Paketboten: RP-Sozialminister will mehr gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen machen

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AUTOR/IN
Andreas Böhnisch

Über die Arbeitsbedingungen von Paketboten diskutieren Experten heute bei einem Fachgespräch der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Der rheinland-pfälzischen Sozialminister Schweitzer hat sich heute früh in SWR Aktuell dafür ausgesprochen, die Wirkung des sogenannten Paketenbotenschutzgesetzes zu überprüfen. Es gilt, wenn es nicht verlängert wird, nur noch bis Ende des Jahres. Schweitzer hat im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch erklärt, wie schlecht die Arbeitsbedingungen bei manchen Paketdiensten immer noch sind.

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SWR Aktuell: Was erwarten Sie von diesem Fachgespräch?

Alexander Schweitzer: Ich erwarte, dass wir uns austauschen unter den Menschen, die sich mit dem Thema überhaupt beschäftigen, das bin ich als Sozialminister  natürlich, als Arbeitsminister aber auch. Es sind gewerkschaftliche Kreise, das ist die Ebert-Stiftung mit einer guten Idee, sich gerade zu dieser Jahreszeit auch mal mit den Menschen zu beschäftigen, die wie selbstverständlich dafür sorgen, dass unser Leben funktioniert - dass Paket kommen, das Päckchen kommen. Und darum finde ich das gut, dass das heute so stattfindet und beteilige mich gerne daran.

SWR Aktuell: Seit 2019 gilt in Deutschland das Paketbotenschutzgesetz, befristet bis Ende des Jahres. Das wird zurzeit deshalb auch überprüft. Ist da eine Verschärfung notwendig?

Schweitzer: Ich glaube, dass wir zumindest gemeinsam schauen müssen, ob das Paketbotenschutzgesetz tatsächlich auch zu einer wirksamen Verbesserung der Arbeits- und man muss auch sagen, Lebensbedingungen, der Botinnen und Boten geführt hat. Tatsächlich ist es so: Wir haben ja in den letzten Jahren ein enormes Wachstum gesehen, was den Bereich des Online-Handels angeht, und was natürlich auch die jeden Tag transportierten Pakete angeht. Und wir sehen auch gleichzeitig, dass teils nicht in gleichem Maße die Zahl der Beschäftigten gewachsen ist. Die Arbeit, die enorm gewachsen ist, wird auf immer weniger Schultern verteilt - oder immer mehr Arbeit auf wenige Schultern verteilt. Und viele sind nicht wirklich Beschäftigte, sondern Selbständige. Ich sage oftmals auch „Scheinselbständige“ - mit ganz wenigen sozialen und Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten, mit ganz wenigen Schutzrechten. Und das kann uns nicht egal sein in einer Gesellschaft: Dass Menschen, die dafür Sorge tragen, dass wir am Weihnachtsabend ein nettes Päckchen für unsere Lieben haben, unter Bedingungen arbeiten, unter denen wir auf jeden Fall nicht arbeiten wollten. Und darum ist es gut, dass wir uns mit diesem Gesetz beschäftigen und auch schauen, ob es tatsächlich diese Wirkung hatte, die wir uns alle gewünscht haben.

SWR Aktuell: Nun sehen wir, dass Paketboten häufig bei Subunternehmern angestellt sind - und die kriegen dann noch nicht mal den Mindestlohn, weil es keine Tarifbindung gibt. Muss das Paketbotenschutzgesetz dahingehend verschärft werden, dass das nicht mehr möglich sein wird?

Schweitzer: Ich glaube, wir müssen uns genau anschauen, ob das tatsächlich so ist, dass wir vor allem Beschäftigte haben. Es gibt Unternehmen, die sind da, wie ich finde, auch sehr ordentlich unterwegs. Die haben Tarifbeschäftigte, die stellen ihren Beschäftigten dann auch die entsprechenden Arbeitsschutzkleidung, die achten auf die Arbeitszeiten. Und wir haben andere Unternehmen, die uns auch gut bekannt sind - zum Teil haben wir es auch mit einem großen amerikanischen Konzern zu tun-, bei denen spielt das alles keine Rolle. Das ist etwas, was auf deutschen Straßen passiert und was Päckchen in deutsche Wohnzimmer bringt. Und das kann uns nicht egal sein. Darum bin ich sehr dafür, jetzt auch kritisch zu gucken in einer sogenannten Evaluation des Gesetzes. Und wenn wir sehen, wir müssen da stärker eingreifen mit dem starken Sozialstaat, bin ich auch sehr dafür. Wir merken: Manchmal kann man nicht auf unternehmerische Verantwortung setzen bei diesen großen Konkurrenten, sondern man muss sagen: Okay, dann muss euch der Gesetzgeber einfach auch zeigen, dass wir hier nicht alles akzeptieren in Deutschland. Darum bin ich sehr dafür, da auch mit einer großen Bereitschaft reinzugehen.

SWR Aktuell: Ausbeutung von Beschäftigten in der Paket-, Express- und Kurierbranche - das geht nicht, sagt die Gewerkschaft Verdi. Da sind Sie sicherlich an der Seite der Gewerkschaft. Auf der anderen Seite braucht Rheinland-Pfalz als Flächenland diese Branche, an der ja auch viele Arbeitsplätze hängen. Wie schafft man da als Politiker den Spagat?

Schweitzer: Unsere Erfahrung zeigt: Wenn die Arbeitsbedingungen besser werden, ist es für die Unternehmen auch leichter, Menschen zu finden, die diese Jobs machen. Ich war gerade vor kurzem bei einem großen Anbieter, der Deutschen Post / DHL. Die sagen: Wir müssen uns inzwischen richtig anstrengen, tolle Menschen zu finden, die den Job machen. Das heißt, sie haben die Arbeitsbedingungen verbessert, sie haben Tarifbeschäftigte. Sie arbeiten nicht mit Sub- und Subunternehmern, und schaffen es so einigermaßen, dem Fachkräftebedarf hinterherzukommen. Wir sehen, dass es bei anderen Unternehmen anders ist. Und das hat natürlich dann auch zur Folge, dass die, die da unterwegs sind als Sub- und Subunternehmer und Scheinselbständige, immer mehr zu transportieren haben, zu immer schlechteren Bedingungen- dass die Überstunden leisten, die sie gar nicht bezahlt bekommen, die nicht abgerechnet werden, die nicht noch nicht mal notiert werden. Das sind keine Arbeitsbedingungen für die Branche. Darum sage ich: Bessere Arbeitsbedingungen in der Branche stärken auch die Branche insgesamt. Und da, wo unternehmerische Verantwortung alleine nicht reicht, muss eben ein handlungsfähiger Sozialstaat rein. Es muss Arbeitsschutz rein. Wir tun das in Rheinland-Pfalz mit unseren Arbeitsschutzbehörden. Der Zoll auf Bundesebene, der für Teilbereiche wie zum Beispiel Schwarzarbeit zuständig ist, tut das seine. Aber wir werden nicht neben jedem Fahrer und jede Fahrerin einen Zollbeamten setzen zu können. Wir müssen einfach Regeln aufstellen, von denen wir wissen: Sie gelten dann eben auch für alle und sind auch leichter zu kontrollieren.

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Andreas Böhnisch