Viele Fahrgäste steigen auf einem Bahnsteig am Bahnhof aus einem Regionalzug der Deutschen Bahn. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Stefan Sauer)

ÖPNV-Ticket im Entlastungspaket

Möglicher Ticket-Nachfolger: 69 statt 9 Euro - und trotzdem günstig?

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Samantha Ngako

Der Bund will die Bürger entlasten. Auch beim Reisen im Nahverkehr. Ein Schnäppchen wie das 9-Euro-Ticket ist nicht mehr drin. Wäre der Nachfolger trotzdem im Vergleich günstig?

Das 9-Euro-Ticket fanden viele gut. Vielleicht gibt es einen Nachfolger: Die Ampelkoalition in Berlin strebt ein bundesweit gültiges Ticket für den Nahverkehr an. Dieses könnte 49 bis 69 Euro pro Monat kosten. Deutlich mehr also als das beliebte 9-Euro-Ticket, das es im Sommer gab. Würde sich das dann eigentlich finanziell lohnen?

1. Vergleich: BahnCard 100
2. Vergleich: Quer-durchs-Land-Ticket
3. Vergleich: Baden-Württemberg-Ticket
4. Vergleich: Monatskarte zum bwtarif
5. Vergleich: Verkehrsverbünde

1. Vergleich: BahnCard 100

Schauen wir auf den Klassiker der Bahn, auf die BahnCard. Mit dieser fährt man ein Jahr lang bundesweit unbegrenzt, auch in vielen Städten kostenfrei in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Kostenpunkt derzeit per Einmalzahlung zum Normaltarif, 2. Klasse, für ein Jahr: 4.144 Euro. Im Abo sind es zu diesen Konditionen monatlich laut Bahn 383 Euro - und damit deutlich mehr als das mögliche neue "Billig-Ticket". Allerdings - und das kann für beruflich Reisende entscheidend sein: Mit der BahnCard 100 kann man auch die schnellen Züge nutzen, nicht nur den Nahverkehr. Allerdings lohnt sich hier der Blick darauf, ob sie bei den benötigten Verkehrsverbünden oder Busgesellschaften anerkannt wird.

2. Vergleich: Quer-durchs-Land-Ticket

Quer durchs Land mit einem Ticket - das geht jetzt schon bei der Bahn. Der gleichnamige Fahrschein gilt aber nur für einen Tag im bundesweiten Regionalverkehr und kostet für eine Person 42 Euro. Wer also vielleicht noch ein paar Mal den Bus nehmen möchte in dem Monat oder mit der Bahn statt dem Auto einen Ausflug machen will, ist mit dem möglichen Nachfolgeticket besser dran.

3. Vergleich: Baden-Württemberg-Ticket

Sie wollen vor allem in Baden-Württemberg unterwegs sein? Schauen wir mal drauf. Das Baden-Württemberg-Ticket zum Standard-Tarif kostet laut bahn.de für einen Reisenden 24 Euro. Damit kann man an einem beliebigen Tag von 9 Uhr bis 3 Uhr des folgenden Tages reisen und für je sieben Euro Mitfahrer mitnehmen. Diese Tickets bietet die Bahn auch für die anderen Bundesländer an, die Preisspanne zieht sich von 22 Euro in Mecklenburg-Vorpommern bis zu 36 Euro in Hessen. Wohlgemerkt jeweils für einen Tag.

4. Vergleich: Monatskarte zum bwtarif

Das Nachfolgeticket soll einen Monat lang gelten. Gibt es so eine Monatskarte schon in Baden-Württemberg? Da lohnt sich ein Blick zum bwtarif. Die Fahrkarte bwMONAT kostet ohne Abo maximal 260 Euro in der 2. Klasse. Und: Das Ticket ist streckengebunden.

5. Vergleich: Verkehrsverbünde

Unterm Strich kann sich der mögliche Nachfolger des 9-Euro-Tickets also für viele lohnen, die bundesweit im Nahverkehr unterwegs sein möchten. Auch für viele Fahrten in einem Verkehrsverbund würde sich der Fahrschein rechnen. Zwei Stichproben: Der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) nimmt für eine Standard-Monatskarte, die im ganzen VVS-Netz gilt, zum Beispiel 236 Euro. Im Gebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) fährt man per Monatskarte für 133,90 Euro.

