Einen Facharzt-terin bekommen Patienten in Tübingen nur schwer. Lucille Malafoss sucht seit Monaten nach einem Gynäkologen oder einer Gynäkologin. (Foto: SWR, Mübeyra Erkus)

Aufnahmestopp für neue Patienten

Hilfe, ich kriege keinen Facharzt-Termin: Gynäkologe in Tübingen gesucht

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Stefanie Assenheimer
Stefanie Assenheimer (Foto: SWR, SWR - Alexander Kluge)

Wer einen Termin bei einem Facharzt braucht, muss Geduld haben. Besonders schwer ist es für neue Patientinnen und Patienten. Die werden immer öfter abgewiesen, wie ein Beispiel aus Tübingen zeigt.

Lucille Malafosse sucht eine neue Gynäkologin. Die Liste der Frauenärzte in Tübingen und Umgebung, die ihr das Handy ausspuckt, ist lang. Geduldig wählt die Mutter zweier Kinder ein paar Nummern. Doch in vielen Praxen ist das Telefon dauerbelegt oder der Anrufbeantworter geht dran. Einen Termin auszumachen, ist schwierig.

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Schließlich hat die Tübingerin Glück. Eine Arzthelferin nimmt ab, doch die muss Lucille Malafosse gleich wieder enttäuschen: "Aufnahmestopp". Neue Patienten und Patientinnen werden gebeten, es bei anderen Praxen zu versuchen. "Sie müssen sich durchtelefonieren."

Suche nach Gynäkologin in Tübingen erfordert Geduld

Die Tübingerin braucht eine neue Frauenärztin, weil ihre in Reutlingen vergangenes Jahr in den Ruhestand ging. Da es keine Nachfolgerin oder Nachfolger gibt, müssen die Frauen nun schauen, wo sie unterkommen. Kein Einzelfall: So wie Malafosse geht es vielen.

Ich bin auf der Suche nach einer Frauenärztin oder einem Frauenarzt in Tübingen und hatte bisher leider noch keinen Erfolg.

Auch andere Fachärzte haben volle Praxen

Gesucht werden nicht nur Gynäkologen. Es trifft so gut wie alle Fachärzte. Die Situation ist teils dramatisch, sagt der Tübinger Lungenfacharzt Martin Langer. Die Patienten hätten es nicht leicht. Denn er ist im Kreis Tübingen der einzige Lungenarzt. Und die Nachbarkreise, der Zollernalbkreis und der Kreis Freudenstadt, muss Langer mitversorgen, weil es dort überhaupt keinen Spezialisten für Lungenerkrankungen gibt.

Lungenfacharzt Dr. Martin Langer nimmt in seiner Praxis neue Patienten an. Dafür müssen andere länger Warten. Wer einen Facharzt-Termin braucht, muss Geduld haben. (Foto: SWR, Mübeyra Erkus)
Martin Langer ist im Kreis Tübingen der einzige Lungenarzt. Die Nachbarkreise muss er mitversorgen, weil es dort keinen einzigen Lungenfacharzt gibt.

Dabei gehört Freudenstadt gar nicht zu seinem Zulassungsgebiet. Mehr Patienten aufnehmen ist aber schwierig, denn Praxen sind budgetiert. Die Budgetierung regelt, wie viel ein Arzt behandeln darf und welche Leistungen er dafür abrechnen kann.

Die langen Wartezeiten für Termine bei Fachäztinnen und Fachärzten können aber auch verkürzt werden. Dafür haben wir auf Instagram drei Möglichkeiten zusammengefasst, wie es schneller mit Terminen klappen kann:

Langer dürfte zwar mehr Patienten aufnehmen, bekäme aber nicht die volle Leistung bezahlt. Er und auch andere Kollegen und Kolleginnen würden trotzdem mehr arbeiten und die Abzüge in Kauf nehmen. Das gehe aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt, so der Tübinger Lungenarzt.

Mehr Geld für Gesundheitsversorgung nötig

Dass die Lage angespannt ist, liegt also auch am Geld. Die Krankenkassen stellen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aufgrund gesetzlicher Regelungen eine begrenzte Summe zur Verfügung, mit denen ärztliche Leistungen bezahlt werden müssen.

Karsten Braun, Vorstand der KV Baden-Württemberg, fordert eine Reform des Honorarsystems. Aber auch die Bedarfsplanung, die regelt, wie viele Ärzte es in einer Region gibt, sei in die Jahre gekommen und müsse geändert werden, so Braun. "Zum einen brauchen wir mehr Facharztsitze in vielen Fachdisziplinen, zum Beispiel für kinderärztliche Versorgung. Das bringt aber natürlich mit sich, dass man auch die Geldmittel bereitstellen muss, um dieses Mehr an Ärzten zu bezahlen."

Fachärzte fordern: Weg mit den starren Regelungen

Mediziner und Medizinerinnen fordern von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Budgetierung aufzuheben. Insgesamt sei das System veraltet und viele Regelungen seien zu starr, meint Lungenarzt Martin Langer aus Tübingen und nennt ein Beispiel:

"Bei den internistischen Fachärzten werden alle in einen Topf geschmissen. Das heißt, es kann in einem Kreis zum Beispiel keinen Rheumatologen geben, aber fünf Gastroenterologen und andere Ärzte. Und dann sind genug Fachärzte da, obwohl es keinen einzigen Rheumatologen gibt." Das sei völlig überholt, vorsintflutlich und ein großes Hindernis.

Der SWR hat am 15. März über Hausärzte berichtet, die über die Budgetierung klagen:

Stuttgart

Kassenärztliche Vereinigung kürzt Honorare Mehr Patienten, weniger Geld: Mediziner in BW sehen Versorgung gefährdet

Es fehlen nicht nur viele Hausärzte in BW - sie bekommen neuerdings auch weniger Geld pro Patient. Mediziner sehen die Versorgung gefährdet und fordern eine Reform.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR BW

Termin bei der Frauenärztin in vier Monaten

Zurück zu Lucille Malafosse. Die zweifache Mutter hat viele Telefonnummern gewählt und hing in einigen Warteschleifen. Schließlich bekommt sie in einer Frauenarztpraxis außerhalb von Tübingen einen Termin. Allerdings erst im Juli. Die 25 Minuten Autofahrt nimmt sie in Kauf.

Mehr über den Facharztmangel in BW

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Balingen

Neueröffnung ist Besonderheit Lichtblick für junge Patienten: Kinderklinik am Zollernalb Klinikum eröffnet

Am Zollernalb Klinikum in Balingen können Kinder und Jugendliche nun besser behandelt werden. Die Neueröffnung der Kinderklinik ist eine Seltenheit in Deutschland.

SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

Tübingen

Ruth Mayer protestiert auch in Stuttgart Frauenärztin aus Tübingen bangt um Existenz

Viele Haus- und Fachärzte in Tübingen sind alarmiert. Die Honorare sinken, die Kosten steigen. Und Nachwuchs ist nicht in Sicht. Nun befürchten sie Schließungen.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR Fernsehen BW

Stuttgart

Marburger Bund hatte zu Warnstreiks aufgerufen Unikliniken in BW: Ärztinnen und Ärzte demonstrierten in Stuttgart

Ärztinnen und Ärzte an den Unikliniken in Baden-Württemberg haben am Montag in Stuttgart demonstriert. Sie forderten mehr Geld und höhere Zuschläge für Überstunden und Nachtarbeit.

Guten Morgen Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg