Michael Ballweg hält auf einer Bühne vor der JVA Stuttgart-Stammheim eine Rede. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Julian Rettig)

Anwalt spricht von Ohrfeige für Ermittler

Ballweg: Warum das Gericht nicht wegen Betrugs und Geldwäsche verhandeln will

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Verena Neuhausen
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Philipp Pfäfflin
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Die Staatsanwaltschaft Stuttgart will Michael Ballweg wegen versuchten Betrugs und Geldwäsche anklagen. Das Landgericht will nur die Klage wegen Steuerhinterziehung zulassen. Nun ist klar warum.

Das Landgericht Stuttgart hat die Anklage wegen Steuerhinterziehung gegen den "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg zugelassen. Allerdings lehnt das Gericht einen Prozess wegen der Vorwürfe des versuchten Betrugs in 9.450 Fällen und der Geldwäsche in vier Fällen ab. Dafür sieht das Gericht laut einer Pressemitteilung vom Dienstagabend mehrere Gründe. Wir erklären die Hintergründe

Warum lehnt das Landgericht Stuttgart einen Prozess wegen versuchten Betrugs ab?

Michael Ballweg hatte laut Anklage für seine Bewegung "Querdenken 711" mehr als eine Million Euro eingesammelt und soll rund eine halbe Million für eigene Zwecke verbraucht haben. Doch das Landgericht sieht keinen hinreichenden Verdacht, dass Ballweg betrogen hat. Nach Auffassung des Gerichts hatte der "Querdenken"-Initiator offenbar ausreichend informiert, was mit dem eingeworbenen Geld geschehen sollte. Auch sei er nicht verpflichtet gewesen, Spenden oder Schenkungen von seinem Privatvermögen zu trennen. "Querdenken 711" sei keine Vereinigung oder juristische Person, teilte das Landgericht Stuttgart weiter mit. Ballweg habe dies auch nicht behauptet. In Veröffentlichungen hatte er stattdessen sogar darauf hingewiesen, dass es ihm bislang nicht gelungen sei, eine Rechtsform für "Querdenken 711" zu finden. Auch eine Anerkennung als gemeinnützige Gruppierung konnte er nicht erreichen. Auch in dieser Hinsicht habe er seine Geldgeber nicht getäuscht.

Die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim. "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg sass hier in Untersuchungshaft. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)
Die Justizvollzugsanstalt in Stuttgart-Stammheim. Dort saß der Gründer der "Querdenken"-Bewegung Michael Ballweg neun Monate in Untersuchungshaft.

In den Aufrufen sei zudem nicht behauptet worden, dass das Geld für ein bestimmtes Projekt eingesetzt werde. Vielmehr bleibe unklar, was genau der Zweck von "Querdenken 711" sei. So könne hieraus auch nicht geschlossen werden, dass das erhaltene Geld "zweckwidrig" oder für "private Zwecke" ausgegeben wurde. Dies gelte erst recht, nachdem sogar gemeinnützig anerkannte Gesellschaften erhebliche Teile eingeworbener Spenden für Werbungs- und Verwaltungskosten einsetzen dürften, so ein Sprecher des Landgerichts. Daher sieht das Gericht nach eigenen Angaben "keinen für die Eröffnung des Verfahrens hinreichenden Tatverdacht eines Betruges".

Auch im Punkt Geldwäsche will das Gericht nicht gegen Ballweg verhandeln. Warum?

Das hängt mit dem vorherigen Punkt zusammen. Geldwaschen kann man nur illegal erworbenes Geld. Wenn kein Betrug vorliegt und damit Ballweg offenbar auch über kein illegal erlangtes Geld verfügte, könne er sich auch nicht der Geldwäsche strafbar gemacht haben. Das Gericht will deswegen auch nicht wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen Ballweg verhandeln.

Das ist eine ziemliche Ohrfeige, die die Staatsanwaltschaft vom Landgericht bekommen hat.

Wie reagieren die Anwälte von Michael Ballweg?

Reinhard Löffler aus dem Anwaltsteam von Michael Ballweg nennt die Begründung des Landgerichts eine "ziemliche Ohrfeige" für die Staatsanwaltschaft. Das Landgericht habe den Fall sehr kompetent und ausführlich geprüft und begründet. Entsprechend gehe er davon aus, dass sich Ballweg tatsächlich nur wegen Steuersachen vor Gericht verantworten müsse. Der Rechtsanwalt geht noch einen Schritt weiter: Er ist überzeugt, dass auch die Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung vor Gericht keinen Bestand haben werden. "Das sehe ich sehr gelassen", so Anwalt Löffler am Mittwoch.

Saß der Gründer der "Querdenken"-Initiative zu Unrecht in U-Haft?

Davon ist Anwalt Reinhard Löffler überzeugt. Die Frage nach Schadensersatz für die neunmonatige Untersuchungshaft müsse gestellt werden. Aber das komme ganz zum Schluss, nach Abschluss des Verfahrens, so Rechtsanwalt Löffler.

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Wann beginnt in Stuttgart das Gerichtsverfahren gegen Ballweg?

Das ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft hält an den Betrugs- und Geldwäsche gegen Ballweg weiter fest. Deswegen hat sie bereits Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart eingelegt. Nun liegt der Fall beim Oberlandesgericht (OLG). Sollte die Staatsanwaltschaft Erfolg haben, müsste eine andere Kammer des Landgerichts doch wegen aller Delikte eine Hauptverhandlung eröffnen. Weist das OLG die Beschwerde zurück, muss sich Ballweg tatsächlich nur wegen Steuerdelikten vor Gericht verantworten.

Was wirft die Staatsanwaltschaft Ballweg vor?

Der 48-Jährige soll unter anderem durch öffentliche Aufrufe von Tausenden Personen finanzielle Zuwendungen für die Organisation "Querdenken 711" im Umfang von mehr als einer Million Euro eingeworben haben. Rund 500.000 Euro davon habe er in die eigene Tasche gesteckt und somit die Zuwenderinnen und Zuwender getäuscht, was mit dem Geld passiert, so die Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Außerdem soll er einen Teil des aus Sicht der Ermittler illegal erworbene Geldes in bar abgehoben haben, um die Herkunft des Geldes zu verschleiern. Ballweg hatte die Vorwürfe bestritten. Wegen Fluchtgefahr saß er neun Monate in Untersuchungshaft in Stuttgart-Stammheim. Im April war er aus der U-Haft entlassen worden.

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