Bund zu Klimaschutzprogrammen verurteilt: Was wären die Folgen für Autofahrer?

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Andreas Böhnisch

Die Bundesregierung muss Klimaschutz-Sofortprogramme entwickeln und umsetzen- in den beiden Bereichen Verkehr und Gebäude. So steht es zumindest in einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und die Bundesregierung will Revision einlegen – das hat Verkehrsminister Volker Wissing der ARD gesagt. Aber die Entscheidung hat auf jeden Fall Signalwirkung, auch weil gerade die Weltklimakonferenz in Dubai läuft. Der Verkehrsforscher Heiner Monheim erklärt im SWR-Aktuell-Interview mit Andreas Böhnisch, welche Folgen das Urteil für Autofahrerinnen und Autofahrer haben könnte.

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SWR Aktuell: Muss jetzt ein Tempolimit eingeführt werden?

Heiner Monheim: Das ist eine der am schnellsten wirksamen und besten Maßnahmen, die Sie machen können, weil die Physik der Emissionen so ist: Je schneller Sie fahren, desto emissionsreicher und verbrauchsreicher fahren Sie. Das ist ein alter Hut, das wissen wir seit 50 Jahren. Aber es ist ein Tabu für die deutsche Politik, weil wir ja Autoland sein wollen, weil der Druck der Autoindustrie so groß ist. Also: Das muss man jetzt endlich machen. Dieses Urteil ist ja nicht das erste. Wir haben eine Reihe von vergleichbaren Urteilen, wo Kommunen verklagt wurden von der Deutschen Umwelthilfe, und das hat in den Kommunen eine ganze Menge bewirkt. Die beklagten Kommunen haben dann relativ schnell angefangen, Verkehrskonzepte zu entwickeln, die im Bereich der CO2-Minderung effektiver sind als bisher. Da geht eine ganze Menge, wenn der Bund endlich seine sture Betrachtung ändert. Wir müssen bei Tempolimits nicht nur an Tempo 100 auf Autobahnen denken, sondern wir müssen vor allem auch an Tempo 30 innerorts und auf den Ortsdurchfahrten denken. Da gibt es ja dieses Netzwerk von mittlerweile mehr als tausend Kommunen, die vom Bundesverkehrsminister fordern, dass die Kommunen sehr viel mehr Spielraum kriegen für straßenverkehrsrechtliche Regelungen auf ihrem Straßennetz. Das ist ein Unding, dass im Prinzip die Kommunen vieles nicht dürfen, was sie eigentlich tun müssten - auch den klassifizierten Straßen in ihrem Gemeindegebiet.

SWR Aktuell: Wie lange würde es dauern, bis das tatsächlich greift, zum Beispiel Tempo 100 oder 120 auf Autobahnen, 80 außerhalb der Ortschaften und 30 in den Städten und Gemeinden?

Heiner Monheim: Das ist eine StVO-Änderung, die ist relativ schnell zwischen Bund und Ländern abgestimmt herbeizuführen. Und dann ist es das gewesen. Das ist nicht so eine dramatische Geschichte. Da muss man überprüfen, weil ja Autobahnen teilweise schon Tempolimits haben, die Teile der Autobahnen abschnittsweise regulieren. Aber im Prinzip ist das fast ein Federstrich, wenn Bund und Länder sich in der StVO-Novelle entsprechend positionieren,

SWR Aktuell: Schauen wir noch auf andere Punkte. Die Kläger, die Deutsche Umwelthilfe und der BUND, fordern, die Steuerbegünstigung für Dienstwagen und Diesel abzuschaffen. Würde dadurch wirklich weniger gefahren werden und der CO2-Ausstoß zurückgehen? Oder wäre einfach nur mehr Geld vorhanden, mit dem der Staat dann das geforderte Sofortprogramm zum Klimaschutz finanzieren könnte?

