Ein Smartphone wird in der Hand gehalten. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

EUGH: nicht ohne Anlass speichern

Nach Urteil: Strobl fordert schnelle neue Regelung zu Kommunikationsdaten

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Das EuGH hat der Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Aufklärung von Straftaten mit einem neuen Urteil enge Grenzen gesetzt. In BW stößt das nur teilweise auf Zustimmung.

Das oberste EU-Gericht hat am Dienstag entschieden, dass die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht ohne Anlass gespeichert werden dürften. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte: Die seit 2017 ausgesetzte deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung sei mit dem EU-Recht unvereinbar. Eine gezielte und zeitlich begrenzte Speicherung der Daten sei nur bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit möglich, hieß es in dem neuen Urteil. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität könne auch eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sein.

Justizminister will Regelung schnellstmöglich aus Gesetz streichen

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte in Berlin dazu: "Der Koalitionsvertrag macht klar, was jetzt zu tun ist. Es gibt keine anlasslose Speicherung von Kommunikationsdaten mehr." Solche Daten könnten künftig nur noch dann gespeichert werden, wenn "ein ausreichender Anlass, also der Verdacht einer schweren Straftat und ein plausibler Grund dafür vorliegt, dass diese Daten mit dieser Tat in Verbindung stehen". Buschmann kündigte an, er wolle binnen zwei Wochen einen Referentenentwurf für ein neues Gesetz vorlegen, um schnell eine klare Rechtslage zu haben. Auf Twitter schrieb er nach der Urteilsverkündung: "Wir werden die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen."

BW-Innenminister: Es braucht eine rasche Neuregelung

Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) forderte eine schnelle Neuregelung. "Wir müssen nicht nur dafür sorgen, dass die Polizei von heute auf die Kriminalität von Morgen vorbereitet ist", sagte der CDU-Politiker am Dienstag. "Wir benötigen auch die erforderlichen Instrumente dazu, um schwerste Straftaten schon dann zu verhindern, wenn die Täter beginnen, ihre Verbrechen vorauszudenken, zu planen oder gar schon vorbereitend zu verabreden." Gemeint sei beispielsweise eine Speicherung der Verkehrsdaten, die auch die Inhaber von dynamischen IP-Adressen hinterließen.

"Das Urteil aus Luxemburg ist klar und unmissverständlich. Jetzt muss es mit einer Neuregelung schnell gehen, für die Sicherheit in unserem Land."

Faeser will nicht ganz auf Vorratsdatenspeicherung verzichten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will hingegen nicht komplett auf Vorratsdatenspeicherung verzichten. Der Europäische Gerichtshof habe deutlich klargestellt, welche Daten zum Schutz der nationalen Sicherheit und zur Bekämpfung schwerer Kriminalität gespeichert werden dürften. Er gestatte gezielte Anordnungen zum Speichern für bestimmte Orte wie etwa Flughäfen, Bahnhöfe oder für Gegenden mit hoher Kriminalitätsbelastung. Diese rechtlichen Möglichkeiten müssten nun auch genutzt werden, sagte Faeser. Dabei sei ihr die entschiedene Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder besonders wichtig.

Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin, gibt zum EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ein Statement im Bundesinnenministerium ab. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist mit Blick auf die Datenauswertung die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder besonders wichtig.

Auch Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) ist der Schutz von Kindern besonders wichtig. Die Vorgehensweisen des Bundes gehen ihr dabei nicht weit genug. Sie kritisiert: "Gerade im Bereich der Kinderpornografie und des sexuellen Kindesmissbrauchs kann es doch nicht sein, dass uns der Datenschutz wichtiger ist als das Wohl von Kindern, die schlimmen Verbrechen schutzlos ausgeliefert sind."

Speichern von sensiblen Daten "ein Grundrechtseingriff"

Die SpaceNet AG, die die Klage angestrengt hatte, begrüßte das Urteil: "Nach sechs Jahren Verfahren sind wir froh, dass das Thema Vorratsdatenspeicherung endlich geklärt ist. Jetzt herrscht wieder Rechtssicherheit für die Internetbranche, unsere Kunden und alle Bürger", sagte der Vorstand des Unternehmens, Sebastian von Bomhard. Die SpaceNet AG ist ein IT-Spezialist mit Sitz in München.

Die bisherige deutsche Regelung, die wegen rechtlicher Unsicherheiten seit 2017 nicht mehr angewandt wird, kann nach Ansicht der Richter sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen ermöglichen - etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens oder das soziale Umfeld. Damit könne ein Profil dieser Personen erstellt werden. Dies sei ein Grundrechtseingriff, der eine gesonderte Rechtfertigung erfordere, erklärten die Richter. Der EuGH blieb damit seiner Linie treu. Das höchste EU-Gericht hatte in den vergangenen Jahren immer wieder nationale Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung gekippt oder stark eingeschränkt.

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