Minus- und Strafzinsen sorgen für Frust (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Aus für die Negativzinsen in Sicht

Wann zahlen Banken in RLP wieder Zinsen für mein Geld?

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Susanne Weber

Früher gab es für Geld auf dem Sparbuch Zinsen - das ist schon lang vorbei. Zuletzt musste fürs Ersparte schlimmstenfalls noch Geld an die Bank gezahlt werden. Doch ein Ende scheint in Sicht.

Die niederländische Direktbank ING Deutschland will in wenigen Wochen für fast alle Privatkunden die Strafzinsen aufheben. Das so genannte Verwahrentgelt, wie vor allem die Banken die Negativzinsen nennen, fällt weitgehend weg. Die Freibeträge für Guthaben auf Giro- und Tagesgeld-Konten werden von derzeit 50.000 auf 500.000 Euro je Konto erhöht. Die ING ist mit rund neun Millionen Kunden die größte Direktbank bundesweit.

Noch im September 2021 hatte die ING Kunden mit Kündigung gedroht, sollten sie die Strafzinsen auf ihre Guthaben nicht akzeptieren. Grund für den Kurswechsel: Die ING geht davon aus, dass sie bald selbst nicht mehr dafür zahlen muss, um Kundengelder bei der Europäischen Zentralbank zu "parken".

Die Europäische Zentralbank hat jüngst angedeutet, ihre Geldpolitik zu ändern, um der Inflation entgegenzuwirken. EZB-Chefin Christine Lagarde stellte für den Sommer eine Wende in Aussicht. Konkret heißt das, dass der Leitzins im Juli steigen könnte. Der Rat der EZB berät am 9. Juni das nächste Mal über die künftige Geldpolitik, das anschließende Treffen findet am 21. Juli statt.

Bei geänderter Zinspolitik könnten andere Geldhäuser der ING folgen. Der Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erklärte, der Markt werde auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Wann und in welcher Form würden die Institute vor Ort entscheiden. Auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) verwies darauf, dass jedes Institut über Produkte und Konditionen selbst entscheide.

Mainzer Volksbank folgt der ING

Die Mainzer Volksbank, die größte Volksbank in Rheinland-Pfalz, will als eine der ersten nachziehen. Auf SWR-Anfrage hieß es, "Wir werden ab dem 1. Juli den Freibetrag für Bestandskunden auf 500.000 Euro anheben." Aktuell bestünden in diesem Bereich individuelle Vereinbarungen.

Neukunden müssen allerdings weiterhin ab einem Guthaben von 10.000 Euro ein Verwahrentgelt zahlen. Wann es wieder Zinsen für Kundeneinlagen geben wird, ist allerdings unklar. Man erwarte zunächst ein "Verlassen der Negativzinszone" - also eine Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB).

Auch die Volksbank Hunsrück-Nahe orientiert sich an einer bevorstehenden Entscheidung der EZB.

"Wir gehen davon aus, dass die EZB im Juli reagieren wird. Und wir werden das dann nachvollziehen."

Sein Institut habe aber bislang in der Fläche bei Privatkunden kaum Verwahrentgelte erhoben, so Gregori. Das habe unterhalb der Grenze von 500.000 Euro "keine zwei Handvoll Kunden" betroffen.

Sparkassen: Abhängig von der EZB

Bei der Sparkasse Vorderpfalz wird sich vor einer Entscheidung der EZB wohl vorerst nichts ändern. Die Verwahrentgelt-Vereinbarungen orientierten sich am Zinssatz der EZB. Sollten sich diese ändern, werde man sie entsprechend anpassen, hieß es.

Aktuell gilt bei der Sparkasse Vorderpfalz ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent auf neue Privatkonten. Dabei gilt ein Freibetrag von 60.000 Euro für Eheleute und von 30.000 Euro für Singles. Mit Bestandskunden habe man individuelle Vereinbarungen getroffen, so die Bank.

Die Sparkassen Trier und Koblenz warten ebenfalls auf eine Zinsentscheidung der EZB. Werde dort die Einlagefazilität auf null Prozent angehoben, sei es auch nicht mehr notwendig, die Negativzinsen an die Kunden weiterzugeben.

Derzeit berechnet die Sparkasse Koblenz nach eigenen Angaben Verwahrentgelte nur nach individueller Vereinbarung. Der Freibetrag für Singles liegt demnach bei 50.000 Euro; Eheleute haben einen Freibetrag von 100.000 Euro. Ebenso haben gewerbliche Kunden einen Freibetrag von 100.000 Euro. Bei mittleren und langen Anlagelaufzeiten zahlt die Sparkasse Koblenz aktuell bereits wieder Guthabenzinsen, beispielsweise bei Sparkassenbriefen mit einer Laufzeit ab zwei Jahren.

Auch die Sparkasse Rheinhessen, seit der Fusion zu Jahresbeginn die größte Sparkasse im Land, folgt der EZB. Dort heißt es auf SWR-Anfrage, man beobachte die Entwicklung sehr genau und reagiere "marktgerecht" darauf: "Unser Referenzzins für das Verwahrentgelt orientiert sich am Leitzinssatz für die Einlagenfazilität der Europäischen Zentralbank. Ändert sich dieser, erfolgt dessen Anpassung automatisch bis hin zum Wegfall des Verwahrentgeltes." Gleiches gelte für Guthabenzinsen. Man würde die "Rückkehr zu einer Geldpolitik, die Geldvermögensbildung wieder durch Guthabenzinsen möglich macht, sehr begrüßen", so Pressesprecher Volker Rathay.

Die Sparkasse Südpfalz wartet ebenso auf die EZB. Zinsentscheidungen der Zentralbank führten automatisch zu Anpassungen bei Verwahrentgelten, so Pressesprecher Philipp Schneider.

Man habe Kundinnen und Kunden lange und erfolgreich vor der Weitergabe der negativen Zinsen, bedingt durch die Politik der EZB, geschützt, hieß es. Die Grenze für Verwahrentgelte bei der Sparkasse Südpfalz liege für Bestandskunden bei 100.000 Euro 

"Sollte die EZB sich für eine langfristige Erhöhung der Zinsen bzw. Reduzierung der Einlagen-Fazilität entscheiden, so wäre das ein Schritt, den die Sparkassen schon lange fordern." 

Hunderte Banken erheben Strafzinsen

In den letzten zwei Jahren haben immer mehr Institute die Kunden für ihre Geldanlagen zur Kasse gebeten. Das Verbraucherportel Verivox listet 455 von rund 1.300 Kreditinstituten auf. Knapp 180 davon beschränken danach den Freibetrag, für den nichts gezahlt werden muss, auf 50.000 Euro oder sogar weniger.

Die Negativ- oder Strafzinsen sind rechtlich umstritten. Denn eigentlich muss nur der Zinsen zahlen, der Geld geliehen, also Schulden hat. Aus diesem Grund ist in den Vertragsformularen und Preisverzeichnissen der Banken auch von Verwahrentgelten die Rede, und nicht von Negativzinsen. Die Unterscheidung hat also hauptsächlich rechtliche Gründe. Darauf weist die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hin.

In einem Urteil vom November letzen Jahres hatte das Landgericht Berlin die so genannten Verwahrentgelte auf Giro- und Tagesgeldkonten sogar für unzulässig erklärt, weil sie die Kunden benachteiligten. Die beklagte Sparda-Bank Berlin wurde zur Rückzahlung verpflichtet, das Urteil der ersten Instanz ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

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Susanne Weber