Seit Jahren möchte die Stadt Aichtal (Kreis Esslingen) ein Haus abreißen. Es wird dringend Platz für neuen Wohnraum gebraucht, aber das Regierungspräsidium Stuttgart verbietet der Gemeinde den Abriss des Hauses im Stadtteil Grötzingen.
Denn das Haus sei ein Baudenkmal und stehe für einen wichtigen Teil der regionalen Nachkriegsgeschichte. Aber der Bürgermeister Sebastian Kurz (CDU) sagt, das Haus sei vor allem einsturzgefährdet und nicht sanierbar. Seit Jahren passiert also - nichts.
Abriss-Genehmigung per Gericht?
Auch ein Vor-Ort-Termin am Donnerstag (29. Februar) hat laut Stadtverwaltung in Aichtal zu keiner Annäherung der Positionen geführt. Die Stadt will nun eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung für den Abriss beantragen. Wenn Regierungspräsidium, Landratsamt und Stadtverwaltung zu keiner Einigung kommen, werde sich ein Gericht mit der Angelegenheit befassen müssen, erklärt Bürgermeister Sebastian Kurz in einer Mitteilung.
Der Gemeinderat hatte sich im Dezember vergangenen Jahres mit 16 Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme für den Abbruch entschieden.
Ein Haus, das Geflüchtete erbaut haben
Gegen den Abriss stehe die Geschichte des Hauses, erklärt Kurz: "Weil geflüchtete Menschen in der Nachkriegszeit das Gebäude selbst gebaut haben. Sie haben teilweise Lehm und Ziegel selbst hergestellt." Daher habe die Denkmalbehörde Einwände gehabt, das Haus abzureißen.
Einwände, die Kurz nicht nachvollziehen kann. "Das Gebäude zerfällt im Inneren. Da sind Wände eingestürzt", sagt er. Das gesamte Gebäude sei stark von Hausschwamm befallen, einem Schimmelpilz. Das Betreten sei nur mit Atemmaske und Schutzausrüstung möglich. Manche Teile seien gar nicht mehr begehbar, da sie einsturzgefährdet sind. "Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, wie dieses Objekt überhaupt saniert werden kann", so Kurz.
Er wolle die Geschichte des Objektes gar nicht infrage stellen, er sei auch bereit, in seiner Stadt auf die Geschichte dieses Hauses aufmerksam zu machen, so der Bürgermeister. Aber mit einer Sanierung des Gebäudes sei niemandem geholfen.
Regierungspräsidium: Haus ist ein Kulturdenkmal
Das Regierungspräsidium Stuttgart erklärt auf SWR-Anfrage, das baulich wenig veränderte Reihenhaus sei aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen ein Kulturdenkmal. "An dessen Erhaltung besteht aufgrund seines exemplarischen und dokumentarischen Werts ein öffentliches Interesse." Es stehe für die Suche nach einer effizienten und kostengünstigen Lösung für Bauaufgaben der Flüchtlingsunterbringung der Nachkriegszeit. Daher sei die Kommune in der Pflicht, das Haus zu erhalten.
Streit gärt seit 2017 - Wohnraum wird dringend benötigt
Seit 2017 gehe schon der Streit zwischen der Stadt Aichtal und dem Regierungspräsidium Stuttgart. "Es ist ein Ping-Pong-Spiel", sagt Kurz. Immer wieder würden neue Abriss-Anträge gestellt, immer wieder würden sie abgelehnt. Die Gemeinde sei bereit gewesen, eine Prüfung durchführen, um zu zeigen, dass eine Sanierung sich finanziell nicht rechne.
Doch das Regierungspräsidium habe deutlich gemacht, dass das die Situation nicht ändern würde. "Es handelt sich hier um eine Fläche von 2.000 Quadratmetern, die wir dringend benötigen, um Wohnraum zu schaffen", so Sebastian Kurz.