GEW-Warnstreik: "Angestellte Lehrkräfte fühlen sich als zweitklassig behandelt"

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Andreas Böhnisch

Bundesweit sollen heute angestellte Lehrerinnen und Lehrer streiken – dazu hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW aufgerufen. Sie fordert in den Tarifverhandlungen 10,5 Prozent mehr Geld - mindestens aber 500 Euro monatlich. Die Ettlinger Lehrerin Magica Johnson von der GEW-Fachgruppe Kaufmännische Schulen erklärt im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch, warum sich manche angestellte Lehrerinnen und Lehrer als "Lehrkräfte zweiter Klasse" fühlen.

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Es geht nicht nur ums Geld

SWR Aktuell: Was bewegt sie dazu, heute mitzudemonstrieren - geht es da nur ums Geld?

Magica Johnson: Nein, natürlich geht es nicht nur ums Geld. Es geht eigentlich um viele Dinge. In diesen Tarifverhandlungen steht ja das Finanzielle im Fokus, was einfach daran liegt, dass die reale Lohnverluste in den letzten Jahren so hoch waren. Das waren so ein bis anderthalb Monatsgehälter. Das spüren wir jetzt alle, die Tarifbeschäftigten, aber auch die verbeamteten Lehrkräfte.

SWR: Wie groß ist denn der Gehaltsunterschied in ihrem Fall im Vergleich zu einer verbeamteten Lehrkraft an ihrer kaufmännischen Schule in Ettlingen?

Magica Johnson: Ganz genau kann ich das nicht sagen, weil das natürlich von verschiedenen Faktoren abhängt. Aber das sind ein paar Hundert Euro, so um die 500 würde ich grob schätzen. Aber ich bin auch in einer relativ guten Entgeltgruppe.

Es ist unverständlich, dass wir da so viel weniger Geld rauskriegen

SWR: Aber Sie machen vermutlich die gleiche Arbeit wie die verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer. Fühlen Sie sich da als Arbeitskraft, als Lehrerin zweiter Klasse?

Magica Johnson: Ja. Das hat natürlich nichts mit den Kollegen oder Kolleginnen zu tun – aber damit, dass der Arbeitgeber so wenig auf uns schaut. Wir sind natürlich eine Minderheit mit zehn Prozent, aber wir machen die gleiche Arbeit, wir haben die gleiche Stundenzahl. Es ist unverständlich, dass wir da so viel weniger Geld rauskriegen.

SWR: Nun hat das Land Baden-Württemberg nach viel Kritik beschlossen, dass angestellte Lehrkräfte nicht mehr während der Sommerferien entlassen werden und das Gehalt eben weitergezahlt wird. Ein Fortschritt?

Magica Johnson: Absolut. Das war ja wirklich entwürdigend, die ganze Situation, dass die Leute sich dann arbeitslos melden mussten und letztlich dann Hartz IV, was auch immer bekommen. Das Land hat ja dadurch eigentlich kein Geld gespart, aber die Leute immer in dieser Hängepartie gelassen.

SWR: Welche Verbesserungen wünschen Sie sich generell noch?

Magica Johnson: Ich denke, das Land Baden-Württemberg hat auch unabhängig vom Tarifvertrag Möglichkeiten, einige strukturelle Benachteiligungen abzufedern, beispielsweise durch eine "Baden-Württemberg-Zulage", um den Beruf attraktiver zu machen für Lehrerinnen, die tarifbeschäftigt sind…

SWR: …weil die Lebenshaltungskosten in Baden-Württemberg zum Beispiel höher sind als in Mecklenburg-Vorpommern…

Magica Johnson: Genau. Und soweit ich weiß, gibt es auch schon eine "Stuttgart -Zulage" im Öffentlichen Dienst. Und die verbeamteten Lehrkräfte haben eine "Baden-Württemberg-Zulage". Die möchten wir natürlich auch.

SWR: Nun findet heute der bundesweite Bildungsstreik der angestellten Lehrkräfte statt. Die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen dürfen daran nicht teilnehmen. Wie reagieren die auf ihre Aktion?

Magica Johnson: Die finden das natürlich gut und sagen, „wir unterstützen das“. Wir haben an unseren Schulen auch unseren verbeamteten Lehrkräften noch mal gesagt: Ihr dürft nicht gezwungen werden, unsere Stunden zu vertrete, die ausfallen. Das wäre ja total kontraproduktiv, dann würde man es ja noch weniger merken, dass wir streiken. Und es gibt auch Kolleginnen und Kollegen, die gesagt haben, sie kommen zur Kundgebung. Das können sie ja, die findet ja nachmittags statt. Und mein Traum wäre es, wenn von jeder Schule ein bis zwei verbeamtete Lehrkräfte zu den Kundgebungen kommen - dann wären es schon richtig viele. Und dann würden die Verhandlungspartner vielleicht auch mal sehen, wie wichtig das ist und wie viele Leute hinter diesen Forderungen stehen.

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