Künstliche Intelligenz: Wenn Oma und Opa als Avatare weiterleben

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Jonathan Hadem
Jonathan Hadem steht im Gang eines SWR-Gebäudes.
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Andreas Böhnisch

KI macht es möglich. Die verstorbenen Großeltern können als Avatare weiterleben. Worauf es dabei ankommt, sagt der Soziologe Matthias Meitzler von der Uni Tübingen.

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In Berlin startet die re:publica. Die Digitalmesse beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz (KI). Eine Diskussionsveranstaltung will Antworten auf die Frage geben, ob KI Trauer heilen kann. Mit dabei ist der Soziologe Matthias Meitzler von der Uni Tübingen. SWR Aktuell-Moderator Jonathan Hadem hat mit ihm gesprochen.

SWR Aktuell: Wie muss ich mir das vorstellen, wenn der verstorbene Opa als Avatar weiterlebt? Wie sieht so etwas aus?

Matthias Meitzler: Da gibt es aktuell mehrere Möglichkeiten - zum Beispiel weniger komplexe Formen, wo eine verstorbene Person zu Lebzeiten Audios oder Videos aufnimmt. Diese Aufnahmen werden den Hinterbliebenen nach dem Tod der Personen bei besonderen Anlässen zugespielt. Es gibt aber auch komplexere Varianten. KI-Systeme imitieren den Sprachstil der verstorbenen Person und zum Teil auch ihr Aussehen. Man hat es mit textbasierten Chatbots oder Avataren zu tun. Es ist also eine Art künstliche Person, die im Stil des Verstorbenen kommuniziert.

SWR Aktuell: Die müssen sich zu Lebzeiten abfilmen lassen. Oder wie funktioniert das?

Meitzler: Genau. Es wird auf eine große Menge an visuellen Daten zurückgegriffen – also auf Fotos und Videos. Anhand dieser Daten wird dann ein digitales Abbild erzeugt - also eine Art gegenüber, das auf dem Bildschirm zu sehen ist. Irgendwann wird man es vielleicht auch als Hologramm vor sich haben. An diese digitale, virtuelle Person können sie sich wenden, und die antwortet ihnen auch - und zwar im Stil der verstorbenen Person.

SWR Aktuell: Man spricht mit einer KI und die kann Fehler machen. Verfälscht das nicht auch unsere Erinnerung an geliebte Menschen, wenn die plötzlich andere Dinge sagen als wir es früher gewohnt waren?

Meitzler: Ja, das ist eine große Sorge, die immer wieder geäußert wird. Viele Menschen haben Angst, dass die KI oder der Avatar die eigenen Erinnerungen an den Verstorbenen überschreibt. Und man darf nicht vergessen: Es gibt auch Möglichkeiten der Manipulation. Diese Avatare werden von jemandem gebaut. Jemand entscheidet also, wie die kommunizieren sollen. Theoretisch ist es möglich, dass der verstorbene Großvater etwas sagt, was er so nie geäußert hat. Der Avatar könnte auch Lügen über die verstorbene Person verbreiten oder die Angehörigen beleidigen. Es gibt Risiken, die man immer mitberücksichtigen muss.

SWR Aktuell: Schauen wir auf die Trauerbewältigung. Ist es aus Sicht der Angehörigen hinderlich, wenn man eine verstorbene Person mit Hilfe von KI wie eine lebendige behandelt?

Meitzler: Ich denke, man muss unterscheiden, ob es primär um Trauerverarbeitung geht. Die Frage ist, wann eine solche Anwendung benutzt wird - unmittelbar nach dem Tod, wo man vielleicht noch unter Schock steht und diesen Verlust noch gar nicht richtig realisiert hat. Ist es dann sinnvoll, wenn man dann so tut, als wäre die Person noch lebendig? Oder wird diese Anwendung erst später genutzt, wo man gar nicht mehr so richtig von Trauer sprechen kann.

Aber die Sorge, die Sie andeuten, ist auf jeden Fall vorhanden und muss berücksichtigt werden. Es kann durchaus sein, dass diese Anwendung jemanden daran hindert, den Verlust zu akzeptieren. Deswegen ist das ein besonders sensibles Thema, wo eben auch noch viel Reflexion notwendig ist.