte das keine Wirkung. Ich bin damals ja auch hingefahren. Allerdings will ich ernst genommen werden in meinem Schmerz. Auch die Begleitumstände meiner Aufenthalte im Krankenhaus, die ganze Bürokratie, mein veränderter Alltag – vom Verlust meiner Frau und Tochter ganz abgesehen – das war und ist teilweise zermürbend. Deshalb erzähle ich lieber meine Geschichte. Wenn es sein muss immer wieder und wieder. Und dann denken die Menschen vielleicht weiter.

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