Ein Gast, der weit gereist ist, war an diesem Mittwoch im Stuttgarter Linden-Museum zu Besuch: Abba Tijani ist Generaldirektor der nigerianischen Museums- und Denkmalbehörde.
In Stuttgart hat er sich mit der baden-württembergischen Staatssekretärin Petra Olschowski und Vertretern des Linden-Museums und der Stadt Stuttgart getroffen, um eine geplante Rückgabe kolonialer Raubkunst an Nigeria vorzubereiten.
Was hat es mit den Benin-Bronzen auf sich?
Etwa 1.100 kunstvolle Bronzen aus dem Palast des historischen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, sind in deutschen Museen zu finden. Im Bestand des Linden-Museums befinden sich 78 Objekte aus dem ehemaligen Königreich Benin, darunter 64 Bronzen.
Nach Angaben des Museums muss davon ausgegangen werden, dass die Bronzen überwiegend im Jahr 1897 während einer brutalen britischen Strafexpedition aus dem Palast des Königshauses Benin geplündert und anschließend zur Refinanzierung der Militäraktion versteigert wurden. Das Linden-Museum hat den größten Teil seiner Benin-Objekte 1899 in Berlin erworben.
Einigung zwischen Deutschland und Nigeria
Erst an diesem Dienstag haben sich Deutschland und Nigeria über den Umgang mit den als koloniales Raubgut geltenden Bronzen verständigt. Eine entsprechende Absichtserklärung soll am Freitag in Berlin unterschrieben werden.
Wie genau die Rückgabe der Objekte aus dem Linden-Museum ablaufen soll, wird nach Angaben des Museums in den nächsten Monaten besprochen.
Manche der Bronzen sollen in Deutschland bleiben
Baden-Württemberg wolle Verantwortung übernehmen, sagte Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst am Mittwoch in Stuttgart.
Der Besuch aus Nigeria machte in Stuttgart deutlich: Nicht alle der betroffenen Kunstobjekte sollen zurück nach Nigeria gebracht werden. "Wir wollen hier kein Vakuum erzeugen, deshalb werden wir einige Objekte auch zurücklassen, damit sie ausgestellt und an ihnen geforscht werden kann", sagte Abba Tijani bei seinem Besuch im Linden-Museum. Tijani lobte den deutschen Umgang mit dem Thema.
Auswirkungen auch in Mannheim
Die Einigung Deutschlands und Nigerias über die Rückgabe der Bronzen hat auch in Mannheim Folgen.
Die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen werden nächste Woche im Kulturausschuss über den aktuellen Stand und die Entwicklungen auf Bundesebene berichten, anschließend sollen weitere Schritte besprochen werden. Das teilte die Direktorin der Abteilung Weltkulturen Nelly Friedland auf Anfrage des SWR mit.
Eigentümerin der Bronzen ist die Stadt Mannheim
Mannheim besitzt rund 30 Objekte aus der westafrikanischen Königsstadt, die die Briten Ende des 19. Jahrhunderts geplündert haben.
Offizielle Eigentümerin der Objekte ist die Stadt Mannheim, deshalb muss sie über die Rückgabe entscheiden. Der Gemeinderat hat bereits in einer früheren Sitzung die Bereitschaft dazu signalisiert, ein Beschluss liegt allerdings noch nicht vor.
Weitere Bundesländer schließen sich Rückgabe an
Weitere Bundesländer haben bereits Schritte für eine Rückgabe der Kunstobjekte eingeleitet. Das Stuttgarter Linden-Museum werde konkrete Objekte für eine Rückgabe identifizieren und in Gespräche mit der nigerianischen Seite eintreten, kündigte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) an und fügte hinzu: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nun rasch zu umfassenden Rückgaben kommen, insbesondere aus dem Linden-Museum." Auch Hamburg und Köln sind bereits dabei, alle notwendigen Vorkehrungen für eine Rückgabe zu treffen.
Rückgaben auch aus ausländischen Museen und Universitäten erwartet
Nach der Einigung zwischen Deutschland und Nigeria über den Umgang mit den als koloniales Raubgut geltenden Benin-Bronzen rechnet das afrikanische Land mit weiteren Rückgaben aus den Beständen ausländischer Museen und Universitäten. "Die deutsche Entscheidung hat die Position anderer Museen, Universitäten und Gesellschaften stark beeinflusst", sagte Tijani. Es gebe teils weit vorangeschrittene Gespräche in Großbritannien sowie in den USA über die dort geführten, als koloniales Raubgut geltenden Kunstobjekte. Er gehe fest von weiteren Rückgaben aus und nannte unter anderem das British Museum in London und das Metropolitan Museum of Art in New York.
Erster Schritt in einem langen Prozess
Staatssekretärin Olschowski sieht die deutschen Rückgaben nur als erste Schritte in einem langen Prozess. "Mit der Einigung hört es nicht auf", sagte sie. Auch die Bestände der landeseigenen baden-württembergischen Museen, Universitäten und Uni-Kliniken würden aufgearbeitet. Dort lagern noch Tausende menschliche Überreste wie Haare, Knochen, Schädel oder Skelette aus Kolonialzeiten. Ziel des Landes sei es, die Überreste, die in kolonialem Zusammenhang erworben oder erbeutet worden sind, an die Herkunftsstaaten oder Gruppen zurückzugeben.