Diskussion über Judenhass

Linken-Chef: Antisemitismus kein importiertes Problem

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AUTOR/IN
Christopher Jähnert



Martin Schirdewan hat gerade wohl einen der schwierigsten Jobs in der deutschen Politik: Nach der Abspaltung von Wagenknecht und ihren Unterstützern muss er die Linke wieder auf Kurs bringen, gemeinsam mit der Co-Vorsitzenden Janine Wissler. Er untermauert das mit klassisch linken Forderungen und kritisiert die Bundesregierung für den Umgang mit dem wachsenden Antisemitismus.

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Der Co-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, warnt davor, die Diskussion über Antisemitismus zu verengen: "Aus deutscher Perspektive können wir nicht so tun als wäre Antisemitismus ein importiertes Problem". Gemeint sind damit unter anderem judenfeindliche Rufe auf Pro-Palästina-Demos. Er halte es für unverantwortlich, dass politische Kolleginnen und Kollegen das gerade tun, so Schirdewan im SWR Interview der Woche.

"Antisemitismus immer vorhanden"

"In Deutschland ist die Shoah geplant worden, in der Stadt in der ich geboren worden bin. In Berlin ist der industrielle Massenmord an den Jüdinnen und Juden beschlossen worden. Das waren Deutsche. Antisemitismus war in der Gesellschaft immer vorhanden". Es sei offensichtlich nicht gelungen, diesen zurückzudrängen, so der Linken-Chef. Er kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung bei Demokratieprogrammen kürzen will: "Da fehlt mir jegliches Verständnis."

Viel Arbeit in der Partei

Aktuell sitzt die Linke noch als Oppositionsfraktion im Bundestag, wird diesen Status aber in absehbarer Zeit verlieren, da Sahra Wagenknecht zusammen mit neun weiteren Abgeordneten aus der Partei ausgetreten ist. Schirdewan empfindet diese Situation allerdings als Befreiung: "Was ich im Moment spüre: Dass bei ganz vielen jetzt auch so eine Art Bereitschaft, um diese Partei zu kämpfen, einhergeht. Auch eine Erleichterung, dass die lange anhaltenden und häufig in der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikte zu Ende gehen", berichtet Schirdewan im SWR-Interview. Die Konflikte seien eine Hypothek gewesen, die Partei habe an Erkennbarkeit und Profil verloren.

Linke müsse glaubwürdig werden

Vom Parteitag Ende kommender Woche soll ein Signal der Geschlossenheit ausgehen – er bezeichnet das als wichtig angesichts der Europawahl und drei wichtigen Landtagswahlen in Ostdeutschland. Die Partei müsse Glaubwürdigkeit gewinnen und in der Gesellschaft anschlussfähig werden, fordert Schirdewan. "Wir werben darum, mit uns gemeinsam für ein Europa der sozialen Gerechtigkeit zu kämpfen, ein Europa des Friedens und ein Europa der Solidarität, das Haltung zeigt, angesichts der Angriffe auf die Demokratie."

Wo das hinführen könnte? Zu klassisch linken Forderungen wie dieser, die Schirdewan im Interview der Woche ausführt: Brot dürfe nicht mehr als zwei Euro kosten. Dafür müssten Bäcker subventioniert werden, sagt er dem SWR-Hauptstadtstudio. "Ich finde, dieses Geld müssen wir uns von den Übergewinnen der großen Nahrungsmittelkonzerne holen, die sich wirklich die Taschen vollmachen."

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Christopher Jähnert