Eine Gruppe von Schülern sitzt beisammen. Sie lachen und machen ein Selfie mit dem Handy zusammen im Freien. Was in der Freizeit erlaubt ist, ist auf Klassenfahrten manchmal verboten. Denn bei manch einer Klassenfahrt muss das Handy daheim bleiben. (Foto: IMAGO, IMAGO / agefotostock)

Nützlich oder Störfaktor?

Handys auf Klassenfahrt - nicht immer erwünscht

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AUTOR/IN
Anne Koark

Die einen erachten das Smartphone auf einer Klassenfahrt als Störfaktor, die anderen als nützlich oder sogar dringend notwendig: Wie Lehrerinnen, Schüler und Eltern in Rheinland-Pfalz darüber denken.

Wenn die neuen Fünftklässler des Gymnasiums Traben-Trarbach an der Mosel im September ihre Klassenfahrt machen, bleiben die Handys zu Hause. "Das haben wir durchgesetzt!", sagt Orientierungsstufenleiterin Inga Desch. Drei Tage geht es in ein Hüttenjugenddorf in die Eifel nach Manderscheid. Es ist die erste gemeinsame Klassenfahrt der rund 50 neuen Schülerinnen und Schüler. Sie sollen sich untereinander und ihre Lehrer kennenlernen - durch gemeinsame Aktivitäten, Spiele, Sport.

In der Vergangenheit haben Desch und ihre Kollegen bemerkt: "Wenn die Kinder ihre Handys dabei haben, sitzen sie in den Hütten und sind mit den Handys beschäftigt. Das wollten wir nicht, dann haben wir keine sozialen Interaktionen."

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Ein erster Versuch, etwas dagegen zu unternehmen, bestand darin, die Handys tagsüber einzusammeln und nur abends auszugeben. Das Problem: Nicht alle wollten ihr Handy dann wieder abgeben. Außerdem riefen besorgte Eltern bei den Lehrern an und wunderten sich, wenn sich ihr Kind am Abend nicht gemeldet hatte.

Ohne Handy geht es auf Klassenfahrt auch

Deswegen fiel der Entschluss, dass bei den Fünftklässlern gar keine Handys mehr mitgenommen werden. Zwei solcher Fahrten hat Desch schon erlebt. Ihr Fazit: "Es ist total entspannt." Kinder mit Heimweh dürften mit einem Lehrerhandy zuhause anrufen. Anstatt der Handykamera werde der Schulfotoapparat genutzt. Nur ein Problem gibt es mitunter: die fehlenden Uhren: "Wir rennen mit Trillerpfeife herum und ermuntern die Eltern, alte Armbanduhren wieder auszugraben."

Schulen entwerfen eigene Handyregeln

Weil gesetzlich in Sachen Handys an Schulen nicht viel geregelt ist, haben in Rheinland-Pfalz inzwischen viele Schulen eigene Handyregeln aufgestellt. Am Carl-Bosch-Gymnasium in Ludwigshafen sind sie in der "Smartphone-Nutzungsordnung" zusammengefasst.

Die Handynutzung wird zumindest auf dem Schulgelände liberal gehandhabt, sagt Direktor Ulf Boeckmann. Auf Klassenfahrten werde der Kompromiss gesucht. "Wir wollen nicht, dass die Schüler den ganzen Tag am Handy spielen oder für die Eltern den ganzen Tag erreichbar sind", sagt Boeckmann.

Was mit dem Handy passiert, wird am Carl-Bosch-Gymnasium deswegen auf dem Elternabend zusammen mit den Kindern entschieden. Entweder das Handy bleibt zu Hause oder es wird eingesammelt und darf abends genutzt werden. Diese Absprachen gelten aber nur für die Jüngeren. "Ab Klasse 10 kann man das nicht mehr machen", sagt Boeckmann. In dem Alter sei das Handy viel zu wichtig.

Schülerinnen und Schüler wollen selbst entscheiden

Ab einem gewissen Alter sollte auch die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund stehen, dieser Meinung ist man bei der Landesschüler*innenvertretung Rheinland-Pfalz. Ein generelles Handyverbot lehnen die Mitglieder deshalb ab. "Wir sind der Meinung, dass Schülerinnen und Schüler ab einem gewissen Alter verantwortungsbewusst genug sind, selbst entscheiden zu können, ob sie ein Handy mitnehmen oder nicht", sagt Vorstandsmitglied Colin Haubrich.