Heiner Monheim: Beides ist richtig. Weil es Steuererleichterungen reduziert, bringt es mehr Geld im Bereich der Steuereinnahmen. Aber es hat natürlich eine Lenkungswirkung. Wir haben im Moment ja immer noch die kuriose Situation, dass das Dienstwagenprivileg dazu führt, dass die größten und schmutzigsten Autos vom Staat subventioniert werden – hoch subventioniert werden, durch diese steuerliche Sonderbehandlung. Das abzuschaffen, wird im Motorisierungsverhalten in der Wirtschaft deutlich etwas ändern. Wir sind ja mühsam dabei, mit betrieblichen Mobilitätsmanagement die Betriebe dazu zu animieren, Flottenpolitik zu machen, wo eben CO2- und verbrauchsärmere und effektivere Fahrzeuge gewählt werden. Das würde man jetzt auf einen Sitz deutschlandweit machen, was man bisher mühsam Betrieb für Betrieb für Betrieb macht- auf jeden Fall eine sehr wirksame Maßnahme. Die führt nicht dazu, dass jedes dienstlich genutzte Auto weniger fährt. Aber vor allem die Flottenpolitik, also: Was kauft man eigentlich für Autos? Diese berühmten sogenannten Premiumfahrzeuge, die Premium im Sinne von besonders schmutzig und besonders verbrauchsintensiv sind - das würde endlich beendet.

SWR Aktuell: Schauen wir noch kurz auf den ÖPNV, den die Politik ja ausbauen will. Wo könnte schnell etwas verbessert werden, damit mehr Menschen auf Busse und Bahnen umsteigen, also weniger mit ihrem Auto fahren und so auch weniger CO2 ausgestoßen wird?

Heiner Monheim: Im Bereich der ländlichen ÖPNV-Systeme. Eine neue Straßenbahnlinie oder U-Bahn-Linie zu bauen oder eine S-Bahn-Linie - das dauert. Was Sie sofort machen können, ist im Busverkehr deutlich bessere Angebote zu machen. Und da ist ganz wichtig: Verkehrswende darf sich nicht nur auf die Großstädte beziehen, sondern ist vor allem im ländlichen Raum wichtig. Da müssen die 16 Bundesländer ihre Nahverkehrsgesetze entsprechend ändern. Und es muss auch der Bund das ÖPNV-Gesetz entsprechend ändern, damit klar ist, dass es nicht eine freiwillige Luxusausgabe ist, im ländlichen Raum für ÖPNV zu sorgen, sondern dass auch da die Gebietskörperschaft in die Pflicht genommen werden - so wie das im Straßenbereich schon immer ist. Die Kommunen müssen sich um Gemeindestraßen und um kommunalen Parkraum kümmern. Die Kommunen müssen endlich auch im ländlichen Raum animiert werden, etwas für den Busverkehr zu tun. In anderen Ländern, in der Schweiz und Österreich, in Tirol gibt es seit Ewigkeiten Dorfbusse und Ortsbusse - sehr erfolgreiche Systeme. Das ist dann auch ein Konjunkturprogramm für die deutschen Bushersteller, weil wir im Augenblick in dem Bereich der kleinen Busformate, Minibus und Midi-Busse, einen Riesenbedarf aber so gut wie keine Nachfrage haben, weil die Kreise als Aufgabenträger nur den Schülerverkehr machen. Und im Schülerverkehr werden überwiegend Gigaliner, also Großraum-Gelenkbusse eingesetzt, weil der Schülerverkehr Spitzen hat. Das ist absurd. Deswegen gibt es immer die „Geisterbus“-Debatte über heiße Luft, die da von Bussen transportiert wird. Wenn wir also da bewusst differenzieren und auch im ländlichen Raum richtige Taktverkehre einführen, den Deutschlandtakt nicht nur auf der Schiene, sondern auch im Busverkehr, dann kann da eine Menge Verkehrswende möglich gemacht werden.

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