Als die bisherige Hausärztin von Helga Baisch vor einiger Zeit entschied, in ihrer Praxis nur noch Privatpatienten zu behandeln, musste sich Daniel Baisch für seine Mutter auf die Suche nach einem neuen Hausarzt machen. Wichtig für ihn: Der Arzt sollte zu Hausbesuchen bereit sein, weil seine Mutter kaum noch selbstständig laufen kann.
Die 70 Jahre alte Dame ist an eine künstliche Lunge angeschlossen. Der Sohn kümmert sich, telefoniert, schreibt Mails, bittet um Hilfe. Über zwei Monate versuchte ihr Sohn verzweifelt, Ärzte dazu zu überreden, seine schwerkranke Mutter als Patientin aufzunehmen. Aber - Hausarzt-Praxen sind oft voll belegt und Hausbesuche seien zudem schlecht bezahlt, erklären einige Ärzte am Telefon. Es hagelte Absagen.
Monatelange Suche
Zweieinhalb Monate lang dauerte die Suche, die Medikamente für Helga Baisch gingen zur Neige. Um ein Rezept für Neue verschrieben zu bekommen, so einige Ärzte am Telefon, solle sie doch bitte in die Praxis kommen. Aber: Das sei eine Riesenbelastung für die 70-Jährige mit Pflegestufe 5, meint ihr Sohn. Dies ginge nur mit dem Krankenwagen, denn die Mutter nur noch wenige Schritte gehen -an guten Tagen.
In seiner Not schrieb Daniel Baisch an das Gesundheitsministerium, nahm mit der Kassenärztlichen Vereinigung BW Kontakt auf, erklärt, dass er einen Arzt suche, der auch Hausbesuche bei der schwerkranken Mutter mache. Aber auch dort empfahl man ihm: Die Patientin möge doch bitte zunächst in eine Arztpraxis kommen.
Viele Hausärzte kommen mittlerweile grundsätzlich seltener ans Krankenbett. Die Zahl der Hausbesuche nimmt in Baden-Württemberg ab. Waren es 2017 noch mehr als 3 Millionen pro Jahr, sind es aktuell nur noch 2,3 Millionen Hausbesuche. Das zeigen Daten der Kassenärztlichen Vereinigung. Ein Rückgang um fast 25 Prozent.
Landesregierung wirbt um Ärztenachwuchs
Der Hausarztmangel und seine Folgen sind der Landesregierung bewusst. Auf Nachfrage heißt es beim Sozialministerium, man habe verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um junge Medizinerinnen und Mediziner für eine Niederlassung in Baden-Württemberg zu gewinnen.
Akutes Problem gelöst, Hausbesuche bleiben aber Ausnahme
Nach Monaten kommt dann doch Bewegung in die Sache. Dr. Martin Linzner, ein junger Arzt aus Stuttgart-Degerloch, hilft, hat sie als Patientin angenommen und machte einen Hausbesuch. Aber auch er sagt: Hausbesuche seien aktuell für ihn kaum mehr möglich, eine absolute Ausnahme. Die Arbeitsdichte in der Arzt-Praxis sei einfach zu hoch, Hausbesuche sowieso oft in der Freizeit. Das Risiko für ältere Patienten, nicht mehr zu Hause versorgt zu werden, steige. Er sucht nun gemeinsam mit Sohn Daniel Baisch nach Alternativen zum Hausbesuch, etwa über eine Videosprechstunde. Aber ganz ohne Besuche in der Praxis werde es wohl dennoch nicht gehen.