Messerattacken in Stuttgart: Warum sind junge Männer so oft gewalttätig?

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Von Autor/in Jonathan Hadem

Immer wieder hören wir ähnliche Meldungen über Angriffe mit einem Messer als Tatwerkzeug. In Stuttgart hat sich gerade der dritte Vorfall innerhalb weniger Tage ereignet. In der Nacht auf Dienstag wurden am Schlossplatz in der Innenstadt zwei Menschen verletzt. Eine Nacht zuvor gab es am Stuttgarter Hauptbahnhof zwei Verletzte. Samstagnacht gab es - ebenfalls in der Stuttgarter Innenstadt - einen Zwischenfall mit einem Messer. Auch dabei wurden zwei Personen verletzt. Über diese Gewalttaten spricht SWR-Aktuell-Moderator Jonathan Hadem mit Dirk Baier, Professor am Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

SWR Aktuell: Bei Messerattacken wird häufig direkt drauf geschaut, ob es einen Migrationshintergrund beim Täter gibt. Es steht auch in den Statistiken, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund offenbar häufiger solche Taten begehen. Was bedeutet denn diese Pauschalaussage?

Baier: Es ist richtig, dass wir darauf schauen und dass wir versuchen, diese Zahlen zu kontextualisieren. Und das bedeutet in dem Zusammenhang: Ja, es ist so. Junge Menschen mit Migrationshintergrund treten häufiger mit Gewalt in Erscheinung, auch häufiger mit Messergewalt. Da muss man sofort dazu sagen, dass die überwältigende Mehrheit auch von Männern mit Migrationshintergrund nicht gewalttätig ist. Und diesen Unterschied, den wir sehen, können wir mit persönlichen und sozialen Merkmalen erklären.

Junge Männer in schlechter soziale Lage, die zum Teil auch Traumatisierungen mit sich herumtragen

Das sind junge Männer, die eher häufiger in einer schlechten sozialen Lage sind, wenig Aussichten haben, zum Teil auch persönliche Problematiken haben, Traumatisierungen mit sich herumtragen. Und das kann das erklären. Das soll es überhaupt nicht entschuldigen. Das ist auch nicht meine Absicht, das zu entschuldigen. Aber wir können die Hintergrundfaktoren ganz gut benennen. Da könnten wir vielleicht dann auch besser anpacken, um Präventionen umzusetzen.

Waffenverbotszonen sind wichtig, aber kein Zauberwerk

SWR Aktuell: In der Stuttgarter Innenstadt gilt ja seit Februar 2023 eine Waffenverbotszone, und zwar freitags und samstags und in den Nächten vor Feiertagen jeweils von 20 bis 6 Uhr. Trotzdem gab es diese drei Messerattacken innerhalb von wenigen Tagen. Schrecken diese Maßnahmen potenzielle Messerstecher nicht ab?

Baier: Ich finde das gerade in Situationen mit vermehrtem Messeraufkommen wichtig, solche Verbotszonen temporär einzuführen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Man sollte sich aber kein „Zauberwerk“ davon erhoffen. Wichtig ist, dass es dann auch kontrollierend umgesetzt wird. Einfach nur ein paar Schilder aufstellen reicht nicht, sondern da braucht es dann auch die Polizeistärke, um die jungen Menschen zu kontrollieren. Wenn die wissen, es passiert ja eh nichts, dann hat das auch keine Auswirkung auf ihr Trageverhalten von Messern. Aber wenn das mit entsprechenden Personalstärken verbunden ist, dann bringt das temporär etwas. Aber viel wichtiger ist natürlich grundsätzlich Prävention - also schon jungen Menschen mitzuteilen, Messer mitzuführen ist uncool, das gehört nicht in die Hosentasche, es ist für Dich und andere gefährlich. Daran muss man nachhaltig arbeiten. Aber kurzfristig, denke ich, ist es richtig, mit Waffenverbotszonen zu arbeiten.