Statt sie von Klassenfahrten zu verbannen, solle man die Smartphones lieber sinnvoll einsetzen. Beim Besuch im Museum könne zum Beispiel mit den digitalen Inhalten gearbeitet werden, die viele Einrichtungen inzwischen anbieten.

Das Bild von den ständig am Handy hängenden Kindern und Jugendlichen hält Haubrich für falsch. "Natürlich schaut man auf der Busfahrt mal Netflix, aber man kann sich auch zusammenreißen." Ein generelles Verbot spräche Schülern die Fähigkeit ab, selbst vernünftige Entscheidungen zu treffen. "Das wird uns nicht zugetraut und das ist falsch und nicht fair."

Nicht fair findet Haubrich auch, wenn die Schülerinnen und Schüler in die Entscheidung über die Handynutzung nicht eingebunden werden. Sinnvoll sei es, wenn die Lehrkraft im Vorfeld für das Thema sensibilisiert und vermittelt, dass das Handy mitgenommen werden kann, es aber auch Grenzen gibt. Es gehe schließlich auch um digitale Kompetenzen, sagt Haubrich.

Auf eine klare Kommunikation kommt es an

Cornelia Schwartz ist Vorsitzende des Philologenverbands Rheinland-Pfalz, einem Zusammenschluss von Gymnasiallehrern. Auch sie plädiert für gute Kommunikation vorab. "Je einleuchtender die Regeln und die Begründung der Regeln, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es erst gar nicht zu Verstößen kommt." Soll das Handy zuhause bleiben, kann zum Beispiel auf das "gemeinsame Erleben auf einer Klassenfahrt" verwiesen werden.

Eine allgemeine Regelung für die Handynutzung auf Klassenfahrten hält Schwartz für nicht sinnvoll, vielmehr müssten sich die Beteiligten über mehrere Fragen Gedanken machen: "Gibt es Mobbingvorwürfe in einer Klasse, die sich vielleicht vor allem in den sozialen Medien und damit wohl übers Handy abspielen und weswegen man den Handygebrauch einschränken oder ausschließen sollte? Gibt es das Bedürfnis, mit zu Hause Kontakt aufzunehmen - und daran anschließend unbedingt auch die Frage: Ist das überhaupt sinnvoll oder verstärkt es nur das Heimweh? Macht man eine Stadtrallye, bei der es möglicherweise besser ist, wenn die Kinder für den Notfall das Handy dabeihaben?"

Eine Regelung, die einmal getroffen wurde, sollte aber auch durchgezogen werden, findet Schwartz. Seien die Regeln vorher klar vermittelt worden, könne man eine gewisse Selbstkontrolle der Klasse erwarten: "Wenn es Regelungen gibt, dann wird das von der Klasse auch eingefordert, dass 'Gerechtigkeit' herrscht und nicht derjenige, der schummelt, daran vorbeikommt."

Wenn keine Zeit mehr fürs Smartphone bleibt

Reiner Schladweiler, der Landeselternsprecher von Rheinland-Pfalz, kennt die Diskussion ums Handy aus eigener Erfahrung. Beim Elternabend für die Klassenfahrt seines Sohnes waren unter den Eltern alle Positionen vertreten. Am Ende stand wieder der Kompromiss: Die 15-Jährigen durften ihr Handy mitnehmen und die ganze Zeit behalten. Die Lehrkraft sollte jedoch darauf achten, dass die Handys nur ab und zu mal herausgenommen werden.

Im Notfall sollen aber sowohl Eltern als auch Kinder die Möglichkeit haben, sich gegenseitig anzurufen. Deshalb ist Schladweiler dagegen, das Handy komplett zuhause zu lassen.

"Kinder in diesem Alter können schon Verantwortung übernehmen, bei Grundschülern zum Beispiel muss man natürlich anders vorgehen." Einen Tipp an die Lehrer hat Schladweiler auch: "Ich würde es so steuern, dass die Jugendlichen so beschäftigt sind, dass sie gar keine Zeit fürs Handy haben."

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