„Nur 1,5 Mrd € Zuschuss der BuReg für ein dt. Nahverkehrsticket ist eine Farce! Ein in den Raum gestellter Ticketpreis von 50-70€ im Monat ist so teuer wie viele heutige Abos, gerade Berufspendler werden kaum entlastet“, so DUH-BGF Resch #Klimaticket #Entlastungspaket (1/3)

Massive Auswirkungen auf Länderhaushalte

Ob der Nachfolger für das 9-Euro-Ticket allerdings so kommt, wie es die Koalition jetzt angedacht hat, hängt auch von den Ländern ab. Denn der Bund will 1,5 Milliarden Euro für das Ticket zuschießen. Die Länder müssen aber mindestens genauso viel zahlen. Daher pochen die Regierungschefs von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auf Mitsprache und fordern eine baldige Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD). BW-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Sonntag, dass das Entlastungspaket massive Auswirkungen auf die Länderhaushalte habe. Deswegen müssten die Länder darüber dringend mit dem Bund sprechen.

Wie sind die Reaktionen aus Baden-Württemberg auf das Entlastungspaket? Knut Bauer aus der SWR Redaktion Landespolitik berichtet:

Spahn: Länder müssen mitmachen

Unionsfraktionsvize Jens Spahn sagte am Montag im ZDF-"Morgenmagazin", dass es vor einer Entscheidung eine Ministerpräsidentenkonferenz hätte geben müssen. Zwar sei eine einheitliche bundesweite Regelung vernünftig, aber die Länder müssten mitmachen, "weil die finanzieren das mit, die organisieren das".

Verkehrsminister Hermann: Zuerst mehr Geld für ÖPNV-Ausbau vom Bund

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat den vom Bund geplanten Nachfolger des 9-Euro-Tickets kritisiert. Der Bund erhöhe dringend notwendige Regionalisierungsmittel nicht. Die Gesamtfinanzierung stimme angesichts der dramatisch gestiegenen Kosten nicht mehr, sagte Hermann der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". "Ich bin sehr verärgert darüber, dass der Bund dies ignoriert und stattdessen ein günstiges Ticket anbietet", sagte Hermann. Der Bund setze die Länder unter Zugzwang, "weil alle Welt jetzt glaubt, die Nachfolge fürs 9-Euro-Ticket sei schon ausgemacht". Es sei schwierig, auf solch ein Angebot zu reagieren.

Zuvor hatte Hermann auf SWR-Anfrage mitgeteilt, dass ein preiswertes ÖPNV-Ticket nur dann Sinn mache, wenn der Bund zuvor mehr Geld in den Erhalt und den Ausbau des ÖPNV im Land stecke. Hermann sprach sich dafür aus, dass Bundestag und Bundesrat die Regionalisierungsmittel "um mindestens jeweils 1,65 Mrd. Euro für 2022 und 2023 erhöhen.Andernfalls, so Hermann, würde man "Fahrgäste in einen ÖPNV locken, dessen Angebot wegen drastischer Kostensteigerungen abgebaut werden muss."

Was der Bund nun aber vorgelegt habe, sei wenig durchdacht, so Hermann. In großen Verkehrsverbünden würden die Fahrscheine wahrscheinlich stark nachgefragt, aber auch zu Einnahmeausfällen führen. Im ländlichen Raum würden sie wegen des knapperen ÖPNV-Angebots hingegen kaum nachgefragt. Hermann warf zudem die Frage auf, wie man jetzt ein günstiges ÖPNV-Angebot machen könne, "wenn bald einigen Bus- oder Bahnunternehmen aufgrund der hohen Energiekosten die Insolvenz droht".

Investition in ÖPNV im ländlichen Raum?

Die geplante Fortführung eines einheitlichen vergünstigten Nahverkehrs-Tickets begrüßte auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Jetzt werde es auf die Länder ankommen, dies umzusetzen und die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen, sagte der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Unverzichtbar bleibe in diesem Zusammenhang aber auch "die nachhaltige Verstärkung der Investitionen" in den öffentlichen Nahverkehr gerade im ländlichen Raum. "Gerade für die Menschen dort ist der Vorteil eines vergünstigten Tickets eher gering, weil die notwendigen Verbindungen bisher fehlen."

Drittes Entlastungspaket mit 65 Milliarden Euro

Die Ampel-Koalition hat am Sonntag ein drittes Entlastungspaket vorgestellt, dessen Umfang die Regierung auf etwa 65 Milliarden Euro beziffert. Neben dem Ticket-Nachfolger geht es dabei auch um Direktzahlungen für Rentner und Studierende, Steuererleichterungen und eine Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung sowie des Kindergelds. Geplant ist auch eine Strompreisbremse für einen gewissen Basisverbrauch.

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