Heiligenfiguren im Diözesandepot (Foto: SWR)

Vor dem Müll gerettet: Heiligenfiguren, Kreuze und Altäre

Schätze im Depot der Diözese Rottenburg-Stuttgart

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Nadine Ghiba

Die Mode ändert sich immer mal wieder: bei Kleidung, Deko, Autos. So auch in der Ausstattung von Kirchen. Wenn Kunstgegenstände keine Verwendung mehr finden, landen sie im Depot.

Das Depot der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf dem Klostergelände in Obermarchtal (Alb-Donau-Kreis) ist die Anlaufstelle für kirchliche Kostbarkeiten, die gerade nicht gebraucht werden, zum Beispiel weil eine Kirche geschlossen oder neu eingerichtet wird. Früher wurden alte Gemälde, Altäre oder Figuren öfters weggeworfen. Ralf Schneider ist für das Depot verantwortlich und setzt sich dafür ein, dass das nicht mehr passiert.

Holzgemälde von 1570 vor dem Müll gerettet

Liebevoll streicht Ralf Schneider über die Rückseite eines Holzgemäldes. Das wäre fast auf dem Müll gelandet, erzählt er. Von hinten sieht das Stück Holz unscheinbar aus, wenn man es jedoch umdreht, erkennt man ein kunstvolles Gemälde und in großen Lettern die Jahreszahl 1570. Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, sagt Schneider. Vielen fehle ein Bewusstsein dafür, ob etwas von historischem oder kunstgeschichtlichem Wert sei.

"Wenn so etwas weggeworfen wird, ist das nicht nur Kunst, sondern auch die eigene Kulturgeschichte, die flöten geht."

Christus-Skulptur sollte im Internet verkauft werden

So ähnlich war es auch bei einer Christus-Skulptur auf einer Grabplatte. Eine Kirchengemeinde hatte sie bereits im Internet zum Verkauf angeboten, als der Pfarrer ein mulmiges Gefühl bekam. Er schickte Ralf Schneider ein Foto, dann wurde das Angebot sofort aus dem Internet genommen: Der Christus stammte nämlich aus dem Jahr 1425.

Christus-Skulptur im Depot der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Foto: SWR)
Diese Christus-Skulptur aus dem 15. Jahrhundert wäre beinahe im Netz versteigert worden.

Chorgestühl aus der Domkirche Rottenburg

Manche Rottenburger hätten geweint, als das Chorgestühl aus der Kirche entfernt wurde, erzählt Schneider. Es wurde nach dem Vorbild des Ulmer Münsters gebaut, in den 1970ern gefiel der neugotische Stil aber nicht mehr. Das Chorgestühl sei brachial rausgerissen worden - mit Säge und Vorschlaghammer. Heute würde man so etwas nicht mehr machen, da ist sich Schneider sicher.

Stück für Stück wird Chorgestühl wieder eins

Erfreulich aber ist, dass immer mehr Teile des Gestühls wieder auftauchen. Manche Rottenburger hätten sich damals Teile als Andenken mitgenommen, es sollte ja ohnehin alles weggeworfen werden, so der Verantwortlicher des Diözesandepots. Schneider konnte schon zwei Sitzreihen und mehrere Bögen und Figuren rekonstruieren. Er hofft, dass mit der Zeit vielleicht noch weitere Teile ihren Weg ins Depot finden.

Ralf Schneider und das Rottenburger Chorgestühl (Foto: SWR)
Dass man das Chorgestühl damals einfach herausgerissen hat, tut Ralf Schneider in der Seele weh.

Knapp 10.000 Kunstschätze - gut gesichert

Das Depot hat aber noch viel mehr zu bieten. Auf etwa 2.000 Quadratmetern findet man tausende Figuren, Hochaltäre und Gemälde. Es gibt eine Toten-Kutsche und sogar ein Skelett: eine Reliquie des Heiligen Clemens. Ralf Schneider nimmt alles bei sich auf, außer Gegenstände, die es schon zu oft gibt. Um die zahlreichen Kunstschätze zu schützen, ist das Gelände mit Bewegungsmeldern gesichert. Sobald der Alarm losgeht, ist die Polizei in zwei Minuten da. Eine Minute später kommt die Hundestaffel, sagt Schneider lachend. Das weiß er, weil er den Alarm selbst einmal versehentlich ausgelöst hat.

Figurendepot Diözese Rottenburg-Stuttgart (Foto: SWR)
Im Depot tummeln sich hunderte Marien-, Engels- und Heiligenfiguren.

Second-Hand in der katholischen Kirche

Die Kunstgegenstände sollen aber nicht im Depot verstauben. Kirchengemeinden kommen manchmal vorbei und suchen sich bestimmte Stücke aus, zum Beispiel eine Heiligenfigur für ihren Gemeinderaum. So finden alte Schätze ein neues Zuhause.

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